Newgrange und der Palast des Boyne

Ein Mann betritt einen schmalen Eingang. Er bewegt sich langsam durch einen niedrigen und dunklen Gang. Er beobachtet, wie ein Sonnenstrahl durch eine Öffnung in der Decke eine Bodenplatte anleuchtet. Es ist der 21.12.1967, der kürzeste Tag des Jahres, die Wintersonnenwende. Der Entdecker war der Archäologe Michael O`Kelly, der von den Bauern über die Lichtphänomene bei den Grabhügeln von New Grange gehört hat.

Im Mai dieses Jahres bin ich im Besucherkomplex von Newgrange gewesen. Es handelt sich um drei Gruppen von Hügelgräbern im irischen County Meath, ungefähr 50 Kilometer nördlich von Dublin. Von diesen Grabhügeln können die Besucher:innen nur zwei besichtigen: Knowth und Newgrange. Der älteste und kleinste, Dowth, ist zum Zeitpunkt meines Besuches nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gewesen.

Meine Erinnerungen an Irland

Die Ausgrabungsstätte

Es gibt viele Bauwerke auf der Welt, die die Sommer- oder Wintersonnenwende in ihrer Architektur berücksichtigen, beispielsweise die Pyramiden von Gizeh oder Stonehenge. Zu den ältesten gehört Newgrange. Die Megalithanlage wird auf ca. 3150 vor Christus datiert, womit sie älter als die ägyptischen Pyramiden ist.

Das jungsteinzeitliche Ganggrab Newgrange zählt zu den größten in Irland. Und seit 1993 gehören die drei Ganggräber zum UNESCO-Weltkulturerbe. Zum Megalith-Komplex gehören noch ungefähr 20 kleinere Anlagen in der Umgebung.

Die drei Hauptganggräber befinden sich in der Biegung des Flusses Beune, um den sich viele Mythen und Legenden ranken. Die drei Monolithanlagen und das Areal werden auch Brú-na-Bóinne genannt, irisch für „Palast des Boyne“.

Ich habe mich einer Reisegruppe angeschlossen, weil die Welterbestätte nicht allein besichtigt werden darf. Jede:r muss sich beim Besucherzentrum anmelden und mit einem Reiseführer hingehen. Mit einem kleinen Bus sind wir von einem zum nächsten Punkt gefahren.

Knowth

Zuerst haben wir uns die Grabhügel von Knowth angesehen. Es handelt sich um einen mittelgroßen Hügel mit mehreren kleineren um ihn herum. Hier sind die Eingänge fest verschlossen, dafür sind wir mit der Führerin auf den mittleren Grabhügel gestiegen. Die Hügel sind grasbewachsen und vor dem größten befinden sich Dolmen, die mit verschiedenen Symbolen und Mustern verziert sind. Die Zeichen konnten bis heute nicht gedeutet werden. Ein wenig erinnerten sie mich an die Hobbithöhlen aus Herr der Ringe.

New Grange

Unsere Reisegruppe ist weiter zu Newgrange, dem Hauptbau, gefahren. Die anderen Grabhügel sind scheinbar um Newgrange herum errichtet worden. Bei den anderen Ganggräbern wird vermutet, dass es sich um Vorgängerbauten handelt.

Newgrange ist ein 80 Meter breiter Hügel, der von außen mit weißem Wicklow-Quarzit bedeckt ist.

Der Grabhügel hat einen fast 20 Meter langen niedrigen Gang, der in einer Grabkammer endet. Zwar wird ein Hinterausgang vermutet, doch er ist noch nicht freigelegt worden. Die Führerin hat uns erklärt, bevor wir hineingegangen sind, dass es innen sehr eng sein wird. Menschen mit Klaustrophobie sollten zuletzt reingehen, damit sie bei Bedarf zuerst wieder herauskommen können. Und tatsächlich ist es eng gewesen, aber ich finde nicht, dass es gefährlich oder angsteinflößend ist. In der Gruppe hat eine Frau gesagt, sie hätte Angst vor geschlossenen Räumen, aber hinterher hat sie uns erklärt, dass es nicht so schlimm war.

Wir durften keine Fotos im Inneren machen. Auf offiziellen Seiten werden aber genug Bilder der Grabkammer gezeigt.

