Der heiße und trockene Wind wirbelte den Wüstensand ohne Unterlass auf. Zwei zitternde Gestalten kämpften gegen die mächtige Wand aus Luft, die sich vor ihnen aufbaute. Ihr Gesicht schützten sie mit einem Tuch, der ihnen jedoch wenig half. Die beiden konnten sich kaum auf den Beinen halten. Pfeifend und heulend umwehte sie der Sandsturm. Die Steine und Wurzeln der trockenen Sträucher erschwerten ihr Vorankommen zusätzlich. Nach wenigen, unendlich scheinenden Minuten, sahen sie einen kleinen Wacholderhain. Sie suchten darin Zuflucht und warteten unter einem Wacholderbaum, bis der Sturm vorüberging. Die beiden schemenhaft erkennbaren Silhouetten schmiegten sich aneinander und versuchten, sich so vor dem peitschenden Wind zu schützen.
Nachdem sich das Unwetter beruhigt hatte, nahmen sie ihre Kopfbedeckung ab. Dahinter verbargen sich die Gesichter eines schwarzhaarigen Mannes Ende Vierzig und eines kleinen 8-jährigen Mädchens. Der Mann schien sich seit mehreren Wochen nicht mehr rasiert zu haben. Das Mädchen neben ihm wirkte viel zu ernst für ihr Alter. Beide trugen weite braun-graue Kleider nach der Art der Menschen, die in dieser Wüste leben.
„Vater, endlich ist der Sandsturm vorbei“, sagte das Mädchen erleichtert.
„Ja, Sal’iq, zum Glück“, antwortete ihr Vater erleichtert, „denn länger hätte ich es kaum ausgehalten.“
„Wo werden wir heute schlafen, Tal’ok?“ fragte Sal’iq müde.
„Hmm, zuerst sollten wir einen geschützten Platz im Wäldchen aufsuchen und dann werden wir ein Nachtlager aufschlagen, wo wir auch zu Abend essen können“, antworte Tal’ok und schaute sich um. Er sah nur vertrocknete Bäume, Steine und Sand. Viel Sand. Die Sonne näherte sich langsam dem Horizont.
Plötzlich hörten sie ein Rascheln im Gras. Ein Schatten huschte zwischen den Bäumen hindurch. Auf dem Boden liegende Zweige und Äste knackten geräuschvoll. Tal’ok stand auf und bedeutete Sal’iq Schutz zu suchen. Er nahm einen Ast vom Boden auf und wartete darauf, dass der Angreifer hinter dem Versteck hervorkam. Mit lautem Knurren sprang ein orange-grauer Sandwolf aus dem Geäst hervor. Er fletschte seine Zähne und wirkte ausgehungert. Sein Fell verlor längst den Glanz.
Das verzweifelte Tier bäumte sich auf und knurrte aggressiv. Den beiden war klar, dass es sie jederzeit angreifen konnte. Tal’ok versuchte ruhig aber entschlossen zwischen Sal’iq und dem Wolf stehen zu bleiben. Er wusste, dass seine Tochter wegen ihrer Größe das Hauptziel des Angreifers war, der sie langsam umkreiste und beide nicht aus den Augen ließ.
„Wir haben auch Hunger, mein Lieber“, versuchte Tal’ok beruhigend auf den Wolf einzureden. Das Tier knurrte unbeirrt weiter und fixierte ihn mit seinen dunkelgrauen Augen. Darin spiegelten sich gleichzeitig Wut, Hunger und Verzweiflung wider.
„Pass auf!“ rief Sal’iq, als sie sah, dass der Sandwolf ihren Vater angreifen wollte.
Tal’ok schlug mit dem Ast vor dem Wolf und hob den Stock wieder drohend in die Höhe. Sand und kleine Steine flogen in die Luft. Der Angreifer wich zurück. Sal’iq warf einen Stein zur Abschreckung daneben. Der Sandwolf erschrak und lief davon.
„Danke, Sal’iq. Wir sind ein eingespieltes Team“, atmete Tal’ok auf.
„Der arme Wolf tat mir leid“, erwiderte Sal’iq.
„Ich weiß, mir ging es nicht anders. Es sind schwierige Zeiten“, Tal’ok umarmte seine Tochter sanft. Sie schienen nicht zum ersten Mal in einer derartigen Situation zu sein.
