„Es ist am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig, am Abend dreifüßig. Von allen Geschöpfen wechselt es allein mit der Zahl seiner Füße; aber eben wenn es die meisten Füße bewegt, sind Kraft und Schnelligkeit seiner Glieder ihm am geringsten.“ Dieses berühmte Rätsel soll das Fabelwesen Sphinx laut der Sage von Ödipus den Bewohnern der Stadt Theben aufgegeben haben. Wer keine Antwort gewusst hat, wurde von der Sphinx mit dem Tod bestraft.
Eine berühmte Sphinx-Statue steht heute bei den Pyramiden in Giseh. Die Pyramiden gelten als das letzte der sieben Weltwunder der Antike.
Bemerkenswerterweise ist noch ein zweites Weltwunder in Ägypten gewesen: der Leuchtturm von Alexandria. Die anderen Weltwunder sind die Hängenden Gärten von Babylon (vermutlich Irak), die Zeus-Statue von Olympia (Griechenland), der Artemistempel von Ephesos (bei Izmir, Türkei), das Mausoleum von Halikarnassos (Bodrum, Türkei) und der Koloss von Rhodos (Griechenland) gewesen. Diese Liste der Weltwunder stammt vom griechischen Schriftsteller Antipatros von Sidon, der vom Ende 2. Jahrhundert bis zum Anfang 1. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben soll.
Nachdem wir in Sakkara gewesen sind, sind wir auch zu den imposanten Pyramiden von Giseh gefahren.

Wegweiser durch Ägypten
- Reise nach Ägypten (Überblick)
- Die Stufenpyramide von Sakkara
- Die vergessene Tempelstadt Naga
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- Reiseleitung als Kommunikation – ein Interview
Die Pyramiden von Giseh
Die Pyramiden-Anlage von Giseh ist ähnlich wie die Anlage von Sakkara aufgebaut. Im Fokus stehen die Pyramiden der Pharaonen, drum herum sind Tempel und Gräber der Beamt:innen und Arbeiter:innen aufgebaut.
Früher lag der Pyramidenkomplex an einem Nilarm, so dass ein Hafen angesteuert werden konnte. Vermutlich haben zwei Sphinx-Statuen den Hafen bewacht, wovon nur eine den Zahn der Zeit überdauert hat.
Für die Stadt Giseh gibt es übrigens mehrere Schreibweisen. Laut Duden sind die deutsche Schreibweisen Gise und Giseh und auf Englisch heißt die Stadt Gizeh. Auf deutschsprachigen Webseiten findet man oft die englische Schreibweise, ich habe mich jedoch für „Giseh“ entschieden.
Die Pyramiden haben den Ägyptern als letzte Ruhestätte gedient. Zumindest ist das der letzte Kenntnisstand der Forschung. Denn dauernd werden neue Gänge und Kammern entdeckt. Und es gibt verschiedene Theorien, wozu die riesigen Bauwerke noch gedient haben konnten.

Der Pyramidenkomplex
Den Weg vom Eingangsbereich zu den Pyramiden können Besucher:in mit dem Kleinbus oder zu Fuß zurücklegen. Auch auf Kamelen oder Pferden wäre es möglich. Wir haben uns entschieden, zu Fuß zu den Pyramiden zu gehen. Alles andere wäre aus unserer Sicht übertrieben gewesen.
Wie unsere Reiseleiterin Moscheira gesagt hat, wird es seit diesem Jahr in dem Bereich viele Änderungen geben.
Die „Schlepper“ und Kamelbesitzer
Wie in jedem Land auch, so gibt es auch in Ägypten Betrüger:innen. Ich habe sie im Scherz „Schlepper“ genannt. So trifft man bei den Sehenswürdigkeiten häufiger windige Händler:innen an, die ahnungslosen Besucher:innen durch Tricks und falsche Versprechen ihre Geschäfte andrehen wollen. Insbesondere bei den Pyramiden von Giseh muss man vorsichtig sein.

Ein Kamelbesitzer hat uns überredet, auf seinen Kamelen zu reiten, obwohl wir uns anfangs nur neben den Kamelen fotografieren lassen wollten. Da muss man schon ein wenig aufpassen. Das ist aber auch kein rein ägyptisches Phänomen, das habe ich auch in anderen Ländern beobachtet.
Meine Empfehlung wäre es, stets ruhig und geduldig zu bleiben. Viele der Händler:innen sind auf die Geschäfte mit Touristen angewiesen, um ihre Familien zu ernähren. Und in den Sommermonaten kommen kaum Tourist:innen, so dass die Händler:innen immer für diese Zeit vorsorgen müssen.
