Von Rittern, Schlössern und Quittenschnaps [Taubertalwanderweg 2]

Wenn ich an Weikersheim und Umgebung denke, kommt mir zuerst „Mein deutsches Dschungelbuch“ (2003) von Wladimir Kaminer in den Sinn, welches ich mir als Hörbuch angehört hatte. Das Buch ist eine Sammlung von mehreren kurzen, humorvollen Geschichten über Kaminers Reisen durch Deutschland. In einer der Geschichten schrieb er über seine Lesereise nach Weikersheim, die anfangs alles andere als gut beginnt. Da er die Durchsagen im Zug akustisch nicht ganz verstehen konnte – alle Orte hörten sich für ihn gleich an – stieg er eine Station zu früh aus. Später mehr dazu.

Weikersheim gehört zu den sehenswerten Orten, durch die ich letztes Jahr auf dem Panoramaweg Taubertal durchgekommen bin. Ein anderes Highlight war auch Bad Mergentheim mit der Stuppacher Madonna von Matthias Grünewald.

Wegweiser

Etappe 3: Creglingen – Tauberrettersheim

  • Datum: 22.10.2020
  • Entfernung: 13 Kilometer

In Crailsheim erwartete mich am nächsten Morgen ein üppiges Frühstück, welches mein Gastgeber vorbereitet hatte. Am Nebentisch saßen Gäste aus einer der anderen Ferienwohnungen, eine Frau und ein Mann. Nach dem Frühstück sah ich mich ein letztes Mal in Creglingen um, verließ dann bald das hübsche Städtchen.

Ich habe die Etappe wieder sehr kurz geplant, weil ich für den Wanderweg insgesamt sehr viel Zeit hatte. Ein Zwischenziel der Tagesetappe war Röttingen, ein kleiner Ort, der sich „die Stadt der Sonnenuhren“ nennt, weil auf den Straßen überall Skulpturen von Sonnenuhren verteilt sind. Ein Sonnenuhrenweg verbindet die einzelnen Uhren miteinander. Sehenswert fand ich das Rathaus und die Burg Brattenstein.

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Zwischen Röttingen und Tauberrettersheim lief ich an Weinbergen entlang. Die Blätter der Weinreben waren in unterschiedlichste Herbstfarben getaucht. Hier hatten die einheimischen Winzer einen Weinlehrpfad errichtet.

Am Nachmittag erreichte ich mein Tagesziel, Tauberrettersheim. Um zu meinem Gasthaus zu kommen, musste ich über die berühmte Tauberbrücke gehen. Die Steinbrücke wurde von fränkischen Baumeister, Architekten und Raumplaner Balthasar Neumann im Jahr 1733 errichtet. 1980 wurde sie instandgesetzt. Die Steinbrücke würde ich als das Highlight des Ortes bezeichnen. Sie gilt als die einzige erhaltene Brücke von Neumann, der zu bedeutenden deutschen Baumeistern des Barocks zählt. Zu den wichtigsten Bauwerken von Balthasar Neumann (1687 – 1753) gehören die Würzburger Residenz und die Basilika Vierzehnheiligen.

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Da ich noch viel Zeit hatte, machte ich am Nachmittag noch einen Spaziergang durch das kleine Dorf. In der traditionellen Bäckerei neben der Dorfkirche gab es einige regionaltypischen Spezialitäten, wie die „Beschwipste Berta“, ein Gebäck mit Schuss. Am Abend war ich der einzige Gast in der Gaststätte des Hotels. Das war vermutlich auch der unsicheren Lage geschuldet.

Etappe 4: Tauberrettersheim – Bad Mergentheim

  • Datum: 23.10.2020
  • Entfernung: ca. 19 Kilometer

Die vierte Tagesetappe war voller kultureller und landschaftlicher Höhepunkte. Theoretisch hätte ich daraus zwei Tagesetappen machen können, doch dann wäre die Einteilung noch kleinteiliger geworden. Die fünf Kilometer bis zu meinem ersten Zwischenziel verliefen durch das regnerische Taubertal. Nennenswert ist die Sternwarte Weikersheim an welcher ich vorbeigekommen bin.

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Zu den Besonderheiten des Tages gehört die Besichtigung von Weikersheim. Hier erinnerte ich mich an die kurzweilige Erzählung von Wladimir Kaminer. Wie ging seine Erzählung über Weikersheim weiter? Nachdem Kaminer laut seiner Erzählung festgestellt hatte, dass er im falschen Heim ausgestiegen ist, rief er die Organisatorin der Lesung in Weikersheim an und erklärte ihr, dass er sich im Ort geirrt hatte. Sie holte ihn mit dem Auto ab, nachdem er ihr seinen Standort beschrieben hatte. Er übernachtete auch bei seinen Gastgebern, freundete sich mit ihnen an und trank mit ihnen den berühmten Quittenschnaps aus der Region, der ihm seitdem in sehr guter Erinnerung geblieben ist.

