Bei Gaudí in Astorga [Camino Francés XI]

Meine erste Begegnung mit der Kunst von Gaudí hatte ich vor mehr als 20 Jahren bei meiner ersten Reise nach Barcelona. Der Architekt Antoni Gaudi (1852 – 1926) ist insbesondere für seine Bauwerke im Modernisme-Stil bekannt, einer katalanischen Ausprägung des Jugendstils. Die meisten seiner Gebäude entwarf er in Barcelona, der Bischoffspalast von Astorga gehört neben der Casa Botines, zu den wenigen Werken, die er außerhalb Kataloniens entworfen hatte.

Astorga ist seit dem Mittelalter eine wichtige Station für die Pilger, weil hier zwei bedeutende Jakobswege zusammenfließen, der Camino Francés und die Via de la Plata, die eine ehemalige Römerstraße ist.

Den letzten Abschnitt von Burgos nach Santiago de Compostela widme ich meinem lieben Freund J., mit welchem ich 2015 zum ersten Mal als Pilger auf dem Camino del Norte nach Santiago de Compostela gelaufen bin.

Wegweiser

Etappe 21: Léon – Villar de Mazarife

  • Datum: Montag, 27.09.2021
  • Entfernung: 20 Kilometer

In Léon frühstückte ich am nächsten Morgen in der Unterkunft. Der Abend ist länger geworden, aber es hat Spaß gemacht. Das Frühstück wurde in der Küche des wohnungsartigen Hostels serviert. Einer der Langzeitgäste saß ebenfalls am Tisch. Die Situation verstärkte mein Gefühl, dass ich in einer WG übernachtet hatte.

Ich beschloss, erneut in die Innenstadt zu gehen, obwohl ich dadurch Zeit verlieren würde. In der Touristeninformation, die spät geöffnet hatte, holte ich mir den Abdruck des Pilgerstempels von Léon ab.

Léon am Morgen war sehr geschäftig, viele Pilgerinnen und Pilger liefen umher, ich traf viele bekannte Gesichter und unterhielt mich mit einigen.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Nachdem ich einen letzten Blick auf die Kathedrale geworfen hatte, sah ich in einem Café Anja und Florian aus Slowenien. Ich unterhielt mich kurz mit ihnen, ging aber bald weiter, weil die Zeit fortgeschritten war und die ganze Tagesetappe vor mir lag.

Auf dem Weg durch Léon lief ich am Kloster San Marco aus dem 12. Jahrhundert vorbei. Früher wurde es als Krankenhaus für Pilger verwendet und heute ist es ein Luxushotel und Museum. Die nächste Station war ein Park mit freilaufenden Pfauen. Ein Anblick, den man so nicht häufig sieht. Vor mir ging eine Zeil lang ein einzelner Pilger, der einen gehörigen Zug draufhatte.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Der Weg durch die Vororte zog sich lange, die Silhouette von Léon begleitete mich den ganzen Vormittag. Von einem Hügel blickte ich auf Léon zurück. Hier waren auf einem Feld kleine, traditionelle Keller wie Hobbithöhlen nebeneinander gereiht.

Die Nodicia de Kesos

In der Nähe des Dorfes Chozas de Abajo stand eine historische Tafel. Die Grafik und der Text wiesen mit auf ein sprachgeschichtlich bedeutendes Schriftstück hin, das unter der Bezeichnung „Nodicia de Kesos“ in die Geschichte eingegangen ist. Diese simple „Käsenotiz“ wäre inhaltlich nicht der Rede wert, wenn es sich nicht um das älteste bekannte spanischsprachige Schriftstück handeln würde. Es ist nicht auf Lateinisch, sondern in einem iberoromanischen Dialekt verfasst, einem Vorläufer des heutigen Spanisch. Das Original wird heute im Archiv der Kathedrale von León aufbewahrt.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

In Villar de Mazarife

Einige Kilometer vor meinem Tagesziel Villar de Mazarife begegnete ich die Pilgerin Diyana aus Bulgarien. Wir liefen einen Teil des letzten Abschnitts gemeinsam. Bald kamen wir ins Gespräch. Sie erzählte mir, dass sie gerade ein Motivationsproblem mit dem laufen hätte. Ich konnte sie gut ablenken, wie es sich später herausgestellt hatte.

Am Nachmittag kam ich in Villar de Mazarife an. Auch Kosta aus Zypern und Diyana waren da. Diyana erkannte Kosta, weil sie ihn auf Instagram und YouTube folgt. Sie lebte länger auf Zypern und erkannte ihn so wieder. Kosta reiste für mehrere Monate auf seinem Motorrad durch Europa und veröffentlichte Text- und Video-Beiträge dazu.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Den Abend verbrachte ich in lockerer Runde mit anderen Pilgerinnen und Pilgern. Einer davon war Max aus der Nähe von München. Er lief am Vormittag vor mir. Max erzählte uns von seinen Erfahrungen auf mehreren Jakobswegen. Er hatte sogar seinen eigenen Pilgerstempel dabei, den er uns in unsere Pilgerpässe abgestempelt hatte.

Unter den Pilgern waren auch Anja und Florian aus Slowenien. Im Gespräch mit ihnen verstand ich, dass ich sie mit dem anderen Paar aus Slowenien, Nika und Tadej, verwechselt hatte.