Die drei Familienpyramiden der 4. Dynastie
Im Pyramiden-Areal gibt es insgesamt 9 Pyramiden, die in der Zeit von 2550 bis 2490 v. Chr. entstanden sind. Drei davon sind den Pharaonen und die anderen deren Ehefrauen gewidmet.
Zu den Höhepunkten des Areals zählen natürlich die drei großen Pyramiden. In ihnen wurden drei Familienmitglieder der 4. Dynastie begraben: Der Großvater Cheops, der Vater Chephren und dessen Sohn Menkaure (Mykerinos).
Die Erbauer waren kundige Arbeiter und keine Sklaven, wie früher vermutet. Die Forschung geht davon aus, dass Menschen aus ganz Ägypten nach Giseh gekommen sind, um beim Prestigebau mitzumachen.
Die Pyramiden und die Sphinx-Statue zählen seit 1979 zum UNESCO-Weltkulturerbe „Memphis und seine Totenstadt – die Pyramidenfelder von Gizeh bis Dahschur“.
Die Menkaure-Pyramide
Die Menkaure-Pyramide ist mit 65 Metern die kleinste der drei Pyramiden von Giseh. Sie wurde um 2490 v. Chr. gebaut, der Pharao Menkaure (griechisch Mykerinos) hat jedoch nicht lange genug gelebt, um das zu sehen.
Umstritten ist das aktuelle Vorhaben der ägyptischen Regierung, die Menkaure-Pyramide mit Granitblöcken zu verkleiden. Ich hoffe, dass die Pyramiden unverändert bleiben werden.

Die Chephren-Pyramide
Die mittelgroße der drei Pyramiden von Giseh hat der Pharao Chephren in Auftrag gegeben. Er ist der Sohn von Cheops gewesen.
Die Chephren-Pyramide ist um 2520 v. Chr. fertiggestellt gewesen. Sie ist heute ca. 136 m hoch, früher ist sie jedoch ca. 143 m hoch gewesen. Die Kalksteinverkleidung und die goldene Spitze fehlen heute. Sie ist kleiner als die Cheops-Pyramide, wirkt aber größer, weil sie höher gelegen ist.
Zur Pyramide hat auch die Sphinx gehört. Sie ist vermutlich die Wächterin des Pyramidenkomplexes gewesen.

Die große Pyramide von Cheops
Der Pharao Cheops hat um 2550 v. Chr. seine Pyramide errichten lassen. Cheops ist der Vater von Chephren und der Großvater von Menkaure gewesen.
Die Cheops-Pyramide ist etwa 138 Meter (ursprünglich 146 Meter) hoch. Es wird geschätzt, dass sie aus ca. 2,3 Millionen Steinblöcken besteht, die durchschnittlich 2,5 bis 15 Tonnen wiegen. Vermutlich hat auch die Fassade der Cheops-Pyramide aus Kalkstein bestanden.

Auf dem Foto sind links die Reste des sogenannten Taltempels zu sehen.
Eine Besonderheit ist auch, dass die Cheops-Pyramide als die höchste Pyramide der Welt gilt und rund 4.000 Jahre sogar das höchste Bauwerk der Welt gewesen ist.
Im Inneren der Pyramide
Wir haben uns auch in das Innere der Cheops-Pyramide gewagt. Ein Schacht führt ins Innere, wo es stickig gewesen ist . Wir sind in zwei Reihen gegangen, die eine ist den Besucher:innen, die hineingehen vorbehalten und die andere für die, die wieder rausgehen.
Plötzlich ist auch noch das Licht ausgegangen. Uns ist es irgendwann zu viel Gedränge gewesen, so dass wir früher rausgegangen sind. Wir haben aber genug gesehen, um einen guten Eindruck vom Pyramideninneren zu bekommen.
Die Sphinx
Die nächste Station ist der Bereich rund um die Sphinx gewesen. Die Sphinx-Statue von Giseh verkörpert einen liegenden Löwen mit dem Kopf eines Menschen, der ein Kopftuch der Pharaonen trägt, das Nemes-Kopftuch. Die Kalksteinstatue ist etwa 73 Meter lang und ungefähr 20 Meter hoch. Ungeklärt ist, warum der Kopf proportional kleiner ist als der Rest des Körpers.
Die Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass mehrere, mindestens zwei Sphinx-Statuen den ehemaligen Nilhafen von Giseh bewacht haben.
