Ein urbaner Pfahlbau und Spieglein an der Wand

Die warmen Wochen des Sommers sind nun vorbei. Meinen ersten Blogbeitrag nach der kurzen Pause möchte ich mit zwei Kunstwerken im öffentlichen Raum beginnen.

Im Juli ist plötzlich ein Pfahlbau in der Pegnitz, mitten in der Nürnberger Innenstadt, aufgetaucht. Als ich ihn zuerst gesehen habe, habe ich mich gefragt, was der Bau zu bedeuten hätte. Da es ungefähr zeitgleich mit dem Musikwochenende „Bardentreffen“ stattgefunden hat, habe ich vermutet, dass es sich um ein Teil dieser Veranstaltung handelt. Mein Interesse war geweckt. Ich habe eine der Erklärtafeln gefunden. Darauf beschreibt ein Text das Kunstwerk. Es ist im Rahmen der Aktion „Inselkunst – eine deutsch-polnische Kunstbegegnung“ des Kulturzentrums im Krakauer Haus entstanden.

Zusammen mit dem Pfahlbau ist die Installation „Mirror, mirror …“ entstanden. Sie ist am Krakauer Haus angebracht. Doch der Reihe nach.

Rudyard Schmidts Installation „Floating (un)ExIsTeNcE“

Der Pfahlbau ist eine Installation des Künstlers Rudyard Schmidt. Die Installation trägt den Namen „Floating (un)ExIsTeNcE“. Sie ist, wie oben geschrieben, als Teil der Kunstreihe „Inselkunst“ entstanden. Schmidt hat den Pfahlbau aus recycelten Materialien gebaut, die er häufig für seine Kunst verwendet. Überall sind kleine Details zu sehen, beispielsweise Kleider, die an einer Wäscheleine hängen, ein Sofa, Blumen, Vorhänge usw.

Laut Schmidt ist die Installation von einem philippinischen Pfahlbau in Pinoy-Bauweise inspiriert. Der Künstler stammt selbst von den Philippinen, lebt und arbeitet in Deutschland.

Zum Pfahlbau soll es laut Beschreibung noch thematische Hintergrundgeräusche geben. Darauf ist die Mutter des Künstlers an ihrem Haus, auf der Straße und einem Markt auf der philippinischen Insel Cebu zu hören. Ich muss jedoch sagen, dass diese Geräusche für mich nicht wahrnehmbar waren. Sie gehen vermutlich im alltäglichen Lärm unter. Die Betrachter: innen müssten schon ganz nah an der Installation sein, um diese Geräusche mitzubekommen. Vielleicht war das so vom Künstler beabsichtigt.

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Auf den ersten Blick wirkt der Pfahlbau für mich einfach interessant, ästhetisch bemerkenswert. Er wirkt wie ein beliebtes Fotomotiv für die Sozialen Medien. Doch der Hintergrund stimmt mich nachdenklich, traurig. Die Armut und die teilweise extremen klimatischen Bedingungen auf den Philippinen machen diese Bauweise erforderlich. Durch die Unwetter werden die Bauwerke eingerissen und müssen neu gebaut werden.

Das Kunstwerk beschäftigt sich auch mit dem Zusammenhang zwischen Kolonialismus, Tourismus und Armut, die auf den Philippinen leider sehr präsent sind. Für viele Menschen dort sind derartige improvisierte Bauwerke aus Bambus und Wellblech lebensnotwendig. Sie bestehen aus Bambus und Wellblech, damit sie bei Bedarf schnell und kostengünstig wieder errichtet werden können, wenn sie durch eine Katastrophe zerstört werden.

Der Künstler Rudyard Schmidt wurde 1997 in Tarlac City/ Philippinen geboren. Er studiert an der Akademie der bildenden Künste Nürnberg.

Bartek Węgrzyns Installation „Mirror, Mirror…“

Die zweite Kunstinstallation im Rahmen der diesjährigen Inselkunst wurde am Krakauer Turm angebracht.

Die Installation von Bartek Węgryzn trägt den Titel „Mirror, Mirror…“. Der Künstler hat mehrere Spiegel an der Fassade des Krakauer Hauses (Hintere Insel Schütt in Nürnberg) befestigt. Die Spiegel erinnern an Verkehrsschilder. Das Besondere an der Installation ist, das sich die Betrachter:innen nur in wenigen der verglasten Schilder spiegeln.

Der bildende Künstler und Inhaber eines Doktorgrades Bartek Wegrzyn wurde im Jahr 1984 in Krakau (Polen) geboren. Seinen thematischen Schwerpunkt bilden Skulpturen, Objekte und Installationen.

Im Jahr 2009 machte er seinen Abschluss an der Fakultät für Bildhauerei an der Jan-Matejko-Akademie der Schönen Künste in Krakau. Auch er studierte wie Rudyard Schmidt an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg, als ERASMUS-Student. Wegrzyn arbeitet am Lehrstuhl für Bildhauerei der Akademie der Schönen Künste in Krakau.

