Am Atlantik entlang [Kerry Way 2/3]

Das zweite Drittel des Kerry Fernwanderweges führte mich immer näher an den Atlantischen Ozean. Die Ausblicke waren atemberaubend, das Wetter machte auch mit.

Rund um Waterville wandelte ich auf den Spuren eines berühmten US-amerikanischen Schauspielers und eines irischen Freiheitskämpfers. Und ich saß hier in einem ganz besonderen Café.

Unterwegs begegnete ich zudem einigen Wander:innen, was die Etappen unterhaltsamer machte.

Meine Erinnerungen an Irland

Etappe 4: Glenbeigh – Cahersiveen

  • Datum: Freitag, 03.05.24
  • Entfernung: 28 Kilometer

Ich freute mich, dass der Tag relativ trocken blieb, nachdem es am Vortag lange geregnet hatte. Die Etappen verliefen weiter durch die Grafschaft Kerry. Zunächst überquerte ich die sehenswerte Steinbrücke von Glenbeigh.

Kurz nach dem Ortsausgang lief ich bergauf durch ein Wäldchen. Er wurde von den Einheimischen als „Fairy Forest“ bezeichnet: „Feenwald“, wie ich es einer Tafel entnahm. Hier hatten die Einheimischen, vermutlich in erster Linie Kinder, viele kleine Holzhäuschen mit kleinen Feenfiguren gebastelt.

Mein Tagesziel war die Ortschaft Cahersiveen. Die Nachmittagsstrecke führte mich größtenteils am Atlantik entlang.

Ich traf die beiden belgischen Schwestern Mary und Emanon, die ich am ersten Tag in der Herberge in Black Valley kennengelernt hatte. So lief ich einen Teil der Etappe mit netter Begleitung weiter. Wir genossen die atemberaubende Sicht auf den Atlantischen Ozean.

Unterwegs kamen wir an Ruinen von verlassenen Bauernhöfen vorbei. Kurz danach hieß es schon Abschied nehmen, weil Emanon und Mary eine Unterkunft ein wenig abseits des Weges gebucht hatten.

Cahersiveen

Schließlich erreichte ich Cahersiveen. Für diesen Ort hatte ich noch in Deutschland ein Zimmer in einem typischen Bed & Breakfast per E-Mail reserviert. Das war auch nötig, weil viele Unterkünfte bereits Monate vorab gebucht waren. Die Besitzerin war eine Frau, die im gleichen Haus wohnte. Sie hatte keinen Hausschlüssel für mich, sie würde auf mich warten, sagte sie.

Am Abend fanden in Cahersiveen mehrere Konzerte in den Pubs statt. Ich freute mich darauf. In den Pubs begegnete ich einigen bekannten Gesichtern, beispielsweise Madeleine, die ich in Black Valley kennengelernt hatte, und den beiden deutschen Ehepaaren.

Später kehrte ich in mein Bed & Breakfast zurück. Ich hatte ein wenig ein schlechtes Gewissen, weil es mehr als 30 Minuten später geworden ist. Für die Besitzerin war es aber in Ordnung, wie sie es mir versicherte.

Für den nächsten Tag verabredete ich mich mit Madeleine für die nächste Etappe. Wir würden am nächsten Tag gemeinsam nach Waterville laufen.

Etappe 5: Cahersiveen – Waterville

  • Datum: 04.05.24
  • Entfernung: 29 Kilometer

Am Vormittag traf ich mich wie verabredet mit Madeleine und wir begannen unsere Tagesetappe. Uns stand eine längere und bergige Etappe bevor.

Der Kerry Way führte uns zunächst über eine hügelige Landschaft. Es war über mehrere Kilometer eine Gratwanderung mit vielen Aufs und Abs.

Für die Strapazen des Weges entlohnte uns die wundervolle Aussicht, die sich uns links und rechts des Höhenwegs bot. Teilweise konnten wir bis zum Atlantik sehen.

Am Ende des Höhenwegs passierten wir eine Schutzhütte für Esel, auf Englisch („Donkey Shelter“). Madeleine erzählte mir von ihren Erfahrungen auf dem Stevenson-Weg. Es ist ein Fernwanderweg, der in Le Puy-en-Velay beginnt, einer Stadt in Frankreich, die mir nur zu bekannt war.