Die meisten kennen die Geschichte von Asterix und Obelix bei Kleopatra. Darin wird erzählt, wie Obelix die Nase der Sphinx abgerissen haben soll. Wer den Comic nicht kennt, dem kann ich es wärmstens empfehlen.
Wie ist es nochmal mit dem Rätsel der Sphinx gewesen? Dazu später mehr.
Jenseitsvorstellung der alten Ägypter
Die Pharaonen haben damals den Wunsch gehabt, in Pyramiden begraben zu werden. Die Pharaonen sind mumifiziert mit verschiedenen Gegenständen bestattet worden. Sie haben geglaubt, dass sie im Jenseits zu Göttern werden.
Das Innere der Pyramiden besteht aus vielen Kammern, Tunnel und Schächten. Und ständig werden neue Hohlräume entdeckt. Der Einsatzzweck ist bis heute nicht vollständig geklärt, doch vermutlich haben die meisten dem Bestattungsritus des antiken Ägyptens gedient. Die Seelen der Bestatteten sollen es leichter im Jenseits haben.
Die Spitzen der Pyramiden sind wahrscheinlich vergoldet gewesen. Auch hier wird eine religiöse Begründung vermutet.
Erst später entstand der Wunsch, rein unterirdisch begraben zu werden. Deswegen haben die Pharaonen der späteren Dynastien ihre Grabkammern unter der Erde errichten lassen. Am bekanntesten sind die Grabkammern im Tal der Könige bei Luxor.
Der Urhügel
Die Pyramidenform geht vermutlich auf den sogenannten Urhügel zurück. In der altägyptischen Mythologie hat ein Sandhügel den Ursprung der Welt symbolisiert, den Ort, an dem sich das Land am Anfang der Welt aus der Wasserflut erhob. Der Sandhügel steht somit für die Auferstehung und das Leben in der Ewigkeit.
Wüstengräber der ägyptischen Könige sind seit mindestens 3100 v. Chr. bekannt. Anfangs sind es unterirdischen Grabkammern gewesen, die mit einem Sandhügel und einer Ziegelmauer überwölbt wurden. Später haben die Ägypter über die Gräber eine Mastaba gebaut, ein viereckiges Lehmziegelgebäude. Und schließlich hat um 2700 v. Chr. Pharao Djoser eine Pyramide in Sakkara errichten lassen, die aus sechs Stufen bestanden hat. Jede Stufe ist eine Art Mastaba gewesen.
Die Grabstätte von Meresankh III
Ein Highlight unseres Besuches in Giseh ist auch der Besuch der nahegelegenen Grabstätte von Meresankh III gewesen. Sie kann auch als eine Mastaba bezeichnet werden.
Auch der Weg dorthin ist aus meiner Sicht ziemlich spektakulär gewesen, weil wir durch labyrinthische Bauwerke des östlichen Friedhofs zum Grabtempel gelaufen sind. Von hier aus hat man auch eine außergewöhnliche Perspektive auf die Pyramiden. Das Titelfoto habe ich auch dort aufgenommen.
In der Grabstätte von Meresankh III sind wir ziemlich alleine gewesen. Nur zwei Besucher sind vor uns im Tempel gewesen, aber auch sie sind bald wieder gegangen. Es hat sich besonders angefühlt, in dieser erhabenen Umgebung allein sein zu dürfen.
Königin Meresankh III ist die Ehefrau von Chephren und die Enkelin von Cheops gewesen. In der Grabkammer sind viele Szenen des täglichen Lebens dargestellt, wie das Backen des Brotes, Bierbrauen, Falknerei, Herstellung von Matten usw. Eine Reihe von Figuren verkörpern Meresankh und ihre Familienmitglieder.
Es gibt auch Figuren von Menschen, die der bestatteten Königen Gaben bringen. Es ist eine Vorstellung, dass diese der Toten verschiedene Gaben in der Jenseitswelt überreichen werden, damit die Verstorbene immer genug Nahrung und Annehmlichkeiten hat.
Im Museum GEM
Am Ende des Tages waren wir noch im GEM, dem Großen Ägyptischen Museum. Hier gibt es unglaublich viel Exponate, Mumien und Sarkophage zu sehen. Das Museum wurde erst kürzlich in einer großen Zeremonie eröffnet. Wer Interesse an der altägyptischen Geschichte und Kunst hat, wird hier voll auf seine Kosten kommen.
Die Faszination Pyramiden und die Sphinx
Über diese Monumentalbauten von Giseh könnte ich ganze Blogbeiträge füllen. Jedes Jahr werden mit modernster Technologie neue Entdeckungen gemacht, wie 2025 als unbekannte Strukturen unter den Pyramiden zum Vorschein gekommen sind.
