Mit Grimms Märchen auf dem Spessartweg

Der Spessart ist die Heimat der Gebrüder Grimm. Die Märchensammler wurden in Hanau geboren und in Steinau wuchsen sie auf. Jacob und Wilhelm Grimm haben dort viele ihrer Geschichten gesammelt. Einer Theorie zufolge stammt auch Schneewittchen aus Lohr am Main, einem Ort im Spessart.

Letztes Jahr wollte ich den Geschichten und Landschaften dieser Region nachspüren und begab mich am verlängerten Wochenende Ende Mai in diese sagenumwobene Region zwischen Hessen und Bayern. Ich beschloss, auf dem Spessartweg 1 zu wandern. Drei Tagesetappen warteten auf mich, von Aschaffenburg über Lohr am Main nach Gemünden am Main.

Anreise und Aschaffenburg am 26.5.23

Ich reiste am Freitag, den 26.5. mit dem Zug nach Aschaffenburg. Im Zugabteil saß mir gegenüber ein Mann, mit dem ich ins Gespräch gekommen war. Er hieß Lee, er war ein chinesischer Geschäftsmann, der beruflich nach Aschaffenburg gereist war.

Als wir über meine Wanderpläne sprachen, sagte mir Lee, dass er gerne mitkommen möchte. Warum nicht?, antwortete ich und wir verabredeten uns für den nächsten Tag. Ich hatte noch ein wenig Zweifel, ob ein Unbekannter tatsächlich am nächsten Tag mit mir Wandern würde, er kam mir aber sympathisch vor.

Am Abend traf ich Lee zufällig auf der Straße, er war mit seinem Geschäftspartner unterwegs. Wir bekräftigen erneut unseren Wunsch, uns am nächsten Tag wiederzusehen und wünschten uns noch einen angenehmen Abend.

Erste Etappe: Aschaffenburg – Winzerhohl

  • Datum: 27.5.23
  • Entfernung: Kilometer mit 6 Kilometer Abstecher

Am nächsten Tag machte ich einen kleinen Morgenspaziergang in der Innenstadt von Aschaffenburg. Die erste Etappe war sehr kurz, so dass ich am Vormittag genug Zeit hatte.

Ich fragte mich, ob Lee wirklich zum vereinbarten Treffpunkt kommen würde. Für mich war es schon besonderes, so spontan einen Mitwanderer kennenzulernen und am nächsten Tag mit ihm unterwegs zu sein.

Zu den Highlights von Aschaffenburg gehörten für mich in erster Linie die Residenz und das Pomejanum, der Nachbau einer antiken römischen Villa.

Da ich mich mit Lee vor meiner Unterkunft verabredet hatte, wartete ich dort auf ihn. Und tatsächlich, er kam pünktlich.

Nach einem kurzen Abstecher in der Innenstadt – ich kaufte Sonnencreme in einer Drogerie – begannen wir unsere Tagesetappe auf dem Spessartweg.

Mit Lee unterwegs

Neben den unzähligen kurzen Wanderwegen, gibt es auch mehrere längere Fernwanderwege durch den Spessart. Ich habe mich, wie eingangs geschrieben, für den Spessartweg 1 entschieden.

Die ersten Kilometer führten Lee und mich durch den Park Schöntal, einem Naherholungsgebiet von Aschaffenburg. In einem Teich lebten Schildkröten und als Blickfang diente die Ruine eines verfallenen Klosters.

Eines der Höhepunkte des Tages waren die Überreste eines Burgstalls. Leider konnte man nicht viel erkennen, doch auf einer Tafel konnte man sich gut darüber informieren.

Auf dem halben Weg legten Lee und ich eine Brotzeitpause ein und teilten unser mitgebrachtes Essen. Lee sagte, er mag Deutschland, nur das Essen gefalle ihm nicht. Er hatte einige chinesische Spezialitäten, die er mit mir geteilt hatte.

Der Bahnhof in Hösbach und Winzerhohl

Ich lief mit Lee zum Bahnhof in Hösbach. Von hier aus wollte er zurück nach Aschaffenburg fahren. Da wir mehr als eine Stunde Zeit hatten, bis der Zug fuhr, gingen wir in eine Hotelbar. Etwas anderes war ohnehin nicht offen.

