„Wenn du schnell gehen willst, dann gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen.“ Ein Sprichwort aus Afrika
An diese Redewendung musste ich denken, als ich mich vor einigen Wochen für den letzten Abschnitt meines Wanderprojektes von Tübingen nach Pforzheim vorbereitet hatte. Während mein Begleiter Jan und ich die ersten drei Etappen im Jahr 2017 zurückgelegt hatten, dauerte es mehr als 2 Jahre, um den vierten und letzten Teil zu absolvieren. Dafür war der Weg sehr angenehm, sonnig sowie herbstlich-farbenfroh.
Wegweiser
- Etappe 1: Wandern im Schönbuch (2017, Tübingen – Ehningen)
- Etappen 2 und 3: Pfad der Skulpturen und Himmelvermesser (2017, Ehningen – Weil der Stadt – Lehningen)
Etappe 4: Lehningen – Pforzheim
- Datum: Samstag, 26.10.2019
- Entfernung: 21 Kilometer
Im Jahr 2017 beschlossen Jan, ein Freund von mir, und ich, von seinem Wohnort Tübingen nach Pforzheim zu wandern, um dort unsere gemeinsamen Freunde zu besuchen. Wir orientierten uns teilweise am Fernwanderweg „Hauptwanderweg 5“ des Schwäbischen Albvereins, auch Schwarzwald-Schwäbische Alb-Allgäu-Weg genannt (kurz HW 5). Insgesamt ist er 311 Kilometer lang und führt von Pforzheim über Tübingen bis auf den Schwarzen Grat und kann in beide Richtungen begangen werden.
Unsere dritte Etappe beendeten Jan und ich im April 2017 in Lehningen bei Tiefenbronn. Aus terminlichen Gründen dauerte es 2 Jahre bis wir gemeinsam weiter nach Pforzheim wandern konnten. Auch dieses Mal hatten wir kleine organisatorische Schwierigkeiten, weil Jan erst am Samstag anreisen konnte. Ich fuhr am Freitag mit dem Zug nach Weil der Stadt, wo ich eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden hatte. Ich entschied mich für diesen Ort, weil dieser am nächsten bei Lehningen (Tiefenbronn) liegt, wo wir vor zwei Jahren unsere letzte Etappe beendet hatten. Damals liefen wir ebenfalls durch die Kepplerstadt Weil der Stadt durch.
Ein Morgen in Lehningen
Am Samstagmorgen fuhr ich mit dem Bus Nummer 666 nach Lehningen. Ich musste über die Liniennummer lachen, weil die dreifache Sechs eher mit teuflischen Begebenheiten in Verbindung gebracht wird. In Lehningen frühstückte ich in einer charmanten kleinen Bäckerei, die nur einen einzigen Tisch mit zwei Stühlen hatte. Der Tisch war so klein, dass ich mich wie in einer Grundschulklasse fühlte. Obwohl ich zudem gewissermaßen im Schaufenster der Bäckerei saß, fühlte ich mich wohl, weil die beiden Mitarbeiterinnen der Bäckerei sehr freundlich waren. Ein Großvater mit seiner kleinen Enkelin kam herein und das kleine Mädchen bekam eine Scheibe Lyoner Wurst von einer der beiden Verkäuferinnen geschenkt, weil sie keine Gummibärchen mochte. Nachdem ich mich gestärkt hatte, begann ich entspannt unsere letzte Etappe.
An dem Tag hatten Jan und ich Glück, weil es einer der letzten sonnigen Wochenenden im Herbst war. Die Lufttemperatur war mild und der Wald trug seine schönsten herbstlichen Kleider. Nachdem ich über einen umgestürzten Baum stieg, der mir den Weg versperrte, begegneten mir Jäger in ihrer weit sichtbaren Arbeitskleidung und informierten mich über die großangelegte Jagd, die bald im Gebiet zwischen Lehningen und Steinegg beginnen sollte. Sie wunderten sich, dass ich keine Warnhinweise gesehen hatte und empfahlen mir, mich an einen Radweg zu halten. Ich wunderte mich auch, warum die Jagd so schlecht ausgeschildert oder angekündigt war. Mit mulmigem Gefühl ging ich weiter, während im Wald die ersten Schüsse ertönten. In Hochsitzen saßen weitere Jäger, die mich grüßten.