Am 21. Dezember 1967 hat der irische Archäologe Michael O’Kelly herausgefunden, dass das große Ganggrab so errichtet wurde, dass die Sonnenstrahlen jedes Jahr um die Wintersonnenwende die Grabkammer treffen. Er war maßgeblich an den Ausgrabungen und der Rekonstruktion der Ganggräber beteiligt. Die Rekonstruktion ist allerdings nicht nur auf Gegenliebe in der Wissenschaft gestoßen.

Welchen Zweck die Ganggräber erfüllt haben, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Die Forscher gehen davon aus, dass sie neben der Bestattungsfunktion auch eine soziale, ökonomische und religiöse Rolle gespielt haben.

Wer an einem 21.12. Newgrange besichtigen will, um das Lichtspiel in der Grabkammer zu erleben, muss an einer Auslosung teilnehmen und Glück haben. Bei jeder Führung wird aber den Besucher:innen eine Simulation des Lichteinfalls vorgeführt.

Die Geheimnisse von Brú-na-Bóinne

Für mich gehört der Besuch von Newgrange zu den Höhepunkten meiner Irlandreise. Insbesondere der Aufenthalt in der Grabkammer ist etwas Besonderes gewesen. Die erhabene Ruhe, die ich dort erlebt habe, ist einmalig gewesen.

Bauwerke, die mehr als 5000 Jahre als sind, und eine Grabkammer, die jedes Jahr zum gleichen Zeitpunkt von Sonnenstrahlen erleuchtet wird: Die Anlage von Newgrange ist ein faszinierender Ort.

Wer die Erbauer waren und warum sie die Ganggräber errichtet haben, bleibt unklar. Die Ursprünge der Grabhügel von Brú-na-Bóinne werden weiter ein Geheimnis bleiben.

Quellen

Titelfoto: Newgrange, Rechte: Dario Schrittweise
https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2021/12/sonnen-und-winterwende-wissenswertes-ueber-die-sonnenwenden (zuletzt abgerufen am 20.12.24)
https://www.deutschlandfunk.de/wintersonnenwende-112.html (zuletzt abgerufen am 20.12.24)
https://whc.unesco.org/en/list/659/(zuletzt abgerufen am 20.12.24)
https://www.irland.de/Entdecke-Irland/Irland-Sehenswuerdigkeiten/Top-Sehenswuerdigkeiten-im-Osten-Irlands/Newgrange/(zuletzt abgerufen am 20.12.24)
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/2112-geheimnis-von-newgrange-entdeckt-100.html (zuletzt abgerufen am 20.12.24)

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6 Antworten auf „Newgrange und der Palast des Boyne

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  1. Hallo Dario,

    zum kürzesten Tag und der längsten Nacht sendest Du eine feine Reiseschilderung aus Irland. Dankeschön!

    Mir ist der River Boyne bisher aus dem irischen Liedgut bekannt:

    „Red is the rose that in yonder garden grows. Fair ist the lilly of the valley. Clear is the water that flows from the Boyne. But my love is fairer than any. …“

    Gute Feiertage wünscht Bernd

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    1. Hi Myriade, wo hast du das gehört? 😉 Das wäre mir neu. Ich war persönlich mit einer offiziellen Führerin des Besucherzentrums dort und sie hat uns alles erklärt. Die Anlagen mussten rekonstriert werden, aber meines Wissens sind das wiederaufgebauten Originale. Sonst hätte man auch innen Fotos machen dürfen. Wenn du mir aber eine offizielle Quelle, die das belegt, nennen könntest, dann passe ich das gerne an. LG

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      1. Ich habe das von Freunden gehört, die das halbe Jahr in Irland leben und im Sommer am Boyne und in Newgrange waren. Vielleicht haben sie die Restaurierungsarbeiten gemeint. Wir sprachen darüber, dass ich vor Jahren dort gewesen wäre und es mich sehr beeindruckt hätte und sie meinten, dass ich das Glück hätte noch das Original gesehen zu haben. Aber das sind keine offiziellen Quellen und ich weiß auch sonst nichts weiter darüber. Jedenfalls ein tolles Erlebnis !

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        1. Sollte ich etwas dazu herausfinden, werde ich es natürlich im Beitrag ergänzen. Ich weiß, dass im Besucherzentrum die Kammer nachgebaut wurde. Da ich hier keine Fotos der Grabkammer veröffentlichen konnte, spielt es erstmal keine Rolle, wie ich finde. Und 100% echt sind solche Orte selten. Meistens handelt es sich um Rekonstruktionen. Aber ich gebe dir recht, es ist ein tolles Erlebnis. Liebe Grüße, Dario 🙂

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