In der zweiten Fortsetzung der Erzählung „Schwarzfeuer“ folgen wir weiter Lyssea und Alrond. Der Vulkan Schwarzfeuer steht kurz vor dem Ausbruch. Die Bewohner von Phoenixstein verlassen fluchtartig ihre Stadt.
Während Lyssea in Phoenixstein die Mitglieder des Kleinen Rates retten möchte, verlässt Alrond mit seinen Begleitern die unterirdische Stadt. Alrond bekommt in der Libellenbucht unerwartete Unterstützung.
Die Erzählung „Das Schwarzfeuer“ ist der fünfte Teil der Reihe „Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge“.
Was bisher geschah
- Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge: Übersichtsbeitrag
- Teil 4 – Die Begegnung in den Ruinen: 4.5
- Teil 5 – Das Schwarzfeuer: 5.1
Das Schwarzfeuer [5.2.]
Das Schuppentier betrachtete die Neuankömmlinge mit seinen großen Glupschaugen. „Was glotzt ihr so? Noch nie ein Seepferd gesehen?“
„Doch, aber noch nie ein do großes. Das noch dazu sprechen kann.“ Wad lachte.
Das Seepferd musterte die ganze Zeit Sellur und schien über etwas zu grübeln.
„Ich möchte mich kurz vorstellen. Getam ist mein Name, meines Zeichens der Anführer der Gemeinschaft des Purpurnen Felsens.“ Das Meerestier verbeugte sich dramatisch.
„Oho, das klingt bedeutend. Wo ist dieser Felsen?“ Alrond blickte um sich.
„Dort drüben.“ Baderro zeigte mit seiner Flosse auf sie südliche Seite der Libellenbucht.
Alrond sah einen zylinderförmigen Felsen, der einige Hundert Meter vor ihnen aus dem Wasser ragte.
„Wir treffen uns einmal pro Woche auf dem Plateau, um Neuigkeiten auszutauschen. Oder auch zwischendurch, wenn es dringende Probleme gibt. Zum Beispiel, wenn Fremde in die Ruinenstadt gehen wollen, obwohl sich darin seit mehreren Wochen üble Schurken getrieben haben.“ Baderro sah Alrond an.
„Ich möchte unsere Plauderei ungern unterbrechen“, unterbrach ihn Alrond. „Aber haben wir nicht ein größeres Problem, um das für uns kümmern sollten?“
„Das stimmt. Doch bevor wir uns weiter unterhalten, sollte uns euer Freund erzählen, was er uns verheimlicht.“ Getam deutete mit seinem Seepferdkopf auf Sellur.
„Das wollte er uns schon in der Ruinenstadt erklären“, erwiderte Alrond. „Da bin ich schon sehr neugierig darauf.“
„In Ordnung, in Ordnung, das erzähle ich euch. Zuerst muss ich etwas tun, einen Moment.“ Sellur holte ein Ledersäckchen aus seiner Umhängetasche.
Beide waren noch relativ trocken, wie Alrond es überraschenderweise festgestellt hatte.
Sellur holte ein feines Pulver aus dem Säckchen und rieb sich damit das Gesicht ein. An der Stelle, an der er sich mit der Hand über die Haut fuhr, kam smaragdblaue Haut zum Vorschein.
„Wer bist du?“, erfuhr es Alrond.
„Er ist ein Marâanaer“, sagte Baderro. „Das Volk, das die Ruinenstadt errichtet hat.“
„Das stimmt. Ich bin ein Marâanaer.“
Alle wirkten überrascht. Wad kratzte sich am Kopf.
„Wir haben die Städte des Südens vor vielen Jahrhunderten verlassen. Nach dem großen Krieg sahen wir in eurem Königreich keinen Platz für uns. Einige von uns leben noch unter euch, aber unter einer geheimen Identität.“
„Dann bist du auch kein reisender Händler von den Korallinseln?“, fragte ihn Alrond.
„Ein Händler bin ich nicht, doch ich stamme von den Korallinseln. Dort wohnen einige der Marâanaer, die das Königreich Kenaris verlassen haben. Sie sind mit Segelschiffen auf die zentrale Insel der Inselgruppe gekommen und haben dort eine Siedlung gegründet. Wir haben dort jahrzehntelang still und unbemerkt gelebt. Bis wir gehört haben, dass es im Königreich Kenaris ungewöhnliche Vorfälle gibt. In viele davon waren Marâanaer verwickelt. Dann hat mich unser Ältester gebeten, eine Reise nach Phoenixstein zu unternehmen, um herauszufinden, was hier passiert.“
„Und hast du herausgefunden, was hier geschieht?“, mischte sich Wad ein.
„Noch nicht, bisher weiß ich nicht mehr als ihr.“
„Gut. Jetzt haben wir Sellurs Geheimnis gelüftet. Aber jetzt solltet ihr uns erklären, was so besonderes an diesem Vulkan ist.“ Alrond sah Getam und Baderro an.
„Nun, es ist zwar ein natürlicher Vulkan, aber die Bewohner von Nahraan haben darin eine Art Bergwerk errichtet, um die unterirdische Energie für sich zu schöpfen“, erklärte Getam, das Seepferd.