Inselkunst

  • Dauer der Ausstellung: 14.07,2023 – 17.09.2023
  • Ort: Pegnitzufer/Steg am Cinecittà, Vordere Insel Schütt und Fassade des Krakauer Hauses, Hintere Insel Schütt, Nürnberg
  • Kuratorin: Kasia Prusik-Lutz

Die Kunstwerke der beiden Künstler verbindet in meinen Augen das Hinterfragen des ersten Eindrucks. Die Erwartungen der Betrachter:innen werden auf den Kopf gestellt. Beim Pfahlbau denkt man zunächst an einen exotischen Bau, der an einem Ort entstanden ist, an welchem Leute zum Erholen und Flanieren zusammenkommen. Doch das Werk regt zum Nachdenken über die schwierigen Lebensbedingungen einiger Menschen auf den Philippinen an. Und das Kunstwerk von Bartek Wegrzyn bricht ebenfalls mit den Erwartungen der Betrachter:innen. Sind das Spiegel, um sich selber darin zu sehen oder sind das Verkehrsschilder? Warum können wir uns nicht in allen Spiegeln sehen? Was wird darin gespiegelt?

Eine weiteres Bindeglied ist die Vergänglichkeit der Kunst im öffentlichen Raum. Die Ausstellung ist nur ungefähr 2 Monate lang zu sehen. Danach verschwinden die Kunstwerke. Zumindest von der Insel Schütt. Insbesondere treffend ist das im Fall des Pfahlbaus. Seine Vorbilder werden auch häufig durch Umweltkatastrophen zerstört.

Beide Kunstwerke finde ich sehr gelungen. Mich hat in erster Linie das Werk des Künstlers Rudyard Schmidt beeindruckt. Seine Arbeit verknüpft Kunst mit einem für ihn sehr persönlichen Thema. Ich mag derartige innovative Kunstwerke, die aufrütteln und zum Nachdenken bringen.

Die Kunstwerke können noch bis zum 17.9. auf der Insel Schütt in Nürnberg betrachtet werden. Danach werden sie in der Form für immer verschwinden.

Quellen

Titelfoto: Der Pfahlbau in der Insel Pegnitz, 2023, Fotorechte: Dario Schrittweise
https://kunstnuernberg.de/ausstellungen/inselkunst-2023/(zuletzt aufgerufen: 13.09.23)
https://www.krakauer-haus.de/kh-test/index.php/2023/07/03/inselkunst-2023/(zuletzt aufgerufen: 11.09.23)
https://kunstnuernberg.de/ausstellungen/inselkunst-2023/(zuletzt aufgerufen: 13.09.23)

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15 Antworten auf „Ein urbaner Pfahlbau und Spieglein an der Wand

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  1. Das ist ja jetzt ganz besonders interessant für mich, weil mir dieses seltsame Gebilde mit kleinem Sofa in der Pegnitz am Altstadtfedt auch auffiel, ich es auch fotografierte, aber nichts darüber zu erfahren war.
    Klasse und danke für die Aufklärung lieber Dario. Denn ich dachte natürlich sofort wieder an Klimaschützer o.ä. und nun sehe ich dieses Gebilde gleich mit ganz anderen Augen. 😊
    Liebe Grüße, Hanne

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    1. Guten Abend Hanne, ja, ich habe es auch als ungewöhnlich empfunden und habe es mir erstmal nicht erklären können, was es ist. Das ist vermutlich auch so vom Künstler beabsichtigt gewesen. Erst als ich mich umgesehen habe, konnte ich die Infotafeln finden. Ein gelungenes Kunstwerk, wie ich finde. Liebe Grüße zurück, Dario 🙂

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  2. Lieber Dario, der Pfahlbau ist wirklich eine ganz besondere Kunstinstallation, die sowohl auf eine laute, als auch auf eine leise Weise dargestellt ist. Da sie über dem Wasser aufgestellt wurde, bekommt sie gleichzeitig auch einen Hauch von der Heimat auf den Philippinen dazu. Wenigstens für mich. So sehe ich in meiner Fantasie viel Wasser und einen breiten Himmel. Der Inhalt der Installation zeigt mir auch, dass die Bewohner von Philippinen mit und durch die einfachen Dingen im Leben geprägt sind. Wenn ich jetzt an diese Menschen denke, verbinde ich sie mit den Begriffen: Leichtigkeit, Schlichtheit, Beweglichkeit, Vergänglichkeit, aber auch: Resilienz, Geduld und Beharrlichkeit. So wie diese unglaubliche Kunstinstallation.
    Die zweite Installation „Spieglein an der Wand“ stellt mich vor die Fragen: Was kann ich in jedem einzelnem Spiegel sehen? Mein eigenes Bild? Oder eine ganz andere Wirklichkeit? Was für eine Lebenswirklichkeit?
    Vielen herzlichen Dank für deinen sehr interessanten Beitrag zu diesen ungewöhnlichen Ausstellungen.
    LG, Sophie Mai

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    1. Hallo Sophie, es freut mich, dass dir die Installationen gefallen. Ich finde sie auch außergewöhnlich. Mittlerweile habe ich mich auch schon an sie gewöhnt, schade, dass sie wieder abgebaut werden. Die Vergänglichkeit ist vermutlich auch ein Teil des Konzepts. Einen angenehmen Abend und liebe Grüße, Dario 🙂

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    1. Guten Morgen Bernd, den Pfahlbau fand ich genial und ich musste ihn mir gleich genauer ansehen. Eine tolle Idee des Künstlers. In einem Museum hätte die Installation nicht die gleiche Wirkung entfaltet. Auch die Spiegel am Krakauer Haus sind sehenswert. Liebe Grüße, Dario 🙂

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      1. Hi Frau Holle, danke auch für den Hinweis. Ich weiß zwar nicht woran es liegt, aber ich habe jetzt die unteren Fotos angepasst, mit einer einfachen Fotoanzeige. Die obere Fotoreihe habe ich aber unverändert gelassen. Hoffentlich funktioniert es jetzt … LG 🙂

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