Das Schwarzfeuer [5.3]

In der letzten Fortsetzung der Erzählung „Schwarzfeuer“ lüftet Sellur sein Geheimnis. Und Lyssea erfährt von Freunden in Phoenixstein, dass auf einer Landkarte ein Seezugang zur unterirdischen Stadt Nahraan verzeichnet ist. Darin vermuten sie Alrond und Wad. Sie wollen mit einem Segelschiff hinfahren. Wie geht es weiter? Lest es in der neuesten Fortsetzung.

Die Erzählung „Das Schwarzfeuer“ ist der fünfte Teil der Reihe „Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge“.

Was bisher geschah

  • Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge: Übersichtsbeitrag
  • Teil 4 – Die Begegnung in den Ruinen 4.5.
  • Teil 5 – Das Schwarzfeuer: 5.1
  • Teil 5 – Das Schwarzfeuer: 5.2

Das Schwarzfeuer [5.3.]

Lyssea lief mit Pyronnas an einer Hütte vorbei, die wegen der Beben in sich zusammenfiel.
„Das sieht nicht gut aus. Wir müssen uns beeilen“, sagte sie zu Pyronnas.
„Die Hütte hat Ronnah, der Töpferin, gehört.“
„Heute werden einige ihre Häuser verlieren. Die Hauptsache ist, dass niemand verletzt wird.“
Bald erreichten sie die Hütte des Rates. Lyssea öffnete die Tür.
„Hallo Tessia“, sagte Lyssea.
In der Hütte gab Tessia gerade einem der schlafenden Ratsmitglieder etwas zu trinken. Sie setzte sich an den Tisch, auf dem er lag, und hielt ihm eine Tasse an den Mund.
„Ich habe Unterstützung mitgebracht. Pyronnas hat Erfahrung mit Verwundeten.“
„Sehr gut“, erwiderte die Kräuterkundige, ohne aufzuschauen. „Ich kann jetzt jede Hilfe gebrauchen. Gerade habe ich einen Sud zubereitet. Der Trank wird helfen, aber ich brauche noch ein wenig Zeit.“
„Leider haben nicht mehr viel Zeit. Die ersten Gebäude stürzen bereits ein“, sagte Lyssea. „Wieviel Zeit benötigst du noch?“
„Mindestens noch ein bis zwei Stunden.“
„Das ist viel zu lange. Wir müssen die Vergifteten aus der Stadt bringen. Hier ist niemand mehr sicher“, sagte Pyronnas.
In dem Moment ging die Tür mit einem lauten Knall auf und der Hauptmann der Wache trat ein. „Was macht ihr noch hier?“ Gatton sah sich grimmig in der Hütte um. „Bist du jetzt auch einer von den Schnüfflern, Pyronnas? Du enttäuschst mich.“ Er sah den Schreiber durchdringend an.
„Ich helfe ihnen. Sonst scheint sich keiner zu kümmern.“
„Das stimmt so nicht. Doch wir haben bisher andere Sorgen gehabt. Aber wie ich sehe, seid ihr auch nicht weit gekommen.“
„Bisher konnte ich die Ursache herausfinden und jetzt bin ich dabei, sie zu heilen. Das ist mehr, als ihr es geschafft habt.“
„Nun, der Mann, dem ihr gerade ein Trinkhorn an den Mund haltet, ist unser Hofheiler. Bisher konnten wir keinen Ersatz finden. Und in der Stadt und in der Burg herrscht Chaos.“ Gatton zupfte nervös an seinem schwarzen Mantel.
„Und was ist mit dem König? Muss die Stadtwache ihn nicht beschützen?“, wollte Lyssea wissen.
Zum ersten Mal sah Lyssea den voluminösen Mann lachen. „Der König! Seine Majestät ist sofort geflohen, als die ersten Beben angefangen haben. Außerdem ist der werte König in undurchsichtige Machenschaften verwickelt, die ich seit Wochen untersuche. Ich habe euch nicht umsonst verboten, euch in unsere Angelegenheiten einzumischen.“
„Warum bist du dann noch hier?“, fragte ihn Pyronnas.
„Weil ich mit meinen Soldaten den Stadtbewohnern helfen möchte, Phoenixstein zu verlassen. Jetzt sind die Ratsmitglieder dran. Wir haben zwei Pferdewagen hier.“ Gatton rief durch die Tür: „Männer, kommt herein, wir nehmen jetzt die Mitglieder des Großen Rates.“
Vier Soldaten traten herein. Sie trugen eine verstärkte Lederrüstung.
„Dann komme ich mit euch. Ich bin fast mit dem zweiten Trank fertig. Der erste hat ihnen die Kraft zurückgebracht, der zweite wird sie aufwecken.“ Tessia begann, ihr Pulverkästchen in eine Ledertasche zu packen.
„Ich werde auch mitkommen“, fügte Pyronnas hinzu. „Meine Erfahrung als Feldscher wir noch gebraucht.“
Ein entferntes Grollen des Vulkans erinnerte Lyssea daran, dass sie keine Zeit mehr zu verlieren hatte.
Lyssea verabschiedete sich und verließ die Hütte. Einmal drehte sie sich um und sah, wie die Soldaten die Ratsmitglieder in Planwagen vor der Hütte trugen. Sie hastete in die Richtung des Hafens.
Die Abstände zwischen den Beben waren zunehmend geringer. Im Erdboden bildeten sich feine Risse. Kurz darauf fiel ein Stück der Stadtmauer krachend zusammen.
Lyssea sah eine Frau, die auf dem Boden lag.
Die Frau versuchte, sich an einem Lindenbaum hochzuziehen. Doch dazu war sie zu schwach.
„Warten Sie, ich helfe Ihnen.“ Lyssea half ihr auf die Beine.
„Danke Ihnen, ich bin gestürzt.“
„Sie müssen schleunigst die Stadt verlassen. Bald fällt hier alles auseinander.“
„Womit haben wir die Götter so sehr verärgert? Was haben wir ihnen getan?“, klagte die Gestürzte.
„Ich glaube nicht, dass der Zorn der Götter die Ursache für die Katastrophe ist. Sehen Sie: der Vulkan speit Magma. Es ist ein natürliches Ereignis.“ Lyssea deutete auf den roten Feuerball, der von der Bergspitze emporstieg.
„Aber warum geschieht es ausgerechnet jetzt?“ Die Bewohnerin ließ sich nicht umstimmen.
Zwei Stadtwachen querten vor ihnen die Straße.
„Ihr beiden“, rief Lyssea. „Bitte helft der Dame. Ich muss weiter.“
Die Soldaten näherten sich ihnen und nahmen die Frau mit sich.
„Danke ihnen.“ Sie schüttelte Lysseas Hand.
„Gern geschehen. Und jetzt sehen sie zu, dass sie sich in Sicherheit bringen. Die beiden Hübschen werden Ihnen helfen.“
Lyssea lächelte der Frau zu und nickte den Soldaten zu. Der Lindenbaum fiel hinter ihr auf den Weg. Sie schauderte. Die Schreiberin verließ den Innenbereich der Stadt durch das Südtor. Eine Steintreppe führte hinunter zum Hafen. Wie erwartet, herrschte auch hier ein heilloses Durcheinander. Die Stadtbewohner drängten sich vor den wenig verbliebenen Schiffen und Booten. Ein ungeduldiger Mann rempelte Lyssea an.
„Passen Sie doch auf!“
Der Mann ignorierte sie und rannte davon.
„Lyssea!“ Yesella winkte ihr von einem Segelschiff. „Wir können gleich lossegeln.“
Sie lief zum Zweimaster „Die Sirene von Phoenixhafen“. Über eine Planke betrat sie das Schiff. Eine Frau in Seemannsanzug trat an sie heran.
„Guten Tag, ich heiße Eleonorra und bin die Kapitänin dieser Schönheit.“
„Erfreut, Lyssea ist mein Name“. Sie schüttelte ihre Hand.
„Und jetzt geht es los. Jungs und Mädels, setzt die Segel! Wir legen gleich ab. Die Libellenbuch erwartet uns“, rief die Kapitänin ihrer Mannschaft zu.
Die Besatzung hisste die Segel. Die Seile knurrten im Wind. Der Segler kam schnell voran.

