Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge [1.3]

Während Alrond in der ersten und zweiten Fortsetzung der Erzählung „Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge“ seinen Mitreisenden über eine unheimliche Begegnung erzählt, fährt der Planwagen in eine Schlucht. Kurz darauf stellte der Wagenfahrer Tuson fest, dass in der Schlucht etwas nicht in Ordnung ist.

Was bisher geschah

Geschichten aus dem Blauen Nebelgebirge – eine fantastische Erzählung, Teil 3

„Eine Steinlawine!“, warnte Tuson seine Fahrgäste, „haltet euch gut fest“. Er trieb die Pferde mit lauten Rufen und zog kräftig an den Riemen. Der Wagen schnellte vor. Im Inneren wurden die Passagiere kräftig durchgerüttelt. Alrond umklammerte den Holzrahmen des Wagens, Gelas schien seine Waren zu beschützen und Ysella hielt sich an der Sitzbank fest.

Ein lautes Krachen war zu hören. Mächtige Steinmassen stürzten hinter ihnen auf den Weg, der Boden bebte und die Pferde wieherten aufgebracht. Tuson gönnte ihnen keine Pause und trieb sie weiter an, weil sich die nächste Lawine anbahnte.

Zwei Steine rissen Löcher in die Plane und krachten auf den Wagenboden. Gelas rettete sich mit einem Sprung zur Seite. Ein faustgroßer Stein zerbarst auf der Stelle, wo er bis dahin saß. Ein Steinsplitter traf Alrond am Oberschenkel.
„… Elender!“ fluchte Alrond, „das hat mir noch gefehlt“. Mit einem Ruck zog er mit schmerzverzehrtem Gesichtsausdruck den Splitter aus der Wunde.

Die Schlucht bebte weiter. Dauernd fielen Steine und Felsen herab, die den Staub aufwirbelten und die Situation noch unübersichtlicher machten.

Tuson konnte den Wagen im letzten Moment zum Stehen bringen. Ein Steinschlag donnerte vor dem Leitpferd auf die Erde.
„Bitte gut festhalten“, übertönte der schwitzende Wagenlenker den Krach, „ich habe eine Felsspalte gesehen. Sie ist groß genug für uns.“
Die Wageninsassen schauten sich besorgt an.

„Heja, meine Pferdchen, zeigt uns, was in euch steckt!“ schrie Tuson noch lauter, „ich werde euch heute Abend den besten Hafer geben“, er hielt seine Hände vor Mund und Augen, um sie vor dem Staub zu schützen.
Die Pferde waren entsetzt vor Angst. Tuson hatte größte Mühe, sie zu beruhigen und zu lenken. Er manövrierte den Wagen in die Felsspalte. Der Durchgang war so schmal, dass die Wagenseiten abwechselnd gegen die Felsen schrammten. Der Staub war so dicht, dass Tuson kaum etwas sehen konnte. Er ließ seine Pferde einfach geradeaus traben. Mensch und Tier husteten.

Nach mehreren bangen Minuten fuhr der Wagen wackelnd aus der Felsspalte heraus. Eine weitere Steinlawine fiel herunter.

Von der Stoffplane des Wagens ist nicht viel übrig geblieben. Auf den Holzbalken der Plane hingen nur noch zerrissene Stofffetzen. Es dauerte mehrere Minuten, bis sich der Staub gelegt hatte. Keiner sagte etwas.

Tuson stieg vom Wagen, um nach seinen Passagieren zu sehen
„Geht es euch gut?“ erkundigte er sich. Er betastete seinen rechten Arm mit schmerzverzerrtem Gesicht.
„Mhm“, antwortete Alrond, „einigermaßen. Ich habe einige Treffer abbekommen.“
„Du blutest ja“, machte Ysella Gelas auf eine Wunde im Gesicht aufmerksam.
„Nur ein Kratzer“, antwortete der Händler, „ich glaube, Alrond hat es schlimmer erwischt.“
„Ein Steinsplitter hat sich in meinen Oberschenkel gebohrt, ich habe ihn gleich entfernt. Die Wunde blutet noch ein wenig, die Schmerzen halten sich aber in Grenzen.“
„Ich kann euch verarzten“, sagte Tuson, „ich habe Erfahrung mit Verletzungen. Aber lasst mich zuerst eure Wunden versorgen.“

Tuson holte eine braune Stofftasche, die er unter seiner Fahrerbank aufbewahrt hatte. Sie setzten sich um den Wagen oder vielmehr um das, was davon übriggeblieben ist. Ysella setzte sich auf das Gras, Alrond auf einen Baumstamm und Gelas lehnte sich an einen Stein. Tuson behandelte ihre Verletzungen mit den Stofflaken und Tinkturen aus seiner Tasche. Sie saßen eine Zeitlang da, ohne etwas zu sagen.

