Ein Theaterstuck in drei Akten. Mehrere Personen treffen in einer Berghütte aufeinander und diskutieren über das Leben, jeder aus seinem persönlichen Blickwinkel. Am Ende des zweiten Aktes ist der Strom ausgefallen.
Die Kulisse mit einer verschneiten Berglandschaft kann als eine angenehme gedankliche Abkühlung für die heißen Tage angesehen werden.
Übersicht der Akte:
Figuren
- Erzählerin: Beschreibt die Details, die nicht durch die Figuren genannt werden. Geeignet für Hörspiele oder Lesungen. Die Rolle der Erzählerin kann alternativ durch eine audiovisuelle Inszenierung ersetzt werden.
- Thea Faber: Wirtin und Besitzerin der Gaststätte „Bergkristall“. Kurze, graue Haare und einfache, praktische Kleidung.
- Peter Labor: Businessman, Manager einer großen Firma, trägt exklusive Skikleidung, ansonsten teure Anzüge.
- Marie Parens: Mutter, Ehefrau von Thomas, fürsorglich, liebt wie ihr Mann ihre Kinder über alles. Dunkelbraune, lange Haare, einfache Winterkleidung.
- Thomas Parens: Vater, Ehemann von Marie Parens, ihre Kinder sind ihm ein und alles. Kurze, schwarze Haare, Vollbart.
- Prof. Dr. Hubertus Sanatio: Der ehemalige Universitätsprofessor arbeitet als Tierarzt in der Nähe der Berghütte von Thea Faber. Er trägt einen einfachen Anzug unter seinem dicken Wollmantel. Braune Haare mit vereinzelten grauen Stellen.
- Freya Artes: Fotografin, die freigeistige Frau findet alles andere als Kunst zweitrangig. Lockige Haare, sie trägt eine gelbe Jacke und blaue Wanderhose.
- Maximilian Ludus: Der sportliche Lebemann genießt das Leben in vollen Zügen. Er mag es, wenn man ihn „Max“ nennt. Er trägt bunte Snowboardausrüstung und eine neongelbe Sonnenbrille. Seine Haare hat er hellgrün gefärbt.
Die Sinnsucher: Akt 3
1. Szene
Erzählerin:
„In der Wirtsstube herrscht fast vollständige Dunkelheit. Der Strom ist ausgefallen. Ein Stimmengewirr ist zu hören.“
Thea Faber:
(Beruhigend)
„Bleiben Sie bitte ruhig. Es wird uns schon nichts geschehen. Das passiert hier von Zeit zu Zeit mal.“
Marie Parens:
„Wie kann man ruhig bleiben, wenn der Strom ausfällt?“
Peter Labor:
„Ja und was ist mit der Heizung? Der Raum fühlt sich gleich kälter an.“
Prof. Dr. Hubertus Sanatio:
„Wir sollten auf Frau Faber hören. Doch ungewöhnlich ist das schon.“
Thomas Parens:
„Gut, dass Mitzi das nicht mitmachen muss.“
Marie Parens:
(Ängstlich)
„Da hast du Recht.“
Thea Faber:
„Uff, das Gejammer ist ja nicht zu ertragen. Nur wegen ein wenig Stromausfall. Warten Sie, ich hole meine Petroleumlampe.“
Peter Labor:
(Irritiert)
„Petroleum? Das ist ja hier wie im Mittelalter. Haben Sie keinen Notstromaggregat?“
Freya Artes:
„Jetzt übertreiben Sie aber. Seien Sie doch froh, dass es überhaupt Alternativen gibt.“
Thea Faber:
(Seufzt)
„Essen Sie einfach ihre Suppe zu Ende und ich hole uns meine Lampe und ein Paar Kerzen.“
Marie Parens:
„Jetzt sitzen wir hier im Dunkeln. Hoffentlich kommt sie bald wieder.“
Erzählerin:
„Thea Faber verlässt den Raum. Stille tritt ein. Keiner rührt sich.“
