„Meine Damen und Herren, sehen Sie fest, ganz fest in Ihren Apparat. Ich zähle bis drei – und auf drei sehen mich alle!“ – das ist ein Zitat aus dem ersten deutschen Hörspiel „Zauberei auf dem Sender“ von Hans Flesch. Wie damals üblich, haben es die Sprecher:innen live im Studio aufgenommen.
Ich liebe Hörspiele, sie erzeugen Bilder im Kopf und sorgen für Spannung, ohne zu viel vorzugeben wie beispielsweise Filme, Serien oder Computerspiele. Nicht, dass ich diese Kunstformen geringschätzen würde, doch haben die Hörspiele einen eigenen Reiz. Natürlich geht es auch hier, wie bei allen Erzählformen, um die Umsetzung.
Und im Gegensatz zu Büchern, die ebenfalls auf die Mitarbeit der Leser:innen angewiesen sind, vereinen Hörspiele Schreiben, Schauspiel, Musik, Spezialgeräusche und (Rundfunk-)Technik.
100 Jahre Hörspiele
Vor 100 Jahren, am 24.10.1924, hat der Sender Frankfurt 1 das erste deutschsprachige Hörspiel, „Zauberei auf dem Sender – Versuch einer Sendespiel-Groteske“ von Hans Flesch, uraufgeführt. Darin entsteht Chaos in einer Rundfunkanstalt: Eine Märchenerzählerin will auch abends Märchen im Radio erzählen und ein Zauberer möchte die Hörerschaft in seinen Bann ziehen, obwohl sie seine Tricks nicht sehen können … Eine vom HR2 im Jahr 1962 nach dem Originalmanuskript neu aufgenommene Fassung habe ich aktuell nur auf der Seite „Archiv.org“ gefunden.
Die ersten Hörspiele sind Liveaufnahmen im Studio gewesen, so dass es kaum Originalaufnahmen gibt. Viele Hörspiele aus der Anfangszeit haben die Sender deswegen neu aufgenommen, wie auch die „Zauberei auf dem Sender“.
Die Expert:innen sind sich unsicher, welches Hörspiel als erstes zu bezeichnen ist. Es wird jedoch vermutet, dass es im Sommer 1922 in den USA ausgestrahlt worden ist. Es hieß „Der Wolf“ – eine Adaption des gleichnamigen Theaterstücks von Eugene Walter.
Und als das erste Hörspiel in Europa gilt „Gefahr“ („A Comedy of Danger“) von Richard Hughes (BBC 1924).
Die Weiterentwicklung der Hörspiele
Zu den bekanntesten Hörspielen gehört „Krieg der Welten“ (30. Oktober 1938), inszeniert vom berühmten Regisseur Orson Wells nach dem gleichnamigen Roman von H.G. Wells. Oft wird behauptet, dass dieses Hörspiel eine Massenpanik in den USA ausgelöst hätte. Heute wird diese Aussage kritischer betrachtet. Vermutlich haben nur einige Bürger bei der Polizei angerufen, was Zeitungen zu einer Massenpanik aufgebauscht haben.
Die umfangreichen Hörspiele, wie wir sie heute kennen, hat es erst seit den 1960er Jahren gegeben, weil die Entwicklung der Technik erst ab dem Zeitpunkt den dreidimensionalen Raumklang und die detailverliebte Geräuschkulisse begünstigt hat.
Einige bekannte deutschsprachige Hörspiele sind beispielsweise „Der kleine Hobbit“, „Der Herr der Ringe“, die „Drei ???“ oder „TKKG“. Sie haben eine große Fangemeinde.
Hörspiele heute
Noch heute erfreuen sich Hörspiele und Hörbücher größter Beliebtheit. Deutschland gehört zu den fleißigsten Hörspielproduzenten. Die technische Entwicklung ermöglicht immer ausgefeiltere Hörspiele. Neben vielen öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern gibt es inzwischen auch viele private Sender und Unternehmen, die Hörspiele produzieren.
Beliebt sind auch Live-Hörspiele, die wiederum an die Anfänge des Mediums erinnern. Heute sind auch Podcasts weit verbreitet, die teilweise auch eine Art Hörspiel sind.
Die Technik erlaubt es inzwischen auch Privatpersonen Hörspiele und Podcasts aufzunehmen. Vor einigen Jahren habe ich ebenfalls mit Freunden ein Hörspiel aufgenommen, entstanden ist eine Art szenische Lesung.
Meine Hörspieltipps
Zum Schluss möchte ich mehrere Hörspieltipps mit euch teilen. Empfehlen kann ich den Podcast „Kein Mucks“ von Bastian Pastewka. Darin präsentiert der Hörspielfan berühmte Klassiker des Mediums. Im Krimihörspiel „Alice“ von Feo Frank muss die titelgebende Protagonistin, gesprochen von Marleen Lohse, Hiobsbotschaften übermitteln. Die Geschichte beginnt harmlos, doch der Schein trügt.
Fans von Franz Kafka kommen auf dieser ARD-Seite auf ihre Kosten. Amüsant finde ich die kuriosen SF-Krimis über Timothy „Tiny“ Truckle, einem Privatdetektiv aus Chicago des 21. Jahrhunderts. Sie stammen aus der Feder des DDR-Schriftstellers Gert Prokop aus den 70er- und 80er-Jahren. Wer noch Lust auf einen klassischen Detektiv hat, kann sich acht Fälle des Sherlock Holmes von Sir Arthur Conan Doyle anhören. Viel gelacht habe ich bei den improvisierten Sitzungen des Paartherapeuten Kranitz von Jan Georg Schütte.
Dann wären da noch mein Hörspiel „Das Artefakt“ in vier Akten und meine Kurzgeschichte „Die geschenkte Zeit“, die Silke Siegel in ihrem Podcast „Wasliestdieda?“ eingesprochen hat. Im Podcast von Silke könnt ihr weitere Kurzgeschichten hören.
Viel Spaß beim Hören der Hörspiele, denn Dezember ist die perfekte Zeit dafür.
Was sind eure Lieblingshörspiele?
Quellen
Foto: Ein Mischpult im Dunklen, Rechte: Dario Schrittweise https://www.dra.de/de/entdecken/schlaglichter-aus-hundert-jahren-rundfunk/ein-ohrenzeugenbericht-das-erste-hoerspiel-zauberei-auf-dem-sender (zuletzt abgerufen am 29.11.24) https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-erstes-hoerspiel-usa-100.html (zuletzt abgerufen am 29.11.24) https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/kalenderblatt/orson-welles-krieg-der-welten-loest-panik-aus-100.html (zuletzt abgerufen am 29.11.24) https://archive.org/details/zauberei_auf_dem_sender/zauberei_auf_dem_sender.m4a (zuletzt abgerufen am 29.11.24) https://hoerspiele.dra.de/themen/100-jahre-hoerspiel/zauberei-auf-dem-sender-von-hans-flesch-1924 (zuletzt abgerufen am 29.11.24)
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Hallo Dario, ein schöner Post, denn ich mag Hörbücher und Hörspiele sehr, wobei ich nicht so viele Hörspiele kenne. Ich wusste nicht, dass es ein Hörspiel HdR gibt, interessant. Bei mir steht und fällt es mit den Sprechenden. Wenn mir eine Stimme auf den Keks geht, höre ich meist nicht weiter. Leider sind das oft Frauenstimmen, die zu laut und schrill klingen. Meine Lieblingssprecher sind Hannelore Hoger und Manfred Steffen, der viele Kinderbücher eingesprochen hat, das ist allerdings lange her und man bekommt sie kaum noch.
Das letzte Hörbuch, welches ich sehr gut fand: Edgar Selge – Hast du uns endlich gefunden, von ihm selbst gelesen.
Ich werde mich gerne auf den verlinkten Seiten umschauen, danke!
Liebe Grüße, Conny
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Hallo Conny, danke auch für deine Tipps, ich werde mir mal einige Beispiele anhören. Den Hinweis zu den Sprechenden kann ich gut nachvollziehen. Aber zumindest bei den Nebenfiguren kann ich eine schwächere Stimme verschmerzen. Das Herr der Ringe-Hörspiel ist von SWR/WDR. Einen schönen Abend und liebe Grüße, Dario 🙂
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