Die Tagesetappe nach Burgos war meine letzte Etappe auf dem Camino Francés im Jahr 2019. Ich plante die Etappe so, dass ich am Nachmittag noch genug Zeit hatte, um mir die spanische Stadt anzusehen. Ich fand die Stadt überwältigend. Allein die Besichtigung der prachtvollen gotischen Kathedrale dauerte mehrere Stunden.
Burgos wurde als militärischer Stützpunkt gegründet. Doch im Mittelalter entwickelte sich die Stadt zu einer bedeutenden Handelsstadt. Die wirtschaftliche Blüte begünstigten der Jakobsweg Camino Francés sowie der Handel mit Merinowolle. Fünf Jahrhunderte lang, vom 10. bis zum 15. Jahrhundert, war Burgos die Hauptstadt des Königreichs Kastilien-León. Das einstige Königreich ist heute eine autonome Region. Das bedeutendste Bauwerk der Stadt ist die gotische Kathedrale.
Wegweiser
- Beitrag 21: Aroue – Saint-Jean-Pied-de-Port (Etappen 32 und 33, Via Podiensis)
- Hintergründe über Camino Francés
- Beitrag 1: Saint-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles (Camino Francés – 1. Etappe)
- Beitrag 2: Roncesvalles – Pamplona (Camino Francés – 2. und 3. Etappe)
- Beitrag 3: Pamplona – Sansol (Camino Francés – 4. und 5. Etappe)
- Beitrag 4: Sansol – Logroño (Camino Francés – 6. und 7. Etappe)
- Beitrag 5: Logroño – Santo Domingo de la Calsada (Camino Francés – 8 und 9. Etappe)
- Beitrag 6: Santo Domingo de la Calsada – Atapuerca (Camino Francés – 10 und 11. Etappe)
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Etappe 12: Atapuerca – Burgos
- Datum: 03.10.2020
- Entfernung: ca. 20 Kilometer
Die Herberge in Atapuerca war zum Glück nicht so groß und überfüllt wie in den anderen Orten auf dem Camino Francés, in welchen ich bis dahin übernachtet hatte. Mein Begleiter Peter und ich setzten unseren Aufwachrhythmus fort und brachen vor dem Sonnenaufgang auf. Zum Frühstück aßen wir in einem anderen Café, das unweit von der anderen Bar war, in der wir am Vortag gegessen hatten. Hier trafen wir auch wieder einen der anderen beiden Peters, den wir „Peter aus Köln“ nannten. Der Umstand, dass es drei Peters gab, war eine Art Running Gag zwischen uns geworden.
Nach den ersten Kilometern stieg der Weg merklich an. Hier führt er für einige Hundert Meter an der Absperrung zu einem militärischen Schutzgebiet entlang. Den Aufstieg genossen wir mit dem Sonnenaufgang im Rücken. Vom Gipfelkreuz des kleinen Berges bot sich ein beeindruckender Anblick.
Im kleinen Dorf Cardenuela Riopico auf dem Weg machten wir eine kurze Pause, weil wir wussten, dass es bis zu unserem Etappenziel keine weitere Möglichkeit dafür geben wird. Den Rest der Etappe legten wir an einem Stück zurück. Im Dorfcafé trafen wir Peter aus Köln wieder und er beschloss, den Rest des Tages mit uns zu laufen.
Laut mehreren Berichten anderer Pilger und den Beschreibungen in den Pilgerführern war der zweite Teil des Weges nicht sehr ansehnlich. So ist es häufig vor großen Orten. Bei Basel oder Beaune im Burgund war es ähnlich. Deswegen wollten wir eine alternative Route ausprobieren, die im Pilgerbuch empfohlen wird. Jedoch fanden wir den Weg auch nicht so berauschend, führte er uns doch zu einem Zaun, den wir umgehen mussten und später über eine stark befahrene Straße. Wir nahmen es mit Humor. Immerhin hatten wir den Weg nur für uns allein und endlich wieder ein wenig Ruhe.
Die letzten 3 bis 4 Kilometer vor Burgos entschädigten uns für den unansehnlichen Weg, weil wir entlang des Flusses Arlanza durch ein Naherholungsgebiet der spanischen Großstadt liefen.
In Burgos
Am frühen Nachmittag erreichten wir Burgos und liefen in unsere Unterkunft. Für Peter aus Köln und mich war die Stadt vorerst Endstation. Ohne uns abzusprechen buchten wir alle drei jeweils ein Zimmer im gleichen Hostel.
Nachdem wir unsere Sachen in den Zimmern abgestellt und uns frisch gemacht hatten, gingen wir in die Innenstadt, um etwas zu essen. Im Restaurant schlug ich vor, ein Abendessen zu organisieren, zu dem wir mehrere uns bekannte Pilger einladen würden, die an jenem Tag ebenfalls in der Stadt waren. Meine Tagesbegleiter fanden die Idee auch gut. Da wir wussten, dass der Abend warm sein wird, reservierten wir einen Tisch in einem Restaurant mit Außenbereich.
Ich nahm mir genug Zeit für die Stadtbesichtigung. Burgos ist für einen typischen Pilgerort sehr groß, hier leben ca. 175 000 Einwohner. Die Gebäude sind häufig monumental, überall sind Skulpturen von Figuren verteilt, die einer alltäglichen oder für die Region typischen Tätigkeit nachgehen, beispielsweise ein Zeitungsleser oder zwei Teilnehmer einer ortsspezifischen Prozession. Vor dem Museum der menschlichen Evolution, das den Ausgrabungen in Atapuerca gewidmet ist, stehen Skulpturen zweier Frühmenschen und des berühmten Schädels.
Beeindruckend fand ich auch die Reiterskulptur des berühmten Ritters El Cid, Rodrigo Díaz de Vivar (* ca. 1045 – 1099), der an der Rückeroberung Spaniens, der Reconquista, teilgenommen hatte. Er wurde mit seiner Gemahlin Jimena in der Kathedrale von Burgos begraben.
Die meiste Zeit nahm ich mir für den Besuch der Kathedrale vor. Sie gehört in ihrer Gesamtheit seit 1984 zum UNESCO Weltkulturerbe. Es war die erste Kirche der iberischen Halbinsel, die nach dem französischen Vorbild im gotischen Stil errichtet wurde. Diesen Eindruck vermittelte auch das Aussehen des Gebäudes.
Das Äußere des monumentalen Gotteshauses war für mich sehr beeindruckend und beinahe einschüchternd. Die Ausmaße sind riesig, gefühlt passen drei gewöhnliche Kathedralen hinein. Die beiden Nebeneingänge haben zudem den Charakter eines Hauptportals.
Die in Form eines Kreuzes errichtete Kirche wurde zwischen 1221 und 1567 gebaut. An dem Gotteshaus kann die gesamte kunstgeschichtliche Entwicklung des gotischen Stils nachvollzogen werden, weil die Bauzeit so lange dauerte. Am Gebäude arbeiteten einige der herausragendsten Architekten ihrer Zeit wie der Baumeister Johannes von Köln (Juan de Cologne).
Das Innere der Kathedrale besuchte ich mit dem Audio-Guide, den ich am Eingang beim Ticketkauf ausgeliehen hatte. Theoretisch könnte ich mich stundenlang umsehen. Bald wurde mir klar, warum das Gebäude als stilprägend gilt.
Die Kirche, welche der Jungfrau Maria geweiht ist, fand ich überwältigend und konnte mich gar nicht davon losreißen. Damit ich mir länger die vielen Details ansehen konnte, verzichtete ich sogar auf den Besuch des Museums für die menschliche Evolution.
Am Abend traf ich mich mit den anderen Pilgern am vereinbarten Ort. Für mich war es der letzte Abend, weil ich am nächsten Tag einen Freund in Vitoria-Gasteiz besuchen wollte. Der Abend war sehr angenehm und fröhlich. Wir saßen draußen, geschätzt waren wir am Ende ungefähr 15 Personen. Unter anderem war auch Jean-Pierre da, den ich auf dem französischen Jakobsweg Via Podiensis kennengelernt hatte, zudem die beiden Namensvettern und noch viele andere Pilgerkameraden.
Am nächsten Morgen frühstückte ich mit den beiden gleichnamigen Pilgern. Peter aus Köln fuhr danach mit dem Bus nach Bilbao und nahm am nächsten Tag den Flieger. Mit meinem schwedischen Pilgerkamerad lief ich noch zur Burgruine auf dem Berg oberhalb der Innenstadt, von welcher wir einen beeindruckenden Ausblick über die Stadt genießen konnten. An der Kathedrale trafen wir einige der uns bekannten Pilger. Dann hieß es Abschied nehmen, weil ich zum Bus gehen musste. Peter setzte am nächsten Morgen seinen Pilgerweg fort. Einige Tage später erhielt ich die Nachricht von ihm, dass er in Santiago angekommen ist.
Ich fuhr am Nachmittag mit dem Bus zunächst nach Vitoria-Gasteiz, wo ich bei einem Freund übernachtet hatte. Am nächsten Tag ging meine Heimreise über Paris nach Nürnberg weiter.
Kurzer Rückblick 2019
Den Jakobsweg-Abschnitt im Jahr 2019 begann ich mit einer abenteuerlichen Anreise, ebenfalls über Paris. An jenem Tag streikten die Mitarbeiter der öffentlichen Verkehrsbetriebe. Glücklicherweise hatte ich genug Zeit, weil ich einige Kilometer zu Fuß durch die Innenstadt laufen musste. Nachdem ich die letzten Etappen in Frankreich beendet hatte, erreichte ich schließlich Spanien. Zu den größten Höhepunkten gehörte die Pyrenäenüberquerung. Danach erlebte ich zunächst eine Art Kulturschock, weil ich ab Saint-Jean-Pied-de-Port, kurz vor der spanischen Grenze, das Vierfache an Mitpilgern als vorher um mich hatte. Auch wenn ich das schon Mal 2015 auf dem Camino del Norte erlebt hatte, war es trotzdem zunächst eine gewöhnungsbedürftige Erfahrung. Bald konnte ich mich wieder darauf einstellen und ich lernte wieder einige sehr freundliche und liebenswerte Menschen kennen. Wie und vor allem wann es weitergehen wird, ist vorerst unklar.
Nach knapp 2500 zurückgelegten Kilometern seit 2015 sind noch ungefähr 500 Kilometer bis Santiago de Compostela übrig. Mein Plan ist es, sie in einem oder maximal zwei Abschnitten zurückzulegen. Hoffentlich kann ich meinen Weg dieses Jahr im Herbst fortsetzen. Wegen der aktuellen Lage ist es nicht selbstverständlich, doch ich blicke optimistisch, mit einer Prise Realismus, in die Zukunft.
Quellen
Titelfoto: "Vor der Kathedrale von Burgos", Fotorechte: Dario schrittWeise https://whc.unesco.org/en/list/316/ https://www.spain.info/de/que-quieres/ciudades-pueblos/otros-destinos/burgos.html https://www.spain.info/de/que-quieres/arte/monumentos/burgos/catedral_de_burgos.html
Bei dem schmucken Gotteshaus nur zu verständlich, sich dorten länger aufhalten zu wolen …
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Die Kathedrale ist wirklich sehr sehenswert, man braucht aber genug Zeit für die Besichtigung. LG
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