… und noch einige Schritte weiter (Camino Finisterra 1)

Früher dachten die Menschen in Europa, am Atlantischen Ozean endet die Ihnen bekannte Welt. Sie stellten sich vor, wenn sie zu weit aufs Meer hinausfahren würden, dann würden sie den Rand der Welt erreichen, die sie sich als eine große Scheibe vorgestellt hatten. Darum tragen noch heute viele Orte am Ufer des Atlantiks diesen Namen. Der westlichste Punkt des europäischen Festlands liegt zudem in Portugal.

Der Weg zwischen Santiago de Compostela und Finisterra wurde schon vor dem Beginn der Pilgerbewegung zum Grab des Heiligen Jakobus rege benutzt. Sehr bekannt war auch der Pilgerweg der Heiligen Maria von Finisterra, er war aber nur von regionaler Bedeutung.

Als ich am 09.10.2021 in Santiago de Compostela angekommen bin, spürte ich, dass ich noch nicht bereit war, nach Hause zu gehen. Etwas in mir trieb mich an, noch ein wenig weiterzugehen. Ich wollte noch nach Finisterra laufen, zum Ort, der einst als das Ende der Welt in Spanien galt.

Wegweiser

Etappe 1: Santiago de Compostela – A Peña

  • Datum: Mo, 11.10.21
  • Entfernung: 29 Kilometer

Mit Ana machte ich aus, dass wir gemeinsam weiterlaufen würden, weil die Meisten aus unserer Pilgerclique in Santiago aufgehört hatten. Da ich meine „Puffertage“ aufgespart hatte, konnte ich noch weiterlaufen. Ich beschloss, die Strecke in drei Tagen zurückzulegen, weil ich mich mittlerweile ziemlich fit gefühlt hatte.

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Für den zweiten Abend in Santiago buchte ich ein eigenes Zimmer in einem anderen Hotel.

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Der Morgen in der berühmten Pilgerstadt war ungewohnt ruhig. Ich suchte ein Café, um zu frühstücken, doch alle waren noch geschlossen. So hatte ich noch die Gelegenheit, Santiago beim Aufwachen zu beobachten.

Leider fand ich recht spät ein offenes Café. Mir stand ein langer Tag bevor, mit 29 Kilometern und ich wollte nicht zu spät starten. Doch die meisten Cafés, die ich gefunden hatte, öffneten erst spät. Ich ging hinein, informierte die anderen der Pilgerclique und bestellte mein Frühstück.

Ich freute mich, als Kosta gekommen ist. Es stellte sich heraus, dass die anderen, die sich am Vorabend unbedingt treffen wollten, jetzt keine Zeit hatten. Ana lief bereits los, weil sie unterwegs viele Fotos gemacht hatte, Ineke wollte noch ausschlafen und Martha war es wichtig, noch einmal in den Pilgergottesdienst in die Kathedrale zu gehen. Ich habe es vermutet, aber es ist besser, aufzuhören, wenn es am schönsten ist. Später kam auch Hendrik hinzu. Hendrik und ich verabschiedeten uns von Kosta und verließen das Café.

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Der Beginn

Die Straßen waren weiterhin weitestgehend leer. Es war fast unwirklich, den Platz vor der Kathedrale, Praza de Obradoiro, zu überqueren. Wo die Tage vorher viele Pilger:innen den Platz zum Leben erweckt haben, schien heute alles ruhig zu sein.

Hendrik und ich kamen bald zum ersten Meilenstein des Camino Finisterra, den Jakobsweg, der zum Ende der Welt führt. Von hier waren es noch ca. 85 Kilometer bis Finisterra. Kurz danach sahen wir ein Verkehrsschild mit dem 0. Kilometer und ich scherzte, wir sein schon am Ziel. Der Camino Finisterra endet ja am 0. Kilometer.

Der erste Teil des Weges

Ein erhabener Moment war es für mich, als ich auf Santiago von einem entfernten Hügel blicken konnte. Der Moment fühlte sich an, als ob ich mich in einer anderen Welt befinde. Einer Welt auf der anderen Seite des Jakobsweges.

Die ersten Kilometer lief ich mit Hendrik zusammen, aber er verschwand regelrecht immer wieder. Kurz darauf rief er mich an, um mich zu fragen, wo ich sei. Anfangs fand ich das noch amüsant.

Die meisten Teile des Weges waren vergleichsweise ruhig, ich habe mich an die Abschnitte in Frankreich erinnert gefühlt. Hier liefen wir entlang der sogenannten königlichen Wege Camiños Reais. Es waren breite Wege, die im 17. Jahrhundert die alten, schmaleren Wege ersetzt hatten, damit Pferdekutschen sie befahren konnten.

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Die markante historische Brücke

Gegen Mittag erreichte ich Ponte Maceira, einen kleinen Weiler mit der gleichnamigen Brücke. Die historische Brücke über den Tambre gehörte für mich zu den Höhepunkten des Tages. Auf der Brücke traf ich Ana, die im Ort Aufnahmen mit ihrer Drohne machte. Sie ließ das Gerät über die Brücke fliegen.

