Straßenkunst gehört zu jenen Kunstformen, die häufig verändert werden. Sie sind zwar nicht so stark vergänglich wie die Kunst aus Eis, Sand oder anderen Naturmaterialien, doch trotzdem sind sie nicht sehr beständig. Die Kunstwerke der Street-Art-Künstler:innen werden übermalt, beschmiert, mit neuen Kunstwerken ersetzt. So erging es auch den Bildern auf der Insel Schütt in Nürnberg, die zu den Wandmalereien gehören, über die ich letztes Jahr geschrieben habe.

Auf dem oberen Foto ist ein Ausschnitt der Wandmalerei zu sehen, die ich letztes Jahr fotografiert habe. Sie befand sich in der Fußgängerunterführung an der Nürnberger Agnesbrücke. Schon damals waren die Street-Art-Kunstwerke beschmiert. In der Zwischenzeit wurden sie vollständig übermalt.
Die neuen Wandmalereien hat der Künstler Jakub Janovský am 6. Oktober 2022 über die alten gemalt. So viel zum Thema Vergänglichkeit der Kunst. Die Bilderserie thematisiert spielende Kinder, die auf dem ersten Blick eine behütete Kindheit erleben. Doch beim näheren Hinsehen erkennt man, dass sie sich in einer schwarz-grauen, tristen Umgebung aufhalten. Ein Mädchen spielt „Himmel und Hölle“ („Kästchenhüpfen“) auf einem raketenförmigen Spielfeld und ein Schaukelpferd verschwindet fast in einem schwarzen Viereck.
Informationen zur Bilderserie
- Titel: Intra muros-in / Extra muros-ven
- Material: Dispersionsfarbe
- Maße: Je Seite 450 x 2030 cm
Interessant ist auch der Titel der Bilderserie: „Intra muros-in / Extra muros-ven“. Mit „Intra muros“ bezeichnete man im Mittelalter die Teile einer Stadt, die sich innerhalb der Stadtmauern befanden. Und „Extra muros“ war dann logischerweise alles außerhalb der Mauern. Und die Unterführung befindet sich an einer Stelle, wo sich früher die mittelalterliche Stadtmauer befunden hatte.
So bekommt das Bild mit den Kindern, die durch ein Loch in der Wand etwas zu erspähen versuchen, eine völlig neue Bedeutung. Was erwartet sie auf der anderen Seite? Eine besser Welt? Hoffnung? Und was werden eigentlich die beiden Kinder in der kleinen Kiste vorfinden, die sie geöffnet haben? Nichts Schlimmes, hoffe ich. Dabei kommt mir beispielsweise die Büchse der Pandora in den Sinn. Die Geschichte fand aber keinen guten Ausgang, wie man weiß.
Der Künstler Jakub Janovský hat sich vor dem Eingang zur Unterführung verewigt. So erfahren wir glücklicherweise seinen Namen. Der 1984 in Jihlava geborene Künstler studierte an der grafischen Schule SUŠG in Jihlava und an der Akademie der bildenden Künste in Prag. Einige seiner Werke sind in der Nationalgalerie in Prag und der Galerie der Region Vysočina in Jihlava ausgestellt.

Die Werke sind im Rahmen der Städtepartnerschaft zwischen Prag und Nürnberg (1990 – 2022) in Zusammenarbeit mit dem Amt für Internationale Beziehungen und dem Bauamt der Stadt Nürnberg entstanden.
Der Standort bildet die ideale Kulisse für die Bilder von Jakub Janovský. Die bedrückende Enge und trostlose Umgebung der Fußgängerunterführung betonen die Lebensumstände der Kinder auf den Bildern, die in einer Betonwüste aufwachsen müssen. Trotz der ernsten und traurigen Botschaft gefallen mir die Malereien von Janovský auch optisch. Ich finde, sie werten die Unterführung auf.
Quellen
Titelbild: Spielende Kinder, Fotorechte: Dario Schrittweise https://www.nuernberg.de/internet/symposion_urbanum/projekte_su_2022.html (zuletzt abgerufen am 28.01.23) https://www.heimatedition.de/nurembergartsyndicate/exhibitions/kunstprojekt-wandgestaltung-an-der-agnesbruecke-in-nuernberg-durch-prager-kuenstler/ (zuletzt abgerufen am 28.01.23) http://bayern-tschechien.de/jakub-janovsky-betonova-zahrada/ (zuletzt abgerufen am 28.01.23) https://www.duden.de/rechtschreibung/intra_muros (zuletzt abgerufen am 28.01.23) https://www.duden.de/rechtschreibung/extra_muros (zuletzt abgerufen am 28.01.23) https://www.duden.de/rechtschreibung/extramural (zuletzt abgerufen am 28.01.23)
Lieber Dario, dein Beitrag über den Straßenkünstler und seine Kunst gefällt mir sehr gut. Die Farblosigkeit in den Bildern von Janovsky, sowie die Art von dargestellten Spielzeugen und Spielen erinnern mich an meine eigene Nachkriegskindheit. Wenig Mittel zu spielen, aber dafür viel Fantasie und Freude, mit Spielkameraden und Kameradinnen draußen spielen zu dürfen. Wir waren alle gleich. Wir hatten alle gleich wenig. Die Kiste aus der Betonwüste erinnerte mich an eine andere Kiste. Eine Küste, die Antoine de Saint-Exupery für die Sandwüste gezeichnet hatte: „Mir ging die Geduld aus, es war höchste Zeit, meinen Motor auszubauen, so kritzelte ich diese Zeichnung da zusammen und knurrte dazu: Das ist die Kiste. Das Schaf, das du willst, steckt da drin. Und ich war höchst überrascht, als ich das Gesicht meines jungen Kritikers aufleuchten sah; Das ist ganz so, wie ich es mir gewünscht habe.“
Lieber Dario, ich hoffe, dass viele Kinder und im Herzen kindgebliebene Erwachsene diese nostalgische, vielsagende und wunderschöne Wandbilder bewundern werden.
LG, Sophie Mai
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Hallo Sophie, daran erkennt man, wie wenig Kinder im Grunde brauchen, um glücklich zu sein und ihre Fantasie anzuregen. Erwachsene könnten sich davon inspirieren lassen. Und das Zitat gefällt mir auch gut – sehr erfinderisch, der Mann 😉
Liebe Grüße, Dario
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Für den aufmerksamen Blick und die Würdigung, lieber Dario, schönen Dank.
Im Winterhalbjahr passiere ich die Unterführung weniger und im Sommerhalbjahr häufiger. Beim fälligen Besuch in der Stadtbibliothek schaue ich gerne mal.
Viele Grüße
Bernd
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Hallo Bernd, sehr gerne. Der kleine Umweg von der Stadtbibliothek zur Unterführung lohnt sich. Liebe Grüße und einen schönen Abend, Dario 🙂🐞
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Straßenkunst liebe ich sehr, wenn so schön wie hier im ersten Bild zu sehen und bin immer wieder fasziniert von solchen tollen Kunstwerken, die ich dann auch unbedingt im Foto festhalten muss!
Liebe Grüße und hab noch einen schönen Tag 😊
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Hallo Hanne, ja, ich mag sie auch, insbesondere, wenn sie noch eine Geschichte erzählen und zur Umgebung passen, wie in diesem Fall. Liebe Grüße zurück und noch einen entspannten Sonntag 🙂
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