Eine Frage der Einstellung

Ein Einakter über ein Vorstellungsgespräch. Ein Angestellter der Personalabteilung und eine Abteilungsleiterin der Firma Profitgier GmbH interviewen den schwitzenden Jobkandidaten Herrn Leidenmayer.

Figuren

  • Die Erzählerin
  • Frau Manuela Schindelschmidt, die Abteilungsleiterin
  • Herr Jonas Leidenmayer, der Jobkandidat
  • Herr Gerd Fragenhuber, ein Angestellter der Personalabteilung

„Warum sollten wir Sie einstellen?“ – ein Einakter

Die Erzählerin

„In einem Vorstellungsgespräch befragen ein Angestellter der Personalabteilung und eine Abteilungsleiterin einen schwitzenden Jobkandidaten. Der Unglückliche rückt seine Krawatte zurecht.“

Frau Schindelschmidt

(Betont sachlich)

„Herr Leidenmayer, wie ich hier sehe, haben Sie einige Lücken in ihrem Lebenslauf.“

Die Erzählerin

„Die Abteilungsleiterin blätterte unentwegt in den Bewerbungsunterlagen des Kandidaten. Sie tat es wie jemand, der dieses Dokument zum ersten Mal sieht. Indes errötete Herr Leidenmayer leicht. Er wippte nervös mit dem rechten Fuß.“

Jonas Leidenmayer

(Zögerlich)

„Das stimmt, ich hatte Auszeiten zwischen einigen Jobs.“

Herr Fragenhuber

„Was haben Sie zwischen Februar und November 1977 gemacht?“

Jonas Leidenmayer

(Nach einer kurzen Pause)

„In dieser Zeit habe ich eine kreative Auszeit genommen“.

Frau Schindelschmidt

(Nachdenklich)

„Mhm, und welchen Beruf übten Sie vor ihrer letzten Stelle als Bürokaufmann aus?“

Jonas Leidenmayer

(Mit einem leicht panischen Klang in der Stimme.)

„Mechaniker, davor war ich Automechaniker in Bochum.“

Frau Schindelschmidt

„Hm, das ist ein großer Sprung, Herr Leidenmayer, vom Mechaniker zum Bürokaufmann.“

Die Erzählerin

„Die Angestellte des Personalwesens tippte mit einem Stift auf den Bewerbungsunterlagen herum. Der Bewerber krallte sich an seinem Stuhl fest. Der zweite Angestellte setzte das Kreuzverhör fort.“

Herr Fragenhuber

(Nachbohrend)

„Herr Leidenmayer, warum glauben Sie, dass sie für diese Stelle die ideale Besetzung sind?“

Die Erzählerin

„Der zweite Prüfer schaute den Gefragten an, ohne mit einer Wimper zu zucken.“

Jonas Leidenmayer

(Antwortet nicht sehr überzeugt.)

„Ich denke, ich bringe alles mit, was benötigt wird.“

Die Erzählerin

„Plötzlich klingelte ein Handy. Das Lied „In the Eye of The Tiger“ ertönte. Der Bewerber verblasste, entspannte sich aber sichtlich, als er gemerkt hatte, dass Frau Schindelschmidt in ihre Tasche gegriffen hat, um ein Handy zu entnehmen. Herr Fragenhuber verdrehte die Augen.“

Frau Schindelschmidt

(Entschlossen)

„Entschuldigen Sie mich bitte, da muss ich unbedingt ran. Die Führungsetage braucht mich. Macht ruhig ohne mich weiter.“

Die Erzählerin

„Die Abteilungsleiterin verließ den Raum, ohne ihr Handy vom Ohr abzulegen. Herr Fragenhuber wartete noch einige Augenblicke, um sicher zu sein, dass seine Vorgesetzte tatsächlich nicht mehr zurückkommen wird. Er atmete erleichtert auf.“

Herr Fragenhuber

(Er atmet tief aus.)

„Puuh, endlich ist sie weg. Jetzt können wir uns entspannen.“

Herr Leidenmayer

(Unsicher)

„Wie … wie meinen sie das?“

Herr Fragenhuber

(Verschwörerisch)

„Lehnen sie sich einfach zurück. Und keine Angst, das ist kein Test. Oder doch?

Erzählerin

„Herr Fragenhuber lachte, während sein Gegenüber bleich wurde.“

Herr Fragenhuber

(Fröhlich)

„Keine Sorge, ich mache nur Witze. Aber ich würde ihnen ohnehin davon abraten, in diesem Saftladen zu arbeiten. Hier sind nur Spießer oder Verrückte.“

Herr Leidenmayer

„Ähm, wie soll ich das nun verstehen?“

Herr Fragenhuber

(Freundlich)

„Herr Leidenmayer, denken Sie sich nichts dabei. Ich sehe hier in ihrem Lebenslauf, dass Sie eine interessante Nebentätigkeit haben.“

Herr Leidenmayer

(Er geht zum ersten Mal in seiner Erzählung voll auf.)

„Ja, ich restauriere nebenbei alte Möbel. Damit verdiene ich zwar gerade genug, um mir meinen Jahresurlaub zu finanzieren, aber es ist eine willkommene Abwechslung zu meinem Alltagsjob.“

Herr Fragenhuber

(Interessiert)

„Gut, gut, das würde mir auch gefallen. Eine ehrliche, handfeste Tätigkeit. Nicht so verlogen und gewinnorientiert auf Kosten von ehrlich arbeitenden Menschen wie die meisten Jobs in dieser Firma.“

Herr Leidenmayer

(Überrascht)

„Meinen Sie? Ich dachte aber …“

Herr Fragenhuber

„Das kann ich mir vorstellen. Nach Außen wirkt die Firma modern, interessant, fortschrittlich. Aber glauben Sie mir, hier trifft die bekannte Redewendung zu: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“

Herr Leidenmayer

(Nachdenklich)

„Ist das so? Hm. Dann sollte ich mir das besser alles nochmal überlegen.“

Herr Fragenhuber

(Euphorisch)

„An ihrer Stelle würde ich das auch tun, Herr Leidenmayer. Wissen Sie was? Ich habe eine Idee. Warum gehen wir beide jetzt nicht raus aus diesem Raum? Sie sagen, der Job taugt ihnen nicht und ich werde meinen kündigen. Dann investiere ich in ihre Nebentätigkeit und wir gründen eine kleine Firma für Möbelreparaturen.“

Herr Leidenmayer

„Eine interessante Idee. Eine eigene Firma – warum nicht? Einen Versuch wäre es wert. Aber erzählen Sie mir bitte zuerst, warum ich gerade Sie einstellen sollte?“

Titelfoto: Eine Frage der Einstellung, Fotorechte: Dario schrittWeise

8 Kommentare zu „Eine Frage der Einstellung

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    1. Die Geschichte ist nicht direkt autobiografisch angelegt, aber ich denke, jede/r kennt diese Situation, manche sogar von beiden Seiten. Und dann ist der Lebenslauf zu lückenhaft oder zu linear. Wenn man es darauf anlegt, findet man immer etwas 😉 LG

      Gefällt 2 Personen

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