Steinegg
Nach wenigen Kilometern kam ich in Steinegg an, einem Ortsteil von Neuhausen im Enzkreis. Steinegg ist ebenfalls sehr klein, nicht einmal einen offenen Dorfladen oder eine Bäckerei konnte ich hier entdecken. Dafür kann der Ort mit der schönen Burg Steinegg punkten, die auf eine 800-jährige Geschichte zurückblickt. Seit 1961 befindet sie sich im Besitz der Evangelischen Kirchengemeinde in Pforzheim. Heute übernachten Schulklassen, Jugendgruppen und Vereine in der Burg. An die Burg ist eine kleine Kapelle angeschlossen.
Unterwegs nach Hohenwart
Während des ganzen Vormittags hatte ich per Kurznachrichten Kontakt mit Jan, der noch mit einer problematischen Zugverbindung wegen Bauarbeiten und Schienenersatz zu kämpfen hatte. Auf dem Weg nach Hohenwart sah ich viele bunte Pilze in unterschiedlichen Farben und Formen. Insgesamt war der Wald an jenem Samstag voll mit Pilzen. Leider bin ich kein Pilzexperte, sollte daher jemand die Namen der Pilze kennen, bitte ich um Nennung in den Kommentaren, dann werde ich die Namen übernehmen.
In Hohenwart traf ich mich schließlich gegen 12:30 Uhr mit Jan bei unserem ausgemachten Treffpunkt, der Heilig-Kreuz-Kirche. Wir sahen uns im gut erhaltenen Gotteshaus um und setzten unsere Wanderung gemeinsam fort. Ein Wegweiser erinnerte uns daran, dass wir uns hier im Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord befanden.
Wolfsgrube und die Ruine Liebeneck
Unser erster Zwischenstopp war die Wolfsgrube, welche als eine Falle für Wölfe gedacht war, die es hier früher in großer Zahl gab. Eine Hinweistafel vor der umzäunten Grube erzählt ihre Geschichte. Laut diesem Text wurde die Wolfsgrube vermutlich um 1600 ausgegraben. Darin brachten ihre Erbauer Schafe, Ferkel oder Hunde als lebende Köder und überdeckten die Fanggrube mit Stroh und Reisig. Darauf legten sie Fleisch. Die streunenden Wölfe wurden durch das Fleisch und die Laute der Tiere in der Grube angelockt. Steinplatten in den Ecken verhinderten, dass Wölfe entkommen konnten. Um 1850 wurden offiziell die letzten Wölfe in der Gegend erlegt.
Von der Wolfsgrube aus konnten wir die Ruine der Burg Liebeneck sehr gut sehen. Die Ruine befindet sich auf dem gegenüberliegenden Hügel, auf der anderen Seite des Flusses Würm. Die Burg wurde im 12. Jahrhundert errichtet. Als nach einer wechselvollen Geschichte die Burg Liebeneck schließlich im Jahr 1828 verlassen wurde, erfolgte eine „planmäßige Zerstörung der Wohngebäude, damit kein Gesindel dort Unterschlupf findet“, so der Text auf einer Orientierungstafel am Eingang zur Ruine.
Skulpturenpfad von Würm
In der Ortschaft Würm, die zu Pforzheim gehört, fand ich insbesondere den Skulpturenpfad sehenswert. Zwei der Objekte, die wir gesehen hatten, stachen hervor: Die Bronzefigur „Badende“ der Künstlerin Bärbel Dieckmann und die Bronzeplastik „Paar gegenüber“ von Prof. Karl-Ulrich Nuss aus Weinstadt-Strümpfelbach. Mit Werken von Professor Nuss kam ich bereits 2016 in Berührung, als ich im Rahmen meines Pilgerweges durch Weinstadt-Strümpfelbach gekommen bin. Auch dort stellte der Künstler seine Werke als Teil eines Skulpturenpfades vor.
Wir machten auf einer Sitzbank neben einem kleinen Springbrunnen Pause, als sich ein verspielter Hund darin erfrischen wollte. Seine Besitzerin warnte uns im letzten Moment. Zum Glück verspritzte er nicht viel Wasser.
Der Rest des Wanderweges führte uns durch das Würmtal, entlang des Flussufers. Die Würm ist ein Nebenfluss der Nagold und entspringt im Schönbuch, durch welches Jan und ich während unserer ersten Etappe gewandert sind. Ab hier folgten wir weiterhin dem HW 5, aber auch dem berühmten Fernwanderweg „Ostweg“.
Nach einiger Zeit sah ich zwei französischsprachige Bücher auf einem Baumstamm, die Wanderer hinterlassen hatten, vermutlich um Gewicht zu sparen. Sie waren noch in einem guten Zustand und ich beschloss, sie mitzunehmen, damit sie nicht nass werden.