„Was glaubt ihr, war das gerade?“ unterbrach Tuson schließlich die Stille.
„Könnte es eine Art Erdbeben gewesen sein?“ grübelte Gelas.
„Vielleicht eine Lawine oder Erdrutsch“, führte der improvisierende Feldheiler den Gedanken weiter.
„Auf jeden Fall eine natürliche Ursache?“ hakte Ysella nach.
„Wie soll es sonst passiert sein? Sollten uns Waldgeister angegriffen haben?“ Gelas sah lachend in Alronds Richtung. Der Chronist schwieg nachdenklich.
„Du sagst nichts dazu? Meinst du, es waren Menschen oder Ungeheuer im Spiel?“ fragte Ysella Alrond.
„Ich weiß es nicht, möchte aber nichts ausschließen. Ich weiß nur, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Felsen nur zufällig genau in dem Moment abgestürzt sind, als wir durch die Schlucht gefahren sind.“
„Wie dem auch sei, ich möchte hier keine Wurzeln schlagen“, dachte Tuson laut nach, „wenn wir uns etwas erholt haben, möchte ich bald weiterfahren.“

„Uhuhu, ich bin der böse Hornwicht“, witzelte Gelas, „doch seht her, was ich für euch habe. Zum Glück habe ich noch essbaren „Krempel“ dabei.“ Er öffnete ein Holzfass, das noch unbeschadet auf dem Wagen stand. Markanter Duft bereitete sich
„Ahh, gepökeltes Fleisch.“ freute sich Alrond.
„… mit etwas Brot und … Hisonauer Bier.“ fügte Gelas hinzu. Alle lachten.

„Wo hast du gelernt, so mit Verletzungen umzugehen?“ wollte Ysella von Tuson wissen, während sie aßen.
„Ach, das ist eine lange Geschichte, ich hatte sowohl in meinen Arbeitsjahren als Wagenlenker als auch im Krieg von Fodden Kontakt mit vielen Kranken und Verletzten.“
„Du hast im Foddenischen Krieg gedient?“ wunderte sich Alrond.
„Ja, an der Seite von König Cederic II. Eine schreckliche Zeit. Zum Glück sind diese Jahre vorbei.“

Nach dem einfachen Mahl begutachtete Tuson die Schäden am Wagen. Ysella und Alrond halfen ihm bei der Reparatur. Der Wagenfahrer kümmerte sich um die Pferde, die sich in der Zwischenzeit beruhigt hatten.

„Mehr können wir nicht tun, der Wagen wird 30 bis 40 Kilometer fahren können. Wir sollten zum nächsten Ort fahren und jemanden finden, der meinen Wagen reparieren kann.“
„Ein guter Plan, dann kommt nur Nebelheim in Frage“, stellte Alrond fest.
„Ja, du hast recht, die Siedlung liegt zwar nicht unbedingt auf dem direkten Weg nach Phoenixstein, aber wir werden nicht viel Zeit verlieren.“
„Vielleicht finde ich dort bereits einige Abnehmer für meine Waren. Dann war dieser Umweg gar nicht so verkehrt“, freute sich der Händler.
„Dann sollten wir uns hier nicht länger unnötig aufhalten“, dachte Tuson nach, „wir wissen zwar nicht, was die Steine zum Abstürzen gebracht hat, aber am sichersten wäre es, bald nach Nebelheim zu fahren.“
„Ich bin deiner Meinung. Fahren wir los.“, stimmte ihm Alrond zu.

Die Reisegruppe setzte sich auf den provisorisch reparierten Pferdewagen. Tuson trieb die Pferde an. Die Fahrt verlief wie gewohnt holprig.

Nach wenigen Stunden sahen sie die Umrisse von Nebelheim vor sich. Um die Siedlung herum hatten die Bewohner eine Wehrmauer aus Holz errichtet. Je näher sich kamen, desto mehr Details konnten sie erkennen. Die Ringmauer umfasste sechs Türme, zwei bewachte Tore führten in die kleine Siedlung. Die Häuserdächer überragte ein Beobachtungsturm in der Ortsmitte.

Vor dem überdachten Südtor standen zwei Wachposten in Lederrüstungen mit mehreren Plattensegmenten. Einer der beiden lehnte gelangweilt an seiner Lanze und der andere bemühte sich um Haltung, als er sie herannahen sah. Der Eifrige fragte sie:

„Heda, wer seid ihr? “
„Huiii, ruhig“, der erfahrene Wagenlenker brachte seine Pferde zum Stehen, „wir sind auf der Durchreise, mein Wagen hat einige Schäden, die wir von eurem Schmied reparieren lassen möchten“.

Der gelangweilte Wachposten musterte sie und kaute an einem Stück Holz. Er spuckte geräuschvoll aus.
„Derzeit dürfen wir nicht jeden reinlassen. In der Gegend passieren seltsame Dinge …“ erklärte er, ohne von seinem Holzstück abzulassen.

Hier geht es zur 4. Fortsetzung

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