Der gute Rat [4/4]

Was bisher geschah: Mattis verirrte sich im Wald, nachdem er den Einsiedler enttäuscht verlassenen hatte, der ihm keine Antworten geben konnte. Von Geräuschen angezogen, sah er wie Arman Steinkegel errichtete. Mattis versuchte es ihm nachzumachen. Doch er fand keinen Gefallen daran. Nach der erneuten Begegnung mit Arman bemerkte er, dass ihm klar geworden ist, was er zu tun hatte.

Alle Fortsetzungen auf einen Blick:

  1. Teil: Der gute Rat [1]
  2. Teil: Der gute Rat [2]
  3. Teil: Der gute Rat [3]

Mattis verabschiedete sich von Arman, der sich wieder seinen Steinen widmete. Nun galt es für Mattis, wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Viele Gedanken schwirrten in seinem Kopf. Während er die Steine aufeinanderstapelte, merkte er, dass ihm diese Tätigkeit nur wenig erfüllte. Doch die leicht monotone Handlung beruhigte ihn. Er konnte wieder entspannt atmen und klar denken. Mattis erinnerte sich daran, wie die Sonne stand, als er vor zwei Tagen aus dem Auto stieg. Sie ging leicht versetzt vor ihm unter. Er lief stets ungefähr in westliche Richtung. So müsste er jetzt nur in die entgegengesetzte Richtung laufen. Nach einiger Zeit kam ihm seine Umgebung wieder bekannt vor: hier ein schiefer Baum, dort ein Bach und auch der kleine Pfad, dem er gefolgt ist, waren jetzt wieder sichtbar. Der Finanzexperte freute sich, dass er wieder auf dem sprichwörtlich richtigen Weg war.

Da es bald dunkel wurde, stellte Mattis sein Zelt auf. Im Zelt legte er sich in seinen Schlafsack und schaltete seine Taschenlampe ein. Bevor er einschlief, betrachtete er das Foto seiner Familie, das er bei sich trug. Er erinnerte sich sehr gut an jenen Tag im August, als das Foto entstanden ist, bei einem ihrer seltenen Ausflüge entstanden, an Tommys zweitem Geburtstag. Sie gingen zu einem Volksfest und Mimi genoss ein Eis, während Tommy Zuckerwatte aß. Schon bald verlor das Geburtstagskind Interesse an seiner Süßigkeit und wollte auch ein Eis haben. Glücklich dachte Mattis an den Augenblick, als Mimi, kaum ein Jahr älter als Tommy, die große Schwester spielte und ihrem Bruder großzügig ihr Eis angeboten hatte. Mit dieser Erinnerung an seine Familie schlief Mattis ein.

Während Mattis am nächsten Tag nach Hause zurückkehrte, saß seine Frau Kira nachdenklich auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer. Sie ertappte sich dabei, wie sie immer wieder auf die Wanduhr sah. Vor mehreren Tagen ist ihr Mann verreist, um nach Antworten in seinem Leben zu suchen. Er meldete sich zuletzt aus seinem Motel, in dem er übernachtet hatte. Sie fragte sich, was seitdem geschehen ist. Wie ist Mattis zurechtgekommen? Sie malte sich im Kopf aus, wie er durch den Wald läuft, abends mit seinem Zelt kämpft und schließlich den weisen Mann trifft. Wie ging es weiter und, welche Antworten gab ihm der Unbekannte? Dieser plötzliche Aufbruch war so untypisch für ihn. Kira machte sich Sorgen um ihren Ehemann. Welche Pläne wird er nach seiner Rückkehr haben? Derartige Gedanken gingen ihr seit Tagen durch den Kopf. Zumindest konnte Mattis endlich Abstand von seinem Schreibtisch gewinnen.