„Wir haben die Wüste endlich überquert“, sagte Tal’ok erleichtert, „vor dem Einbruch der Dunkelheit müssen wir die Felsen drüben erreichen“. Er deutete in die Richtung einer Felsformation, hinter welcher die purpurrote Sonne verschwand.
„Vermutlich wird der Sandwolf mit seinem Rudel zurückkehren“, befürchtete Sal’iq.
Sie beeilten sich. Tal’ok humpelte. Die Anstrengung der letzten Tage war ihnen deutlich anzumerken. Sal’iq zog ihren Kopfschutz enger zu. In der Ferne heulten mehrere Wölfe. Schnell erreichten sie den felsigen Berg. Die letzten Sonnenstrahlen kämpften sich hinter den Gipfeln hervor, die einer Turmruine glichen.
„Sieh, meine kleine Sal’iq“, flüsterte Tal’ok erschöpft, „ein Höhleneingang“, er deutete auf einen schmalen Felsspalt über ihnen.
„Können wir uns darin verstecken? Ich bin so sehr müde.“
„Das hoffe ich, meine kleine Tochter.“
Sie kletterten über die Böschung und zwängten sich vorsichtig durch den Spalt. Die untergehende Sonne erhellte teilweise den Eingangsbereich. Drei Fledermäuse flatterten aus der Höhle in die hereinbrechende Nacht. Tal’ok stellte sich schützend vor Sal’iq, sie ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. Plötzlich hörten sie Geräusche und menschliche Stimmen.
„Wir müssen tiefer in die Höhle, die Dunkelheit wird uns Schutz bieten“, wisperte Tal’ok und legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen. Sal’iq nickte. Sie schlichen langsam und tastend in den hinteren Teil der Höhle.
Die Stimmen wurden lauter.
— Fortsetzung folgt im Teil 2—
wow, spannend, ich freue mich auf die Fortsetzung 🙂
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Hallo Annette, das freut mich 🙂 Ich arbeite auch schon daran, es kommen jedoch noch einige andere Beiträge zuvor. Danke und beste Grüße, Dario
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Hallo Dario, hoffentlich verpasse ich es nicht 🙂 Danke dir und liebe Grüße, Annette
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Wie wunderschön
Du hast echtes Talent zum Geschichten erzählen
Die Atmosphäre ist ganz dicht
Man ist ganz da und kann alles sehen und hören und fühlen
💚💚💚
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Danke dir Ananda vielmals für die schönen Worte, ich werde ganz verlegen 🙂 Mir macht es seht großen Spaß, Geschichten zu erzählen, interessante Figuren und neue Welten zu erschaffen. Viele liebe Grüße dir aus sonnigem Nürnberg
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Es spricht für dich, die Verlegenheit 💚
Aber steh zu dir und deinen Gaben
Das ist eine ganz wunderbare Gabe, die du da mitbekommen hast in deinem Leben
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Vielen lieben Dank 🙂 Das werde ich. Herbstliche Grüße, Dario 🙂🍀🍃
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lieber dario, das hast du schön erzählt. das foto passt sehr gut dazu. liebe grüße, poetin
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Hallo liebe Poetin, vielen Dank dir. Ich wünsche dir einen sonnig-herbstlichen Sonntag, beste Grüße, Dario
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Danke schön. 🙂 Ich mache jetzt einen längeren Spaziergang. Dir auch einen schönen sonnigen Tag. Liebe Grüße, Poetin
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Ich bin auch unterwegs, die Herbstsonne ist herrlich heute. Viel Spaß beim Spaziergang, LG 🍁🍃🍂🐞🍀🐿️
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🍁🍃🍂🐞🍀🐿️ 🙂
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Guten Morgen Dario.
Eine schöne Geschichte. Bin gespannt wie es weiter geht.
Wie bist du auf die Namen gekommen?
LG, Nati
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Guten Morgen Nati, danke dir 🙂 Die Namen sind von mir frei erfunden. Liebe Grüße, Dario
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Aber sie haben was. Passt irgendwie.
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Danke dir 🙂 Fur diese Geschichte ist es mir wichtig, so viele Sachen wie möglich zu erfinden. Ein Sandwolf existiert meines Wissens auch nicht 🙂 Liebe Grüße, Dario
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Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Er passte wie selbstverständlich in die Geschichte.
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Jetzt schon 😉
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