In der Bar erlebten wir auch die skurrilste Erfahrung des Tages. Wir setzten uns an einen Tisch vor der Bar, weil der Tag sonnig und warm war. Daneben unterhielten sich zwei Männer angeregt. Der eine war ein englischsprachiger Tourist und der andere ein Lkw-Fahrer. Sie redeten über den Ukrainekrieg. Bald darauf verabschiedete sich der Tourist und der andere Mann verwickelte uns in ein Gespräch. Er war betrunken und fluchte über die Politiker.

Ich wartete mit Lee am Gleis und verabschiedete mich von ihm, als sein Zug kam.

Am Nachmittag erreichte ich Winzerhohl, mein Tagesziel. Vor meinem Gasthaus grasten idyllisch Schafe. Im Gasthaus aß ich zu Abend und machte danach einen kleinen Spaziergang durchs Dorf.

Zweite Etappe: Winzerhohl – Lohr am Mein

  • Datum: 28.5.23
  • Entfernung: 20 Kilometer

Das Frühstück in der Unterkunft war sehr üppig und lecker. Bis heute erinnere ich mich daran. Oft sind die einfachen Unterkünfte in kleineren Dörfern beim Wandern die besten, wie ich finde.

Nach dem gestrigen Tag mit meinem Mitwanderer und der Begegnung mit dem LKW-Fahrer hatte ich einen vergleichsweise ruhigen zweiten Tag.

Unterwegs nach Lohr

Der Tag war sonnig und reich an Sehenswürdigkeiten, die zwar nicht spektakulär, jedoch allesamt sehenswert waren.

Nach ungefähr drei Vierteln der Tagesetappe erreichte ich die Ortschaft Rothenbuch. Hier folgte ich einem Pfad, der mehrere historischen Stätten im Ort miteinander verband. Dazu gehörten das Schloss Rothenbuch und ein kleiner Garten.

In Rothenbuch begegnete ich einer Gruppe von vier Wanderern, die mich fragten, ob ich ein geöffnetes Restaurant gesehen hätte. Ich beschrieb ihnen den Weg zum geöffneten Restaurant.

Kurz vor Lohr musste ich mich an einer Kreuzung zwischen zwei Wanderwegen entscheiden. Der eine Weg führte an einer Kapelle vorbei und der andere hieß Klapper. Ich folgte dem Märchenweg, der an der Kapelle vorbeifuhr.

Lohr am Mein

Am späten Nachmittag erreichte ich schließlich Lohr am Main. Die Stadt ist stolz auf ihr – im wahrsten Sinne des Wortes – märchenhaftes Erbe. Überall sieht man kleine Skulpturen sowie bildliche und schriftliche Anspielungen auf Märchen der Gebrüder Grimm. So trug ein Hotel den Namen „7 Zwerge“ und eine Skulptur hieß „Schneewittchen auf der Bank“.

Der Name meiner Unterkunft lautete „Der Bundschuh“, ebenfalls nach einem wichtigen Bekleidungsstück aus einem Märchen.

Nach dem Duschen setzte ich mich in den Garten der Unterkunft, wo ich eine Pizza bestellt habe. Ich wollte nicht zu lange im Garten bleiben, damit ich genug Zeit für die Stadtbesichtigung hatte.

In Lohr erinnerten mich überall kleine Figuren und diverse Gebäude an den Bezug zu den Märchen der Gebrüder Grimm: die Skulptur von Schneewittchen auf der Parkbank, ein Zwerg, Schneewittchen mit den sieben Zwergen, der Zauberspiegel.

Auf einer Tafel in der Innenstadt fand ich die Erklärung der Theorie, dass Schneewittchen aus Lohr am Main stammte. Demnach fand im Jahr 1985 ein Lohrer Apotheker und Historiker heraus, dass Schneewittchen eine 1725 geborene Lohrerin war. Sie hieß Maria Sophia Margaretha Catharina von Erthal. Der Familiensitz war das Schloss in Lohr. Die Stiefmutter von Maria Sophia soll herrschsüchtig gewesen sein. Ein wichtiger Hinweis war der „sprechende Spiegel“ – ein Spiegel mit Sinnsprüchen. Es gibt weitere Indizien – „der wilde Wald“ und die „sieben Berge“ befinden sich im Spessart und die „sieben Zwerge“ waren kleinwüchsige Bergleute und ihre Kinder.

Und tatsächlich, am Abend entdeckte ich Schneewittchen mit ihren Zwergen, die gingen vor dem Schloss spazieren, allerdings nur als Skulpturen.

Dritte Etappe: Lohr am Main – Gemünden am Main

  • Datum: 29.5.23
  • Entfernung: 20 Km

Am nächsten Morgen erkundete ich noch ein wenig Lohr, machte mich aber bald auf den Weg.

Der Anfang der dritten und letzten Tagesetappe führte mich durch das Naturschutzgebiet Romberg. Ich traf eine Gruppe von fünf Männern, die als Wallfahrer zum Wallfahrtsort Mariabuchen unterwegs waren.

Ich begleitete die Wallfahrer ein wenig, ging dann aber bald meiner Wege. Bald darauf erreichte ich Mariabuchen, eine überregional bekannte Wallfahrtskirche.

Im Tal unterhalb von Mariabuchen lief ich an der Buchenmühle vorbei, in der sich heute ein Biergarten befindet.

Die Ruine Schönrain war mein Tageshighlight. Die Ruine war einst ein Benediktinerkloster, das später an den Grafen von Rieneck verkauft wurde. Im Jahr 1601 ging sie an Fürstbischof Julius Echter und diente bis Anfang des 19. Jahrhunderts der Forstverwaltung.

Über die Mainbrücke und durch den Mühltortum erreichte ich schließlich Gemünden am Main. Der Mühltortum ist das einzige noch erhaltene Stadttor.

Gemünden war im wahrsten Sinne des Wortes Endstation meiner dreitägigen Fernwanderung. Hier fließen drei Flüsse zusammen: Main, Saale und Sinn. Der Spessartweg führte mich über eine Mainbrücke.

Der Tag war wieder sonnig und viele Menschen wuselten in der Innenstadt herum. Alle Cafés und Restaurants waren offen, vor der Eisdiele auf dem Marktplatz bildete sich eine lange Warteschlange. Ich aß in einem Restaurant zu Mittag und ging danach zu meinem Zug.

Rückreise aus dem Land der Märchen

Während der Rückreise dachte ich noch an die letzten drei Tage. Es waren schöne Erlebnisse, angefangen von der Begegnung im Zug, über die Besichtigung von Aschaffenburg und Lohr bis zu den lieblichen Landschaften des Spessarts. Kurzum: Das Wanderwochenende bot viele Eindrücke und Erfahrungen.

Quellen

Titelfoto: Schneewittchen und die sieben Zwerge, 2023, Dario Schrittweise

6 Antworten auf „Mit Grimms Märchen auf dem Spessartweg

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  1. Das war eine offensichtlich wunderschöne Wanderung auf dem Spessartweg, teils auch mit der netten Zufallsbekanntschaft Lee, wobei du unterwegs auch jede Menge sehr interessante und schöne Orte besucht hast, Dario und zumindest beim Schneewittchen in Lohr am Main war auch ich schon, worüber es auch einen Beitrag bei mir im Blog gibt.
    Richtig klasse wie du diese Wanderung nicht nur mit den schönen Bildern hier so schilderst, dass man fast das Gefühl bekommt dabei gewesen zu sein.
    Liebe Grüße und danke fürs mitnehmen hier! 😊

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    1. Hallo Hanne, ja, das war es wirklich. Andere nette Mitwanderer treffe ich immer wieder, aber es ist schon besonderes jemanden zu treffen, der spontan mitwandert, obwohl er ursprünglich etwas anderes machen wollte. Da habe ich ihn wohl inspiriert. 😉 Und die Gegend ist in der Tat sehenswert. Es freut mich auch immer, wenn ich etwas über die Sagen und Legenden aus der Gegend erfahre, in der ichunterwegs bin. Danke dir fürs Mitwandern in Gedanken, LG Dario 🙂

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