Der letzte Urlaubstag – eine Miniatur

Am letzten Urlaubstag beschloss Gilbert, den Nachmittag in Ruhe zu verbringen. Ohne Termine, Hetze und Ziele. Das gute Wetter lud an jenem Tag zu einem längeren Spaziergang ein.
Entspannt schlenderte Gilbert in den nahegelegenen Stadtpark. Hier spielten sich kleine Szenen ab, die ihn amüsierten. Ein Mann fütterte die Wildgänse im Teich, obwohl ein Verbotsschild dies untersagte. Sollte Gilbert etwas sagen? Eine Frau kam ihm zuvor und deutete auf das Schild. Der Mann zuckte mit den Achseln, ging aber weiter.
Der letzte Tag des Urlaubs löste in Gilbert stets eine gewisse Unruhe aus. In das Gefühl mischte sich ein Bedauern, dass die freien Tage vorbei waren. Morgen würde der Alltag wieder in sein Leben zurückkehren.
Doch lag die Freude des Urlaubs nicht genau darin begründet: zu wissen, dass es nach wenigen Tagen weitergehen würde? Zu wissen, dass die Arbeit diesen Urlaub erst ermöglicht hatte und die nächste Reise möglich machen würde?
Trotzdem erwuchs eine bittere Süße bei dem Gedanken an das Ende der freien Zeit, an den liebgewonnenen Müßiggang.

Ein Paar lief an ihm vorbei. Der Mann schien ein Gedicht zu rezitieren. „Die Zeit, die wir damit verbringen, sie lässt uns das Ziel erringen.“ Der Rest verschwand im Gewirr der Menge.
„Sieben … sechs … fünf“. Hinter einem Baum zählte ein Junge herunter. „Vier … drei …“
Seine Kameradinnen und Kameraden versteckten sich hinter den anderen Bäumen und Sitzbänken.
„Zwei … eins … ich komme!“ Der Junge drehte sich um und begann, seine Freunde zu suchen.
„Pst!“, flüsterte ein rothaariges Mädchen, das sich hinter Gilberts Bank versteckt hatte. „Bitte verrate mich nicht.“
„Keine Sorge!“ Gilbert schmunzelte. „Das werde ich nicht.“ Er erinnerte sich an seine Kindheit, als seine Freunde und er ebenfalls Verstecken spielten. Auch damals hatte Gilbert es am letzten Tag der Schulferien traurig gefunden, dass die freie Zeit vorbei gewesen war.
Er setzte seinen Spaziergang fort und lachte über zwei Hunde, die auf einer Wiese herumtollten. Wie entspannt müsste wohl das Leben für sie sein.
Die Sonne ging langsam über den Wipfeln des Parks und den Dächern der Stadt unter. Es war für Gilbert an der Zeit, wieder nach Hause zu gehen.

Titelbild

Foto: Der letzte Urlaubstag, Rechte: Dario Schrittweise

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