Ankunft am Ziel: in der Goldstadt Pforzheim
Gegen 16 Uhr erreichten wir das sogenannte „Goldene Tor“ im Pforzheimer Stadtteil Kupferhammer: ein stilisiertes Tor mit goldener Verzierung. Hier beginnen die drei berühmten Fernwanderwege von Baden-Württemberg: der West-, Mittel- und der Ostweg. Auch der HW 5 beginnt bzw. endet am „Goldenen Tor“. Somit endete auch unser Weg von Tübingen nach Pforzheim hier.
Pforzheim wird auch als „Pforte zum Schwarzwald“ bezeichnet, weil die Stadt aus einer kleinen römischen Siedlung entstand, die eine kleine Anlegestelle an der Enz hatte. Sie hieß deshalb Portus (lat. „Hafen“). Die um das Jahr 90 n. Chr. gegründete Siedlung wuchs zu einer Stadt, die um das Jahr 1080 das Marktrecht erhielt.
Pforzheim gilt heute als ein wichtiger Standort der Uhren, Gold- und Silberwarenindustrie. Das im Jahr 1718 gegründete Waisenhaus, in dem die Waisenkinder Uhren und Schmuckwaren hergestellt hatten, gilt als dessen Ursprung. Heute wäre das hierzulande wohl undenkbar.
Im Wartehäuschen der Bushaltestelle im Kupferhammer ließ ich die beiden gefundenen Bücher liegen, in der Hoffnung, dass sie bald neue Besitzer finden würden. Teilweise mit Bus und teilweise zu Fuß kamen wir gegen 17 Uhr bei unseren Freunden an und verbrachten mit ihnen noch einen schönen Samstagabend und Sonntagvormittag, bevor wir wieder nach Hause fuhren.
Fazit
Unser „Wanderprojekt“ dauerte mehr als zwei Jahre, vom April 2017 bis Oktober 2019. Ich fand die Wanderwege und die Ortschaften, die wir kennenlernen durften, sehr sehenswert, in erster Linie Schönbuch und das Würmtal, die Orte Ehningen, Weil der Stadt, Merklingen, Lehningen und Pforzheim. Wir hatten außerdem das Glück, sowohl den Frühling als auch den Herbst auf der Strecke erleben zu dürfen.
Da es keinen offiziellen Wanderweg gab, nur den HW 5 und den Ostweg, dessen Markierungen wir teilweise gefolgt sind, haben wir weitestgehend unseren eigenen Weg konstruiert.
Zudem fand ich es sehr interessant, beim Vorbereiten der Wanderung erneut meine alten Beiträge zu dem Thema zu lesen. Dabei dachte ich daran, wie die Zeit vergeht und wie sich manche Sachen ändern.
Quellen
https://www.evkirche-pf.de/html/content/burg_steinegg.html (zuletzt abgerufen am 18.11.2019) https://www.pforzheim.de/kultur/stadtgeschichte.html (zuletzt abgerufen am 19.11.2019) https://www.pforzheim.de/stadt/ortsteile/wuerm/sehenswuerdigkeiten/burgruine-liebeneck.html (zuletzt abgerufen am 19.11.2019)
Hallo Dario.
Solch eine Pilgertour im herrlichen Herbstlicht ist bestimmt einmalig schön und wird dir lange in Erinnerung bleiben.
Aber die Bücher hast du bestimmt nicht gerettet damit sie nass werden. 😉
LG, Nati
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Hi Nati, ja, du hast recht, ich wollte sie natürlich vor der Nässe retten 😅🌧️📚☔🍂🍃🌄🍁 Danke dir für deine wachsamen Augen 😃👍🏼 Die Wanderung wird mir auf jeden Fall in bleibender Erinnerung bleiben. Und wie geschrieben – wenn jemand die Pilze 🍄 erkennt, gebt mir gerne Bescheid. Liebe Grüße dir
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Es sprang mir förmlich ins Auge, lach…
Leider kenn ich mich mit Pilzen so gar nicht aus, hätte dir sonst gerne geholfen.
LG 😊
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Witzig wäre es schon, je nach dem, was man mit den Büchern so vor hat. Theoretisch hätte man z. B. die Bücher ja auch recyclen wollen 😉😃 Danke dir, ich fände es spannend, die Sorten herauszufinden. Liebe Grüße, Dario 🙂
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