„Können wir denn etwas unternehmen, um die Katastrophe zu verhindern?“, wollte Alrond wissen.
„Die Katastrophe ist von Menschen gemacht. Wir müssen uns zum Zentrum der Energiequelle begeben. Nur so haben wir eine Chance, die Eruption zu verhindern“, antwortete Getam.
„Ist das nicht zu gefährlich?“ Alrond blickte in die Runde.
„Das kann sein, wir müssen es aber riskieren. Wir dürfen nicht immer ängstlich sein“, erwiderte Sellur.
„Du hast recht“, gab Alrond zu. „Wir müssen einen Eingang in den Vulkan finden. Ich vermute, dass die Wechselinge und ihre Bande für alles verantwortlich sind. Endlich werden wir ihnen das Handwerk legen können. Nur, wie kommen wir hinein?“
„Die Gemeinschaft von Feuerplankten könnte uns helfen“, erwiderte Getam.
„Feuerplankten?“, wunderte sich Alrond.
„Sie gehören zu den vier Gottheiten unseres Volkes“, erklärte Sellur. „Laut einer Legende war jede der vier großen Städte in der Nähe einer der Gottheiten erbaut worden. Sie haben die Energiequellen des alten Volkes bewacht. So auch in diesem Fall.“
„Scheinbar war das keine Legende“, sagte Alrond.
„Das werden wir sehen. “
„Bei Nahraan waren es die Feuerplankten. Sie haben sich um das Schwarzfeuer gekümmert“, gab Getam zu verstehen.
„Wie kommen wir zu den Feuerplankten?“ Sellur sah Getam eindringlich an.
„Baderro kann uns helfen“, antwortete Getam und sah die Schildkröte an.
Das gepanzerte Tier setzte zu einer Antwort an, doch dann wurde es von Wad unterbrochen: „Schaut dort, ein Schiff.“ Wad deutete auf einen Zweimaster, dessen Segel sich in der Ferne abzeichneten. Das Segelschiff steuerte auf die Libellenbucht zu.
„Vielleicht sind das Menschen, die aus Phoenixstein geflohen sind.“ Baderro blickte zum Schiff. „Kommt, wir helfen ihnen beim Entladen ihrer Habseligkeiten.“
Sie liefen zum Anlegeplatz.
Die Schiffsbesatzung der „Sirene von Phonixhafen“ raffte die Segel und leitete einen Anlegemanöver ein. Der Zweimaster näherte sich langsam dem Ufer.

Titelbild

Titelfoto: Eine Stadt am Wasser (Symbolfoto), Rechte: Dario Schrittweise

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2 Antworten auf „Das Schwarzfeuer [5.3]

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  1. Lieber Dario, deine „Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge“ finde ich sehr interessant und spannend. Im Teil IV „Das Schwarzfeuer“ spielt Baderro eine wichtige Rolle. Mich interessiert es, ob Baderro ein Mensch in tierischer Gestalt oder ein Tier mit einem menschlichen Charakter ist?
    LG, Sophie Mai.

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