Die Pyramiden der alten Ägypter sorgen viele Tausende Jahre nach ihrer Errichtung weiterhin für Faszination und bergen noch viele Mysterien. Für uns ist es auf jeden Fall ein besonderes Erlebnis gewesen.
Die Pyramiden von Giseh kann man auch selbständig besichtigen. Wer mag, kann sogar mit einem Taxi oder U-Bahn hinfahren. Jedoch gibt es hier sehr viel zu sehen und zu entdecken, so dass wir froh gewesen sind, dass wir eine hervorragende Führerin an unserer Seite gehabt haben. Sie hat uns viel erzählt und gezeigt und hat Antworten auf alle unsere Fragen gehabt. Mehr dazu in diesem Blog-Interview.
Und wie ist es mit dem Rätsel der Sphinx gewesen? Die Auflösung hat nur Ödipus gewusst: „Dein Rätsel ist der Mensch“, sagte er zur Sphinx, „der am Morgen seines Lebens, solang er ein schwaches und kraftloses Kind ist, auf seinen zween Füßen und seinen zwo Händen geht; ist er erstarkt, so geht er am Mittage seines Lebens nur auf den zween Füßen; ist er endlich am Lebensabend als ein Greis angekommen und der Stütze bedürftig geworden, so nimmt er den Stab als dritten Fuß zu Hilfe“ („Die Sage von Ödipus“, nach Gustav Schwab).
Quellen
Titelfoto: Die Pyramiden von Giseh, Rechte: Dario Schrittweise https://nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2022/06/geheimnisvolle-weltwunder-die-pyramiden-von-gizeh/(zuletzt aufgerufen: 16.08.25) https://www.geo.de/wissen/menkaure-pyramide--streit-um-restaurierung-34423780.html(zuletzt aufgerufen: 16.08.25) https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/08/koloss-leuchtturm-die-7-weltwunder-der-antike(zuletzt aufgerufen: 16.06.25) https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/11/sphinx-von-gizeh-wie-wurde-die-ikonische-statue-erbaut-altes-agypten(zuletzt aufgerufen: 16.06.25) https://egymonuments.gov.eg/en/monuments/tomb-of-queen-meresankh-iii/(zuletzt aufgerufen: 16.08.25) https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/pyramiden-bau-gigant-von-giseh-a-576953.html(zuletzt aufgerufen: 16.08.25) https://www.projekt-gutenberg.org/schwab/sagen/sch1532.html(zuletzt aufgerufen: 16.08.25) "Die Sage von Ödipus" in Gustav Schwab: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums, Korneuburg, Loewe 1990, S. 160.
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Lieber Dario, ich mag deine klaren Informationen und die bilderreichen Reiseberichte. Die Pyramiden von Giseh, die Pharaonen, die Sphinx, die Begegnungen mit den Bewohnern des Landes und ihre Kultur. In deinem Schreiben bewegst du dich mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit zwischen wissenschaftlicher Exaktheit und humorvollen Bemerkungen und Erzählungen. So entstehen in deinen Texten sehr plastische und lebhafte Bilder. Obwohl ich noch nicht in Ägypten war, konnte ich mir sehr gut vorstellen, wie das Land pulsiert. Herzlichen Dank dafür. LG, Sophie Mai
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Hallo Sophie, danke dir dafür. Es freut mich, dass du gerne meine Beiträge liest und sie gut findest. Liebe Grüße, Dario 🙂
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Hallo Dario, vielen Dank für den tollen und spannenden Einblick. Herzliche Grüße, Annette
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Guten Abend Annette, danke dir, es freut mich, dass dir mein Beitrag gefällt. 🙂 Liebe Grüße, Dario
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Da hast du dir viel Mühe gemacht um diesen Beitrag zu zeigen.
Vielen Dank für die vielen Informationen.
Liebe Abendgrüße zu dir Dario.
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Guten Abend Nati, ja, in diesem Beitrag steckt viel Arbeit. 🙂 Es sind sozusagen mehrere Standardbeiträge in einem … Danke dir ebenfalls. Liebe Grüße zurück und einen schönen Abend, Dario 🙂
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Danke Dario.
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Danke für diesen schönen Bericht, der wieder viele Erinnerungen wachgerüttelt hat. Ich war selbst nie da, aber das große Thema ist ja allgegenwärtig.
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Hallo Wolfgang, es freut mich, dass dir mein Beitrag gefällt. Die ägyptische Kultur ist bis heute prägend geblieben. Sonnige Grüße, Dario 🙂
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Danke lieber Dario
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