Das Klingeln des Telefons riss Kira aus ihren Gedanken. Mit Herzklopfen griff sie zum Hörer.
„Guten Abend Kira“, hörte sie die vertraute Stimme.
„Mattis, ich freue mich, dass du anrufst. Wie geht es dir?“
„Danke, ich hatte einige schöne und erkenntnisreiche Tage“, sagte er, „jetzt bin ich wieder im gleichen Hotel, wie vor einigen Tagen. Und wie geht es dir und den Kindern?“
„Uns geht es gut. Tommy und Mimi fragen ständig nach dir. Sie können es kaum erwarten, dass du nach Hause kommst. Ich kann es auch kaum erwarten“, sagte sie lachend.
„Wir werden uns schon bald wiedersehen“, versicherte ihr Mattis.
„Was hast du erfahren? Wie war dein Treffen mit dem Bekannten von Ben?“ fragte sie ungeduldig.
Mattis erzählte ihr von seinen Erlebnissen im Wald und wie er Arman getroffen hatte. Er erzählte ihr auch, dass er den Mann zwar freundlich fand, dieser ihm jedoch nicht wirklich weiterhelfen konnte.
„Trotzdem war meine kleine Reise nicht umsonst“, versicherte er ihr.
„Das wäre meine nächste Frage gewesen.“
„Ich hatte die Gelegenheit, tief durchzuatmen und mir viele Gedanken zu machen. Ich habe mir die ganzen letzten Monate, ja, Jahre, durch den Kopf gehen lassen. Ich habe mich gefragt, wofür ich das alles mache. Klar, in erster Linie für uns. Aber, wird uns mehr Geld glücklicher machen? Wir verbringen dank mir kaum noch Zeit miteinander. Und meiner Gesundheit tut das alles auf Dauer auch nicht gut.“
„Ach, mein Liebster“, seufzte Kira zustimmend, ließ ihn aber ausreden.
„Leider habe ich dich und die Kinder in letzter Zeit sehr vernachlässigt“, seine Stimme stockte.
„Du hast getan, was du in dem Moment für richtig gehalten hast“, munterte sie ihn auf.
„Erinnerst du dich an früher? Als wir uns kennengelernt haben?“ sinnierte Mattis, „wir wollten viel reisen und die Welt verbessern.“
„Ja, wir waren damals sehr jung und naiv“, Kira lachte.
„Das stimmt. Aber etwas Gutes haben diese Gedanken, ich möchte mich wieder meinen alten Träumen widmen. Nicht zu sehr auf andere hören oder sie kopieren. Ich möchte keine Steinkegel bauen oder ähnliches, nur weil es andere tun.“
„Wie bitte, welche Steinkegel?“ fragte seine Frau irritiert und amüsiert zugleich.
„Ach, das ist eine lange Geschichte“, Mattis gluckste, „die erzähle ich dir, wenn wir uns wiedersehen. Tatsache ist, ich hatte die Antwort die ganze Zeit vor meinen Augen. Nicht alles, was ich mache ist verkehrt.“
„Wer behauptet etwas Anderes?“
„Vermutlich in erster Linie ich“, sagte er nachdenklich, „aber der Kern ist, ich möchte wieder mehr Zeit mit euch verbringen. Und meine Fähigkeiten mit etwas verbinden, was mir Spaß macht.“
„Du meinst, die Welt retten?“
„Ja, so in etwa. Ich möchte meine Tätigkeit als Finanzexperte in ethischere und nachhaltigere Bahnen lenken und Menschen helfen, die wirklich Hilfe brauchen.“
„Dann kannst du ja deine alten Träume mit deinem aktuellen Beruf verbinden. Die Stelle wirst du aber trotzdem wechseln müssen?“
„Das werde ich noch sehen. Ich sehe mir einige der Projekte an, die wir noch am Laufen haben, oder ich gehe gleich zu einem Unternehmen, das sozialer wirtschaftet. Diese Details muss ich mir noch genauer ansehen. Zuerst möchte ich noch etwas Anderes tun.“
„Dir den anderen Traum erfüllen?“
„Genau. Allerdings nicht alleine, sondern mit euch zusammen. Wir wollten schon immer eine bestimmte Reise unternehmen, nur gab es bisher keine Gelegenheit dazu. Du hast neulich erwähnt, dass du dir aktuell jederzeit spontan Urlaub nehmen könntest. Für mich wäre es auch kein Problem. Warum machen wir es nicht gleich? Lass uns für eine bis zwei Wochen verreisen.“
„Jetzt bist du aber voller Tatendrang“, Kira strahlte, „gut, machen wir es am besten, bevor wieder etwas dazwischenkommt. Ich werde mich gleich um meinen Urlaub kümmern.“
„Das freut mich. Ich hole euch ab und dann kann es losgehen“, sagte er begeistert.

Nach dem Abschied von ihrem Mann legte Kira den Hörer ganz vorsichtig auf. Sie freute sich auf die bevorstehende Reise.

Ende

Titelfoto: "Lichtträger", Fotorechte: Dario schrittWeise

8 Kommentare zu „Der gute Rat [4/4]

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    1. Hallo Gerhard, ich finde, so sollte er nicht denken, denn solche Zweifel werden ihn daran hindern, etwas an seiner Situation zu ändern. Genau solche Gedanken hat man doch immer: das schaffe ich nicht, das wird zu viel, das geht nicht … Wenn man sich davon befreit, dann kann etwas Neues gelingen. Liebe Grüße

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