Mit der Brücke aus dem 13. Jahrhundert sind viele Legenden verbunden. Dazu zählt jene von den Schülern des Heiligen Jakobus, die in der Gegend die sterblichen Überreste des Apostels gesucht hatten. Die Jünger des Heiligen wurden von römischen Soldaten verfolgt, die sie gefangen nehmen wollten. Sobald die Verfolgten die Brücke Ponte Maceira überquert hatten, fiel diese auf wundersame Wiese zusammen. Die Römer blieben zurück und konnten nicht auf die andere Flussseite gelangen. Auf diese Weise konnten die Anhänger des Apostels Jakobus ihren Verfolgern entkommen.

Ich sah mich rund um die Brücke um, im Fluss Tambre befanden sich riesige Felsen und ein Weg führte unter einen der Bögen der Brücke. Im Ort gab es noch ein Wehr und eine alte Mühle, in die ich reingegangen bin. Die Mühle war sehenswert, aber ohne nennenswerten Inhalt.

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Ponte Maceira bedeutete mit 15 Kilometern ungefähr die Hälfte der Tagesetappe. Später holte uns Hendrik ein und wir liefen zu dritt weiter. Hinter der Brücke liefen Ana, Hendrik und ich durch eine Allee in Ufernähe und den Ort A Barca.

Negreira

Negreira wird auch als eine Übernachtungsmöglichkeit empfohlen. Doch ich wollte den Weg in drei Etappen machen, so dass der im Mittelalter gegründete Ort für mich nur eine Zwischenstation war. Mit über 2000 Einwohner:innen gehört Negreira zu den größten Ortschaften auf dem Weg zur Küste.

Ernest Hemingway erwähnte Negreira in seinen Roman „Wem die Stunde schlägt“ aus dem Jahr 1940. Darin schließt sich die Romanfigur Robert, ein junger Spanischlehrer aus den USA, den republikanischen Partisanen im spanischen Bürgerkrieg. Er verliebt sich in Maria, eine spanische Partisanin. Im Laufe der Romanhandlung muss er sich entscheiden, ob er entweder seinen Kameraden hilft oder mit Maria geht und sein Leben rettet.

Der Ort bot aus meiner Sicht nicht viele Höhepunkte. Da gab es das Herrenhaus Pazo de A Chancela, dessen Besonderheit ein Wappen ist, auf welchem die Legende von der Brücke abgebildet ist, die zerstört wurde, um die Schüler des Heiligen Jakobus von den Römern zu retten.

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Weitere Sehenswürdigkeiten sind die San-Mauro-Kapelle und der Adelssitz Pazo do Cotón. Das Gebäude gehört zur Route der drei Herrenhäuser (Ruta dos Tres Pazos), welcher der Jakobsweg hier teilweise folgt. Es ist ein ca. 15 km langen Rundweg zwischen Ponte Maceira und Negreira, der drei Adelshäuser Pazo de Baladrón (Ponte Maceira), Pazo de Albariña (Logrosa) and Pazo do Cotón (Negreira) miteinander verbindet. Nach einer kurzen Pause verließen Anna und ich den Ort durch die Arkaden des Herrenhauses Pazo do Cotón. Hendrik beschloss, die letzten Kilometer alleine zu gehen, was ich respektierte, aber wie so häufig rätselhaft fand.

Ana und ich liefen die letzten beiden Stunden der Tagesetappe durch den Wald. Es gab nicht viele besondere Zwischenfälle, aber es fühlte sich gut an, nach den Aufregungen der letzten Tage ein wenig verschnaufen zu können.

Albergue Alto da Peña

Am späten Nachmittag erreichten Anna und ich das Dorf A Peña, wo wir übernachten wollten. Hendrik lief sogar noch weiter, was er uns mit einer Nachricht mitgeteilt hatte.

In der Albergue Alto da Peña trafen wir einige bekannte Gesichte, wie das Schweizer Ehepaar und einen Belgier. Gleichzeitig lernten wir neue Pilger:innen kennen, wie Pedro, einen Spanier. Er fragte mich beim Abendessen nach meiner Lieblingsherberge auf dem Camino. Als ich ihm von einer Pilgerherberge in Frankreich vorschwärmte, zeigte sich nicht sehr erfreut. Aber ich erinnerte mich an eine gute in Spanien. Das machte ihn wiederum glücklich.

Quellen

Titelfoto: Ponte Maceira, Fotorechte: Dario Schrittweise
https://www.caminodesantiago.gal/de/planen-sie/die-routen/der-camino-de-fisterra-y-muxia/die-strecke-santiago-negreira (zuletzt abgerufen: am 11.03.23)
https://galiwonders.com/en/blog/ponte-maceira-camino-de-finisterre-2/ (zuletzt abgerufen: am 11.03.23)
https://pefcgalicia.org/fisterra-muxia-way/3-ponte-maceira/ (zuletzt abgerufen: am 11.03.23)
https://www1.wdr.de/kultur/buecher/hemingway-wem-die-stunde-schlaegt-104.html (zuletzt abgerufen: am 11.03.23)

6 Kommentare zu „… und noch einige Schritte weiter (Camino Finisterra 1)

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