Kurz vor dem Ziel und Waterville

Die letzten Kilometer zogen sich hin, zumal wir müde von herausfordernden Auf- und Abstiegen waren. Rund um Waterville fand zeitgleich ein Höhenlauf statt. An einigen Stellen kreuzte der Wanderweg die Laufstrecke.

Erschöpft erreichten wir Waterville. Das Küstendorf heißt auf Irisch „An Coireán“. Über die Stadt und die Statue von Charlie Chaplin hatte ich bereits in meinem Beitrag „Bei Charlie Chaplin in Waterville“ geschrieben.

Meine Gastgeberin holte mich mit dem Wagen ab, weil die Unterkunft 5 Kilometer außerhalb der Ortschaft lag, zwar am Kerry Way, doch der Tag war schon lang genug. Ich verabredete mich mit der Gastgeberin an der Statue des berühmten Schauspielers und Regisseurs Sir Charlie Chaplin.

Ich aß mit der Familie zu Abend. Wir unterhielten uns über meine Wanderungen. Sie planten, demnächst offiziell Wanderer und andere Reisende bei sich übernachten zu lassen, als eine Art Bed & Breakfast. Die junge Tochter, ungefähr 10 Jahre alt, hatte auch einen Geschäftsplan: Sie wollte den Wanderern, die an ihrem Haus vorbeiliefen, Kaffee und Limonade verkaufen. Den Vater amüsierte die Vorstellung von ihrem Geschäftssinn, weil die Eltern ja alle Zutaten bereitstellen würden. Ich versprach, morgen auf dem Rückweg von Waterville, in ihrem Hofcafé Halt zu machen.

Etappe 6: Waterville – Caherdaniel

  • Datum: Sonntag, den 05.05.2024
  • Entfernung: ca. 15 Kilometer

Am nächsten Morgen frühstückte ich mit der Gastfamilie. Ich bat sie darum, mich wieder nach Waterville zurückzufahren, damit ich nicht die 5 Kilometer überspringe.

Ein spezielles Café erwartete mich: Die junge Tochter wollte Getränke an Wanderer verkaufen und wir machten aus, dass ich mich melden würde, wenn ich wieder am Haus vorbeikommen würde. Das tat ich auch und so bauten meine Gastgeber einen Klapptisch im Vorgarten auf. Ich setzte mich hin und die Tochter brachte mir zusammen mit ihrem Vater den Kaffee. Somit war ich ihr erster Kunde und sie war sehr stolz. Ich gab ihr noch gutes Trinkgeld. Wir verabschiedeten uns und ich zog weiter.

Nach Waterville

Für mich zählten die beiden Etappen rund um Waterville zu den schönsten des Kerry Wegs. Es war eine vergleichsweise kurze Etappe, doch ich ließ mir Zeit, weil es viel zu sehen gab.

Die ersten Kilometer verliefen entlang eines Wanderwegs, der mehrere Sagen und Legenden zum Thema hatte. Beispielsweise erzählte eine Tafel die Geschichte vom Dudelsackpfeifer, der eine magische Melodie gehört hatte. Davon zeugte das verfallene Haus des Dudelsackspielers.

Von diesem Wanderweg konnte man auch in der Ferne die Skellig Islands sehen, die für ihre historische Klostersiedlung und Dreharbeiten für die Star Wars-Filme berühmt waren.

In der Nähe gab es auch die Valentia Insel, mit einem der schönsten Leuchttürme in Irland.

Eine weitere Sehenswürdigkeit war der Lohar Fort (Irisch: „Cathair an Lothair“). Es handelt sich um eines der Ringforts oder Steinforts, die in Irland weit verbreitet sind. Auf Irisch werden sie caher genannt. Sie gelten als die am meisten verbreiteten Monumente in Irland. Interessant finde ich, dass Ortsnamen, die mit Liss, Caher, Dun, Rath oder Cashel beginnen, auf ihren Ursprung von derartigen Bauwerken hindeuten. So hießen auch die beiden Städte, in denen ich übernachtet hatte, Cahersiveen und Caherdaniel.

Strandwanderung und Derrynane House

Viele Kilometer des Fernwanderweges zwischen Waterville und Caherdaniel verliefen entlang des Ozeans oder zumindest in Sichtweite.

An jenem Tag fand wieder ein Marathon statt. Mir war es nicht klar, ob es etwas mit dem Lauf am Vortag zu tun hatte, ich fand mich jedoch plötzlich inmitten der vieler Läufer wieder.

Es gab zwei Optionen, die wir Wanderer hier hätten nehmen können, entweder eine bergige Strecke oder am Ufer entlang. Ich entschied mich für die wassernahe Variante und wurde nicht enttäuscht.

In der Derrynane Bay (Bucht) lief ich am gleichnamigen Strand entlang. Die Bucht war geschichtsträchtig, mit einer Klosterruine, an die ein Friedhof angrenzt und dem Derrynane House. Der Strand scheint bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebt zu sein. Sogar ein kleines Saunafass hat jemand hier hingestellt.

In Derrynane House machte ich eine kurze Pause. Im Haus ist ein Museum für den irischen Nationalhelden Daniel O’Conell untergebracht. Er wurde 1775 in der Nähe von Cahersiveen geboren. O’Conell wird als „Vater“ der irischen Unabhängigkeit bezeichnet. Dank ihm durften ab 1829 irische Katholiken wie er ins Britische Parlament gewählt werden. Er erbte 1825 das Derrynane House. Das Haus ist in den Derrynane National Historic Park eingebettet. Nach einer kurzen Erfrischung setzte ich meinen Weg fort.

Vor Caherdaniel lief ich noch am Ogham Stone vorbei. Es handelte sich um einen steinzeitlichen Menhir. Die vorgeschichtlichen Steine, die es in Irland häufig gibt, beeindruckten mich jedes Mal.

Caherdaniel

Am Nachmittag erreichte ich schließlich mein Tagesziel Caherdaniel. Hier übernachtete ich in einer Ferienwohnung. Sie war schlicht und zweckmäßig. Mit der Besitzerin hatte ich nur Kontakt per E-Mail. Das war einerseits ein wenig unpersönlich, doch andererseits war es gut, etwas Ruhe zu haben.

Caherdaniel war ein sehr kleines Dörfchen, im Prinzip bestand es aus dem Pub „The yellow Piper“, einem Laden, einem Souvenirgeschäft und einigen Familienhäusern.

Zunächst richtete ich mich in der Ferienwohnung ein. Am Abend ging ich in den Pub, um zu Abend zu essen. Wie vermutet war alles voll. Dort traf ich einen französischen Wanderer, der hier ebenfalls seinen Abend verbracht hatte. Wir unterhielten uns bei einem Bier über Gott und die Welt.

Mit einigen Einheimischen unterhielt ich mich über die lokalen Mythen und Legenden. Sie verwiesen mich an einen älteren Herren, der mir noch mal die Geschichte vom Dudelsackspieler erzählt hatte.

Der Dudelsackspieler kehrte eines Abends müde vom Fischfang nach Hause zurück. Er hörte in seiner Stube eine wunderschöne Melodie, die er auf seinem Dudelsack nachspielte. Doch plötzlich hörte er viele kleine Schritte. Als er feststellte, dass Feen diese Melodie gespielt hatten, erschrak er so sehr, dass er diese Melodie nie wieder spielen würde.

Später kehrte ich in meine Ferienwohnung zurück. Für einen Moment dachte ich, die Melodie des Dudelsackspielers zu hören. Doch vermutlich bildete ich mir das nur ein.

Quellen

Titelbild: Atlantische Ausblicke, Rechte: Dario Schrittweise 
https://www.letsgoireland.com/de/der-ultimative-charlie-chaplin-reisefuehrer-fuer-waterville-in-kerry-irland/(zuletzt aufgerufen am 01.03.25)
https://www.gruene-insel.de/blog/2020/waterville-irland-kleinod-am-ring-of-kerry/(zuletzt aufgerufen am 01.03.25)
https://www.gruene-insel.de/blog/2020/die-beeindruckendsten-ringforts-in-irland/(zuletzt aufgerufen am 01.03.25)
https://www.echtirland.de/sehenswuerdigkeiten/skellig-islands/(zuletzt aufgerufen am 01.03.25)
https://kerryway.kerry-ireland.com/d/stage6.htm(zuletzt aufgerufen am 01.03.25)

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