„Es ist also doch keine Legende“, stellte Sellur begeistert fest. „Unsere Geschichtenerzähler haben uns von den geheimen Kraftwerken unserer Vorfahren gesprochen.“
„Oh nein, das versichere ich dir“, erwiderte Getam. „Und wenn wir nicht bald etwas unternehmen, werden wir viel größere Schwierigkeiten haben, als eine Vulkaneruption.“
Lyssea musste sich zuerst an die Dunkelheit in der Hütte des Kleinen Rates gewöhnen, bevor sie sich orientieren konnte. Sie schob den Holzverschluss des Fensters beiseite, um für Licht zu sorgen. Das Licht blendete sie kurzzeitig.
Die Kräuterkundige betrachtete die Holztische, auf denen die Schlafenden lagen. Sie hob die weißen Tücher auf, die sie bedeckten. Tessia ging von einem Ratsmitglieder zum nächsten, prüfte den Herzschlag und die Atmung. „Ihnen geht es gut“, stellte sie fest. „Aber ihr Puls ist ganz schwach. Ich hoffe, dass ich ihnen bald helfen kann.“
„Sonst müssen wir sie tragen … Hast du schon eine Idee, warum sie nicht aufwachen können?“
„Ja, ich glaube, es ist eine spezielle Art einer Giftpflanze. Allerdings muss ich noch eine Reihe von Untersuchungen machen.“
Ein Erdbeben unterbrach ihre Unterhaltung. Die Hütte erzittere. Eine Flasche fiel von einem Regal und zersplitterte. Von der Decke fielen Staub und Holzsplitter.
„Die Abstände zwischen den Erschütterungen werden immer kürzer“, stellte Tessia besorgt fest. „Ich muss die Menschen hier schnell aufwecken.“
„Kann ich noch etwas für dich tun? Ich würde gerne nachsehen, ob Manas und Ysella etwas herausgefunden haben.“
„Nein, ich denke, du kannst mir erstmal nicht helfen. Komm aber bald wieder, dann werden wir den Ratsmitgliedern unterstützen, hier rauszukommen.“
„In Ordnung, ich werde später zurückkommen und euch helfen.“
Lyssea verabschiedete sich von Tessia und verließ die Hütte.
Auf den Straßen von Phoenixstein herrschte reines Chaos. Menschen liefen durcheinander. Sie riefen sich etwas zu, das im allgemeinen Tumult schwer zu verstehen war. Zwei Ziegen rannten an Lyssea vorbei.
Lyssea kam zur Taverne „Zum pfiffigen Biber“, wo sie hoffte, Ysella zu treffen. Die Tür stand offen. Manas, Ysella und Pyronnas saßen an einem Tisch und falteten Karten.
„Sei gegrüßt, Lyssea! Gut, dass du wieder da bist. Wir wollen gerade aufbrechen.“ Ysella umarmte sie.
„Wisst ihr, wo sich Alrond befindet?“
„Nein, aber wir haben eine Sammlung von Karten gefunden. Darauf sind mehrere Eingänge in die unterirdischen Gänge zu sehen.“ Ysella reichte ihr eine Karte. „Unterhalb von Phoenixstein ist von vielen Jahrhunderten eine alte Stadt der Marâanaer gewesen.“
„Das ist doch das alte Volk? Ich dachte, es gibt keine Marâanaer mehr.“
„Das ist vermutlich nur eine Ruinenstadt. Aber wir haben herausgefunden, wie man auf dem Seeweg hinkommt. Wir möchten in den Hafen gehen, um mit einem Schiff hinzufahren. Kommst du mit uns?“
„Klar, ich muss nur schnell Tessia mit den Ratsmitgliedern helfen. Dann folge ich euch.“
„Ich werde dich unterstützen, Lyssea. In meiner Jugend habe ich bei einem Heiler als Assistent gearbeitet“, sagte Pyronnas.
„Gut, dann brechen Pyronnas und ich gleich auf. Und euch werde ich danach im Hafen treffen.“
Lyssea verließ die Taverne mit dem Schreiber.
Titelbild
Titelbild: In Phoenixstein, Dario Schrittweise
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Hallo Dario, deine Erzählung und das Titelbild gefallen mir sehr gut. Die Erzählung ist interessant, humorvoll und sehr spannend. Sie ist wie eine Geschichte aus anderen Welten, nur passiert in deiner Erzählung alles auf der Erde. Vielleicht treffe ich morgen in der Nahe vom Rathaus auch ein Seepferd? Vielleicht ist er eigentlich ein maskierter Bürgermeister? Lieber Dario, ich bin sehr gespannt, wie deine Geschichte weitergeht.
LG, Sophie Mai
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Guten Abend Sophie, vielen Dank, es freut mich, dass dir meine Geschichte in Fortsetzungen und das Foto gefallen. Ein Bürgermeister, der sich als ein Seepferd verkleidet – das stelle ich mir lustig vor. 😊 Einen schönen Abend und liebe Grüße, Dario 🌝
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