2. Szene
Erzählerin:
„In der Dunkelheit ist nur das Ticken einer alten Wanduhr zu hören.“
Prof. Dr. Hubertus Sanatio:
(Unterbricht die betretene Stille)
„Na hoffentlich geht das hier bald vorbei. Ich wollte mich heute wieder meinem Buch über das Paarungsverhalten von Libellen widmen.“
Peter Labor:
„Na, Sie haben seltsame Hobbys. Wenn ich mir nur überlege, was mich hier jede Minute kostet. Die Videokonferenz ist längst vorbei, aber jetzt sollte ich wieder meinen Aktionsstand prüfen.“
Erzählerin:
„Der Wind rüttelt weiter an den Fenstern.“
Thomas Parens:
„Das hört nie auf. Was mir nicht aus dem Kopf geht, ist diese Geschichte mit dem Hubschrauber. Hoffentlich müssen wir nicht aus der Luft gerettet werden. Ich habe Höhenangst.“
Maximilian Ludus:
„Leute, ich kann euch nicht verstehen. Ihr jammert alle die ganze Zeit. Und dabei geht es uns gut. Wir haben hier genug zu essen und zu trinken. Die Kälte ist erträglich und Frau Faber wird bald für Licht sorgen. Es hat sogar etwas Romantisches.“
Marie Parens:
„Sie haben ja leicht reden. Max, ich habe bei Ihnen das Gefühl, dass Sie sich sogar zu ihrer eigenen Beerdigung verspäten würden. Haben Sie eigentlich Kinder?“
Maximilian Ludus:
(Lacht)
„Ich und Kinder? Ich lebe zu gefährlich. Und außerdem habe ich keine Zeit, mich um den Nachwuchs zu kümmern.“
Marie Parens:
„Sehen Sie? Genau darin liegt das Problem.“
Maximilian Ludus:
(Skeptisch)
„Aha, und wie das?“
Freya Artes:
(Mischt sich belustigt ein)
„Ja, das würde mich jetzt auch interessieren.“
Erzählerin:
„Im gleichen Moment hört man jemanden aus dem Hintergrund zu den Versammelten kommen. Es ist Frau Faber. Sie stellt die angezündete Petroleumlampe auf den Tisch. Jeder scheint mit sich selbst beschäftigt: Maximilian Ludus hat seine Socken ausgezogen und massiert seinen linken Fuß, Marie hat sich an ihren Thomas angelehnt, Freya Artes experimentiert mit ihrer Kamera und Peter Labor sucht im ganzen Raum nach einer Internetverbindung. Nur Dr. Sanatio sitzt seelenruhig und nachdenklich auf seinem Stuhl.“
Thea Faber:
„Bitteschön, hier sind die Kerzen, für jeden eine. Da habt ihr noch Streichhölzer.“
Erzählerin:
„Die Kerzen werden angezündet und weitergereicht.“
Thea Faber:
„Nicht dass es spät heißt, Thea Faber lässt ihre Gäste im Dunklen sitzen.“
Thomas Parens:
(Zufrieden)
„So ist es besser.“
3. Szene
Erzählerin:
„Die Eingeschneiten sitzen im Licht der Kerzen und der Sturmlaterne am langen Esstisch. Draußen ertönt ein lautes Geräusch, welches immer lauter wurde, bis es endlich abebbt. Alle drehen sich um.“
Thea Faber:
„Das ist nur eine Schneelawine. Haben Sie keine Angst. Das ist hier normal.“
Maximilian Ludus:
(Zu Thomas Parens)
„Na, hören Sie schon Hubschrauber kommen?“
Thomas Parens:
(Ängstlich)
„Das finde ich nicht lustig.“
Freya Artes:
(Wechselt das Thema, belustigt)
„Aber sagen Sie, Frau Parens, was wollten Sie uns erzählen, bevor uns Frau Faber die Kerzen mitgebracht hat?“
Marie Parens:
„Ach so, das. Es war nicht so wichtig.“
Maximilian Ludus:
„Nein, nein, so leicht kommen Sie uns nicht davon. Erzählen Sie es uns einfach.“
Marie Parens:
„Ja, in Ordnung. Was ich damit meinte, ist, dass für mich das Leben ohne Kinder keinen Sinn ergibt. Das Ziel unseres Daseins auf der Erde ist es doch, eine Familie zu gründen und Kinder in die Welt zu setzen.“
Thomas Parens:
(Lächelt selig und nimmt ihre Hand)
„Da sind wir uns einig, meine Liebste.“
Freya Artes:
„Das ist ja ein Ding, Frau Parens. Und was heißt es für uns, die keine Familie haben?“
Marie Parens:
(Unsicher)
„Nun, ähm, dass ihr weiter suchen sollt.“
Maximilian Ludus:
(Lacht herzlich)
„Das muss ich meinem Freund erzählen, wenn ich nach Hause komme. Er wird sich freuen. Ich sage ihm: sorry, ich muss weitersuchen.“
Marie Parens:
(Verlegen)
„Ämm …“
Peter Labor:
„Das ist alles Quatsch. Ich habe eine Frau und drei Kinder zuhause. Trotzdem finde ich nicht, dass die Familie am wichtigsten ist. Geld lässt die Erde drehen. Sehen Sie sich doch mal um. Alle wollen sich nur bereichern. Wachen Sie auf!“
Freya Artes:
„Das sehe ich anders. Mir ist das Geld egal. Ich gehe in der Kunst auf. Ohne meiner Fotos wäre mein Leben nicht das Gleiche.“
Peter Labor:
(Winkt ungläubig ab)
„Ach, das bilden Sie sich nur ein. Oder Sie belügen sich erfolgreich. Sie machen es doch nur, um es zu verkaufen. Was nichts kostet ist nichts wert.“
Freya Artes:
„Das können Sie gerne glauben. Ich möchte mich mit meiner Kunst beschäftigen. Nur das zählt für mich. Ob jemand meine Fotos kauft, hilft mir, Rechnungen zu bezahlen. Aber das ist für mich nicht entscheidend.“
Prof. Dr. Hubertus Sanatio:
„Ich finde weder Geld noch Familie wichtig. Ich vertiefe mich am liebsten in meine Studien. Die Wissenschaft ist meine Welt.“
Thomas Parens:
(Ungläubig)
„Haben Sie niemanden, der zu Hause auf Sie wartet?“
Thea Faber:
(Stichelt)
„Herr Doktor ist mit seinen Büchern verheiratet.“
Erzählerin:
„Dr. Sanatio lacht verlegen.“
Maximilian Ludus:
„Aber sagen Sie, Frau und Herr Parens, wenn wir gerade darüber reden. Was macht ihre Tochter Mitzi? Geht Sie schon zur Schule?“
Marie Parens:
„Ob sie schon zur Schule geht? Aber mein Guter, sie ist 16!“
Maximilian Ludus:
(Verdutzt)
„Das habe ich jetzt nicht erwartet.“
Prof. Dr. Hubertus Sanatio:
„Ja, so wie sie über sie gesprochen haben …“
Thomas Parens:
„Unsere Mitzi ist ein kluges Mädchen. Aber die Welt da draußen ist kein sicherer Ort. Da müssen wir gut auf sie aufpassen.“
Freya Artes:
„Sie können sie aber auch nicht in Watte packen.“
Prof. Dr. Hubertus Sanatio:
„Tja, jeder wie er mag. Und Sie, Frau Faber? Sie sind zuletzt sehr ruhig geblieben. Was halten Sie von unserer kleinen Diskussion?‘
Thea Faber:
„Um ehrlich zu sein, nicht viel. Ich habe keine Zeit, mir Gedanken über solche Sachen zu machen. Ich muss meinen Laden am Laufen halten. Ich konnte mir nie etwas anderes vorstellen, als hier zu arbeiten. Wozu auch?“
Maximilian Ludus:
„Also würden Sie sagen, das Wichtigste ist, eine Arbeit zu haben und ein Dach über den Kopf? Ist das für Sie der Sinn des Lebens?“
Thea Faber:
„Nein, ich würde sagen, es macht keinen Sinn, eine übergeordnete Bedeutung des Lebens zu suchen.“
Freya Artes:
„Und was ist dann aus Ihrer Sicht das Wichtigste im Leben?“
Thea Faber:
„Jeder soll für sich selbst entscheiden, was für sie oder ihn am wichtigsten ist. Diese Frage kann einem keiner abnehmen. Und auch nicht sagen, was man tun oder lassen soll, um glücklich zu werden. Das muss jeder von euch selbst herausfinden. Meistens weiß man das schon von Anfang an.“
Freya Artes:
„Eine gesunde Einstellung, wie ich finde.“
Erzählerin:
„Außerhalb der Wirtsstube ist ein Hubschrauberrotor zu hören. Er wird immer lauter. Alle sehen Thomas Parens an, der sich ängstlich umsieht. Plötzlich ertönt von draußen eine männliche Stimme.“
Der Pilot:
(Spricht durch ein Megafon)
„Hier ist die Bergwacht! Wir müssen Sie evakuieren. Sie sind komplett eingeschneit. Bitte verlassen Sie die Berghütte.“
Freya Artes:
„Endlich! Jetzt kann ich meine Fotoausstellung fertigmachen.“
Peter Labor:
„Zum Glück werden wir gerettet.“
Marie Parens:
„Komm Thomas, es wird schon nicht so schlimm sein.“
Erzählerin:
„Die Gäste umarmen sich erleichtert und freuen sich.“
Thea Faber:
„Gehen Sie nur. Ich bleibe. Hier bin ich richtig. Ich habe hier alles, was ich brauche und die Bergwacht weiß, dass es mir gutgehen wird. Es ist schon mehrmals passiert, aber ich wollte Sie nicht beunruhigen.“
Erzählerin:
„Die Geretteten verabschieden sich von der Wirtin und bedanken sich bei ihr. Alle verlassen die Hütte bis auf Thea Faber und Dr. Sanatio.“
Prof. Dr. Hubertus Sanatio:
„Sind Sie sicher?
Erzählerin:
„Thea Faber nickt.“
Prof. Dr. Hubertus Sanatio:
„Dann werde ich bei Ihnen bleiben. (Er nimmt ihre Hände). Darf ich?“
Thea Faber:
(Sie lacht gerührt)
„Ich habe gehofft, dass du mich das fragen wirst.“
Der Vorhang fällt.
Ende
Titelbild: Eingeschneit in den Bergen, Fotorechte: Dario schrittWeise
Lieber Dario, deine dramatische Erzählung über die Sinnsuchenden gefällt mir sehr gut, vor allem, weil du
dich nicht in die tiefen philosophischen Überlegungen über den Sinn des Lebens eingemischt hast. Du bleibst bis zum Ende der Geschichte der wachsame Bobachter und neutrale Erzähler. Sehr gute, wohltuende Gedanken.
LG und eine schöne Sommerzeit.
Sophie Mai
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Hallo Sophie, vielen Dank für deine Interpretation des Theaterstücks. So findet vermutlich jede/r darin seine Sicht auf die Welt wieder, genau wie es die Figuren des Stückes tun würden 😉 Sonnige Grüße, Dario 🙂🐞🕊️
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Zu der feinen dramatischen Imagination wünsche ich Dir gute Resonanz, performativ und anderweitig.
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Hallo Bernd, herzlichen Dank. Einen schönen Abend und liebe Grüße 🙂🕊️🌄
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