Zu viel möchte ich jedoch an dieser Stelle nicht verraten. Wer wissen will, wie die Erzählung ausgeht, kann den Erzählband lesen, oder noch besser das Hörbuch, in dem der Autor selbst seine Geschichten auf seine unnachahmliche Art und Weise vorträgt.

In Weikersheim ging ich direkt zum Schloss, von dem auch Wladimir Kaminer in seinem Buch geschrieben hatte. Das Schloss Weikersheim wurde zunächst als eine Wasserburg gebaut, von welcher heute noch einige Elemente erhalten geblieben sind, zum Beispiel der große Turm. Danach gab es einige Umbauphasen, bis schließlich im 18. Jahrhundert Graf Carl Ludwig und seine Frau Elisabeth Friederike Sophie das Schloss in eine barocke Residenz ändern ließen. Ich habe mir viel Zeit für die Besichtigung der prächtigen Innenräume und des barocken Schlossgartens mit dem Springbrunnen, der Orangerie und den vielen witzigen Steinfiguren genommen.

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Am Ausgang von Weikersheim versuchte ich eine Abkürzung zu nehmen. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie ich auf diese Idee gekommen bin, ich weiß nur, dass ich mehr als eine halbe Stunde verloren hatte, weil ich vergeblich eine alternative Streckenführung gesucht hatte. Ich vermute, dass ich nicht entlang der Straße laufen wollte. Nachdem ich mich aber mit den Gegebenheiten arrangiert hatte, lief ich weiter. Kaminer wollte ursprünglich ebenfalls eine Abkürzung nehmen, um nach Weikersheim zu kommen, er wollte jedoch schwimmend auf die andere Seite kommen, dafür war es mir doch zu kühl. Leider bin ich auch nicht dazugekommen, Quittenschnaps oder andere Produkte dieser Frucht auszuprobieren.

Als ich schließlich Bad Mergentheim erreicht hatte, ging die Sonne bereits unter. Ich lief durch den herbstlich gefärbten Schlosspark und an der Schlossanlage vorbei zu meinem Hotel.

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Stuppacher Madonna von Matthias Grünewald

Der Abend ist dann noch etwas stressig geworden. Da ich noch die „Stuppacher Madonna“ von Matthias Grünewald sehen wollte, musste ich mich beeilen, weil ich mit dem Bus nach Stuppach fahren musste, einem Dorf, welches sich mehrere Kilometer außerhalb von Bad Mergentheim befindet.

Das 1516 gemalte Kunstwerk befindet sich in einer Seitenkapelle in der der Pfarrkirche „Mariä Krönung“. Da die Kapelle mit einer Glaswand vom Rest der Kirche abgetrennt ist, konnte ich es nur aus der vorgegebenen Entfernung betrachten. Das Gemälde war bis 1577 das Mittelbild des dreiflügeligen Altas in der Maria-Schnee-Kapelle in Aschaffenburg,

Die Stuppacher Madonna vom deutschen Maler und Baumeister Matthias Grünewald (1470/1480 – nach 1529) gehört zu den bedeutendsten Werken der mittelalterlichen christlichen Kunst. Sie zählt auch neben dem Isenheimer Altar (zu sehen in Colmar, Musée d’Unterlinden) zu den berühmtesten Werken von Grünewald. Die Stuppacher Madonna ist eine Auftragsarbeit Grünewalds. Im Jahr 1532 wurde das Marienbild dem Deutschen Orden in Bad Mergentheim geschenkt. Nach der Auflösung des Ordens kam das Gemälde nach Stuppach.

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Ich hatte eine Stunde Wartezeit in Stuppach, weil der Bus nur einmal pro Stunde fuhr. Die Zeit verbrachte ich in einer kleiner Dorfkneipe, wo ich wieder der einzige Gast war. Danach fuhr ich mit dem Bus zurück und machte einen kurzen Abendspaziergang durch die Innenstadt von Bad Mergentheim, bevor ich in mein Hotel zurückkehrte.

Etappe 5: Bad Mergentheim – (Ober-)Lauda

  • Datum: 24.10.2020
  • Entfernung: 19 Kilometer

Am nächsten Morgen nahm ich mir genug Zeit, um mich in Bad Mergentheim umzusehen. Die Etappe teilte ich wieder kurz ein, damit ich genug Zeit für die Stadtbesichtigung habe.

Von 1525 bis 1809 war das Schloss Bad Mergentheim Sitz des Deutschen Ordens. Seine Hoch- und Deutschmeister ließen es nach und nach umbauen – von der mittelalterlichen Wasserburg zum prächtigen Barockschloss. Dies erinnerte mich an die Baugeschichte des Schlosses in Weikersheim.

Zu meinen Hauptzielen der Stadtbesichtigung gehörte die Marienkirche mit dem neugotischen Hauptaltar, auf dem sich eine Pietá befindet, die stilmäßig ins 14. Jh. gehört. Das Gnadenbild wird als die „Mutter von ganz Mergenthal“ bezeichnet. Die Pietá wird der Riemenschneider-Schule zugeschrieben. Vor dem Hauptaltar stehen zwei Figuren, die Hl. Katharina und der Hl. Dominikus.

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Der Deutsche Orden war sehr wichtig für Bad Mergentheim. Das Schloss des Ordens dominierte sowohl das Bild als auch das Leben der Stadt. In der Zeit des Deutschen Ordens diente der Pfarrgang als Verbindungsweg vom Deutschordensschloss zur Stadtkirche St. Johannes.

Der Tag war sonnig und warm. Nachdem ich mir genug Zeit genommen hatte, um mich in Bad Mergentheim umzusehen, ging ich weiter nach Lauda. Der Wanderweg führte mich zunächst über Obstwiesen zu einer Anhöhe, von welcher aus ich die Gelegenheit hatte, den Blick über Bad Mergentheim schweifen zu lassen.

Panorama von Bad Mergentheim

 

Witzig fand ich den Wanderbriefkasten, den ich unterwegs gesehen hatte. Darin können Wanderer Botschaften für die anderen Wanderer hinterlassen und sich bei den Wegepaten für die Pflege der Wege bedanken.

Das Weindorf Sachsenflur hat es mir besonders angetan, weil es sehr idyllisch aussah. Da es schon spät war, war ich mir nicht sicher, ob es sich lohnen würde, dafür den Wanderweg zu verlassen. Eine vorbeikommende Dorfbewohnerin erklärte mir, dass dort ohnehin alles geschlossen ist. Ich beschloss weiterzugehen.

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In Lauda machte ich Mittagspause in einem Restaurant und sah mich anschließend in der Altstadt um. Eine Besonderheit war eine ausrangierte Lokomotive der Deutschen Bahn, die einige Meter nach dem Bahnhof als Denkmal aufgestellt wurde.

In einer Gasse hingen bunte Gießkannen auf Seilen, die zwischen den gegenüberliegenden Häusern aufgespannt waren. Sehenswert fand ich den Narrenbrunnen, den Pulverturm und das Obere Tor, durch welches ich hindurchgehen musste, um nach Oberlauda zu kommen. In einem Supermarkt deckte ich mich mit Nahrungsmitteln für das Abendessen ein.

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Am Abend ging ich nach Oberlauda, wo ich in einer Unterkunft in einer Art kleinem Schloss übernachtet hatte. Das Dorf liegt ungefähr 1,5 Kilometer von Lauda entfernt. Obwohl Oberlauda nicht auf dem Taubertalwanderweg liegt, ist es lohnenswert, diesen Abstecher zu machen.

Laut einer Tafel ist das Schloss, in dem ich in Oberlauda übernachtet hatte, das Geburtshaus des Landesherrn Herzog von Franken Johannes Gottfried von Aschhausen (1575 – 1622), Fürstbischof von Würzburg-Bamberg. Ich habe mir die Besichtigung des Dorfes für den nächsten Morgen aufgehoben, aber die Gebäude, die ich bis dahin gesehen hatte, fand ich sehr interessant. Erwähnenswert finde ich auch die Skulptur eines Bauers mit der Milchkanne auf dem Volapükplatz.

Ich freute mich auf den nächsten Tag, weil dann meine Freundin mit dem Zug nach Lauda kommen sollte, um mich die letzten Tage auf dem Wanderweg zu begleiten.

Quellen

Titelfoto: Bad Mergentheim, Fotorechte: Dario schrittWeise
http://www.stuppacher-madonna.de/index.php?id=12
https://www.schloss-weikersheim.de/erlebnis-schloss-garten/schloss
https://www.liebliches-taubertal.de/Kultur/Kunst/Balthasar-Neumann.html
Kaminer, Wladimir; "Mein deutsches Dschungelbuch", 2003

2 Kommentare zu „Von Rittern, Schlössern und Quittenschnaps [Taubertalwanderweg 2]

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