Etappe 22: Villar de Mazarife – Astorga

  • Datum: Dienstag, 28.09.2021
  • Entfernung: ca. 27,5 Kilometer

Am nächsten Morgen verließ ich früh Villar de Mazarife. Ich wollte nicht zu spät in Astorga ankommen, zumal ich etwas weniger als 30 Kilometer zu laufen hatte.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Die Legende von Puente de Órbigo

Auf dem Weg nach Astorga überquerte ich die Puente de Órbigo aus dem 13. Jahrhundert. Um die mittelalterliche Steinbrücke ranken sich mehrere Legenden. Die bekannteste ist die des Don Suero, der geschworen hatte, jeden Donnerstag zu fasten und einen schweren Eisenring um den Hals zu tragen, bis er in ritterlichen Duellen 300 Nichtspanier besiegt hatte, welche die Brücke über den Órbigo überqueren wollten. Auf diese Weise wollte er ein Versprechen seiner Ritterbruderschaft mit seiner Geliebten Doña Leonor einlösen.

Der Ritter aus Léon schaffte es zwar nicht, 300 Lanzen zu brechen, aber die Richter des Wettstreits befreiten ihn zur Belohnung für seine Tapferkeit von seinem Halsring. Aus diesem Grund ist die Brücke auch unter der Bezeichnung „Passo Honroso“, der Ehrenübergang, bekannt.

Ich machte Mittagspause in einem Café in Hospital de Órbigo, auf der anderen Seite der Steinbrücke und setzte danach meine Pilgerschaft fort.

Eine weitere Ortschaft auf der Strecke war Santibanez de Valdeiglesias, ich blieb aber nur sehr kurz dort.

In der Oase

Zu den Höhepunkten des Tages gehörte für mich auch eine kleine Oase auf dem Weg. Sie hat ein Mann eingerichtet, der scheinbar selber dort lebte. Es war eine Art Garten mit Erholungs- und sogar Schlafplätzen. Wer wollte, könnte dort übernachten. Im Eingangsbereich richtete er einen Tisch mit Essen und Getränken ein, die Pilger:innen auf Spendenbasis nehmen konnten.

Ich habe mich ein wenig mit ihm unterhalten. Er hat mir erzählt, dass er nichts im Gegenzug erwartet. Jeder kann sich frei bedienen und die Ruhe genießen. Die Spende ist freiwillig. Ich fragte mich, wie er das alles finanzieren würde, aber dies blieb sein Geheimnis. Er wirkte sehr freundlich und großzügig auf mich.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Astorga

Der Abstieg von der Oase in die Stadt war beeindruckend. Der Ausblick ging bis zum Horizont. Ich erinnere mich allerdings, dass ich den Tag heiß fand und mich freute, als ich in der Pilgerherberge angekommen bin. Die ehrenamtlichen Helfer waren in Plauderlaune, als sie mich empfangen hatten.

Ich bekam ein Viererzimmer mit zwei Stockbetten. Mit mir im Zimmer waren Hendrik aus den Niederlanden sowie Nika und Tadej. Nach einer kurzen Verschnaufpause ging ich mit Hendrik in die Innenstadt. Zunächst zum Rathausplatz.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Römisches Erbe

Hendrik und ich sahen und auch die Zeugen der antiken Ursprünge der Stadt an. Astorga wurde als eine römische Siedlung Asturica Augusta gegründet. Noch heute können an vielen Stellen im öffentlichen Raum deren Überreste entdeckt werden, z. B. die Überbleibsel der römischen Stadtmauer sowie Fundamente einer Patriziervilla oder des Stadtforums. Einige davon konnten wir am Nachmittag besichtigen.

Kathedrale

Eine wichtige Anlaufstelle für die Pilger ist natürlich die spätgotische Kathedrale. Sie zählt zu den bedeutendsten Bauwerken der Stadt. Die Kathedrale der Heiligen Maria von Astorga wurde auf den Fundamenten einer romanischen Vorgängerkirche aus dem 8. Jahrhundert errichtet.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Der Gaudí-Palast

Für mich war es in Astorga am wichtigsten, neben der Besichtigung der Kathedrale, zum Bischoffspalast, auch Gaudí-Palast genannt, zu gehen, es zumindest von außen zu betrachten.

Das 1887 von Gaudí entworfene Gebäude soll eine Burg, eine Kirche und ein Herrenhaus in einem verkörpern. Der damals 35 Jahre alte Architekt ging darin auf die Geschichte von Astorga ein, setzte dabei seinen eigenen, neogotischen Stil ein. Gaudis Entwürfe ließ der Architekt Ricardo García Quereta umsetzen.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Am Abend kehrte ich in die Unterkunft zurück. Sie erinnerte mich an eine große Jugendherberge. Der Blick von der Terrasse auf die nächtliche Silhouette der Stadt hatte etwas Beruhigendes. Hier lernte ich neue Pilger kennen, wie Mario aus Italien, der es amüsant fand, dass wir ähnliche Namen haben. Auch einige der Hospitaleros, ehrenamtlichen Helfer, waren auf der Terrasse, um den Tag ausklingen zu lassen.

Der Blick vom der Terrasse der Pilgerherberge

Quellen

Titelbild: Gaudí-Palast, Fotorechte: Dario schrittWeise
https://www.spain.info/de/highlights/kathedrale-santa-maria-astorga/
https://www.spain.info/de/highlights/bischofspalast-astorga/
https://astorga.co/de/(zuletzt abgerufen am 29.04.22)

6 Kommentare zu „Bei Gaudí in Astorga [Camino Francés XI]

Gib deinen ab

Schreibe mir gerne einen Kommentar :-)

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..

Erstelle eine Website oder ein Blog auf WordPress.com

Nach oben ↑

%d Bloggern gefällt das: