Die Künstlervereinigung „Die Brücke“ und der Expressionismus

Auf dem Gemälde ist eine grüne Wiese erkennbar. Die rechte Hälfte des Bildes wird von einem Baum überragt. Der horizontale Bildaufbau besteht aus drei, teilweise gleichmäßigen Bereichen. Im Vordergrund gibt eine grüne Wiese der Komposition Halt. Der schmale blaue Streifen lässt eine Vermutung zu, dass es sich dabei um ein Gewässer handelt. Der mittlere Bereich deutet einen stufenweisen Übergang zur dritten Bildebene an. Die Gruppe von vier unbekleideten Personen geht in der kräftigen Farbkomposition beinahe unter. Auch sie befindet sich in einem Geflecht aus fünf vertikalen Bereichen. Die Figuren besetzen dabei insgesamt 3/5 des Bildes, die beiden äußeren Ebenen hat der Maler freigelassen.

Das Gemälde „Spielende nackte Menschen“ von Ernst Ludwig Kirchner steht exemplarisch für einige Grundtendenzen aus der Anfangszeit der Künstlervereinigung „Die Brücke“. Die Linien des Bildes wirken wie zufällig gemalt und doch sind sie klar aufeinander abgestimmt. Die intensiven Farben und schroffe Formen trug Kirchner breit und mit steifen Konturen auf. Die Mitglieder der Vereinigung malten gerne derartige kantige Figuren, an Holzschnitte des Mittelalters und afrikanische Plastiken angelehnt. Aktbilder und Naturdarstellungen, wie auf dem Gemälde, waren beliebte Themen. Die Arbeiten der „Brücke“ gehören eindeutig zum Expressionismus, der als eine Stilrichtung der Kunst, aber als auch ein Lebensgefühl verstanden werden kann. Als ein Gegenpol zum Naturalismus stellte der Stil die Gefühle, das Wahrnehmen des Künstlers und nicht das Sehen, das bloße Abbilden der Wirklichkeit in den Vordergrund.

Beiträge über den Expressionismus

Wer mehr über die Ursprünge und die Künstler/innen des Expressionismus erfahren möchte, kann dies in meinen bisherigen Beiträgen tun:

Die Künstlervereinigung „Die Brücke“

Die Künstlergruppe „Brücke“ wurde im Jahr 1905 in Dresden gegründet. Die Gründungsmitglieder waren Architekturstudenten Ernst Ludwig Kirchner (1880 – 1938), Karl Schmidt-Rottluff (1884 – 1976), Erich Heckel (1883-1970) sowie Fritz Bleyl (1880-1966). Bleyl trat jedoch bald wieder aus. Die „Brücke“ gehörte neben dem „Blauen Reiter“ zu den einflussreichsten Künstlergruppen des deutschen Expressionismus. Weitere Mitglieder kamen hinzu, unter anderem Max Pechstein (1881 – 1955), Otto Mueller (1874 -1930) sowie Emil Nolde (1867-1956). Doch auch Nolde blieb nicht lange.

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E. L. Kirchner – eigenes Foto, Bild-PD-alt, Link Die Maler der „Brücke“, 1925, (v. l. n .r): Mueller, Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluff, Quelle: de.wikimedia.org

Der Ursprung des Namens des Künstlerbundes „Die Brücke“ ist nicht ganz geklärt. Karl Schmidt-Rottluff, einer der Gründungsmitglieder, schlug den Namen „Brücke“ vor, weil dieser in seinen Augen passend sei, weil er sowohl für eine Verbindung zwischen der alten und neuen Kunst, als auch für Erneuerung stand.

Die Vorbilder der Brücke-Künstler waren unter anderem van Gogh, Edvard Munch und Gaugin. Diese Einflüsse führten sie zu einer anderen Künstlergruppe, den Fauvisten. Mit ihnen hatten sie einen regen Austausch, die Künstler nahmen sogar 1908 auf der dritten Ausstellung der Brücke in Dresden teil. Auch Kubismus und Symbolismus spielten eine wichtige Rolle, insbesondere in der späten, der „Berliner Phase“ der Gruppe. Stilistisch waren auch die afrikanische und ozeanische Kunst prägend, was in der Farbgestaltung und Figurendarstellung des Gemäldes „Spielende nackte Menschen“ von Kirchner unschwer zu erkennen ist.

Das Programm der „Brücke“ war nicht so umfassend wie jenes der zweiten deutschen expressionistischen Künstlervereinigung „Blauer Reiter“. Die zwei prägendsten Sätze des Brücke-Manifests lauteten: „Mit dem Glauben an die Entwicklung an eine neue Generation der Schaffenden wie der Genießenden, rufen wir alle Jugend zusammen – und als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen drängt.“ Kirchner machte 1906 ein Holzschnitt mit dem Programm der „Brücke“. Die Abdrücke wurden an die “passiven“ Mitglieder verschickt und lagen bei Kunstausstellungen der Gruppe aus.

Im Jahr 1911 zogen nach und nach alle bedeutenden Brücke-Künstler aus Dresden nach Berlin um, weil sie sich dort mehr Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erhofften. Hier änderten sich auch der grundlegende Stil und die Themenwahl der Künstlervereinigung. Während bis dahin die Naturerfahrung im Vordergrund stand, prägte in Berlin die Auseinandersetzung mit dem Leben in der Großstadt ihr künstlerisches Schaffen. In Berlin entfernten sich aber auch die Künstler zunehmend voneinander. Im Mai 1913, zwei Jahre nach der Änderung ihres Lebensmittelpunktes und ein Jahr vor dem großen Krieg, löste sich „Die Brücke“ auf. Ein Grund bestand darin, dass Kirchner eine „Chronik der Brücke“ geschrieben hatte, mit der die anderen Mitglieder nicht zufrieden waren. Außerdem hatten die Künstler immer weniger gemeinsam.

Nur acht Jahre blieb die Gemeinschaft zusammen und doch war ihr Einfluss auf die Kunst bedeutend, nicht nicht auf den Expressionismus. Viele der Brücke-Künstler setzten ihre Arbeit nach der Auflösung der Gruppe alleine fort und entwickelten ihren individuellen Stil weiter. Der Expressionismus als Lebensgefühl, Kunstverständnis und eine Stilrichtung beschränkte sich nicht auf die bildende Kunst, sondern beeinflusste auch die Literatur, Architektur, Musik, Tanz, Theater usw. Unvergessen sind zudem die Klassiker des expressionistischen Films „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (Robert Wiene, 1919/1920), „Der Golem, wie er in die Welt kam“ (Paul Wegener, 1920), „Dr. Mabuse, der Spieler“ (Fritz Lang, 1922) oder „Nosferatu, eine Symphonie des Grauens“ (Friedrich Wilhelm Murnau, 1922), die von den Gemälden der Expressionisten beeinflusst wurden.

 

Quellen

Titelfoto: Ernst Ludwig Kirchner: Spielende nackte Menschen, 1910/11, wikimedia.org
Ernst Ludwig Kirchner - eigenes Foto, Bild-PD-alt: Die Maler der „Brücke“, 1925, (v. l. n .r): Mueller, Kirchner, Heckel, Schmidt-Rottluff, Quelle: de.wikipedia.org
Muller, Joseph-Émile: Lexikon des Expressionismus, Köln 1972
https://sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/programm-der-kuenstlergruppe-bruecke
https://www.deutschlandfunk.de/schoepferische-arbeit-in-freier-natuerlichkeit.871.de.html?dram:article_id=248414
https://m.faz.net/aktuell/feuilleton/kuenstlergruppe-bruecke-wer-malt-der-nation-das-aushaengeschild-1233218.html
https://www.bruecke-museum.de/de/sammlung/kuenstler/

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