„Die Kraft des Morgens bleibe bei mir,
die Stärke und Weisheit der Gedanken
mögen mich begleiten.
Lass mich meinen Weg erkennen
bis ich schlafen gehe in dieser Nacht.“
Irischer Segenswunsch, Autor unbekannt
Dieser Segenswunsch begleitete mich schon im Juni auf dem Jakobsweg zwischen Cluny und Le Puy. Ich dachte seitdem oft daran. Darin ist vom eigenen Weg die Rede. Diesen sucht man nicht nur beim Wandern oder Pilgern. Jeder kann seinen eigenen Weg erkennen, wenn er bereit und offen dafür ist.
Wegweiser
- erste Etappe der Via Podiensis: Le Puy – Saint-Privat-d’Allier
- 2. und 3. Etappe: Saint-Privat-d’Allier – Aumont-Aubrac
- 4. Etappe: Aumont-Aubrac – Nasbinals
- 5. Etappe: Nasbinals – L’Estrade
- Gesamtüberblick: Themenseite Jakobsweg
6. Etappe: L’Estrade – Espalion
- Datum: 10.09.2017
- Entfernung: ca. 18 Kilometer
- Besondere Ereignisse: Unterwegs mit Paul, René und Maxime, historische Ortschaften Saint-Côme d’Olt sowie Espalion mit der alten Pilgerbrücke „Pont Vieux“
Der Abend in der Pilgerherberge von L’Estrade verlief sehr amüsant, weil viele mir bekannte Pilger hier übernachteten, mit denen ich mich gut verstand. Sie bekamen scheinbar ebenfalls keinen Platz in Saint-Chély. Zudem sind die Gastgeber sehr gastfreundlich und zuvorkommend. Auch diese Unterkunft kann ich jedem ans Herz legen.

Der Weg nach Saint-Côme d’Olt
Am Morgen in der Pilgerherberge von L’Estrade machte ich mit Paul, dem Pilger aus New York aus, dass wir gemeinsam einen Teil der Tagesetappe laufen werden. Die Etappe habe ich bewusst kurz gewählt, damit ich zwischendurch auch ein wenig Ruhe haben kann. Paul wusste zu dem Zeitpunkt noch nicht genau, wo er übernachten wird, er hat zwar eine Unterkunft in Estaing reserviert, er überlegte sich, doch vorher Halt zu machen.
In L’Estrade befand sich eine überdachte Rastgelegenheit für Pilger mit warmen Getränken. Wir nahmen sie lediglich zur Kenntnis, weil wir gerade gefrühstückt haben, aber ich kann mir vorstellen, dass sie vorbeiziehende Wanderer als eine willkommene Oase der Erholung ansehen würden. Da sie auch in einigen Pilgerbüchern erwähnt wird, gehe ich davon aus, das es sich hierbei um ein dauerhaftes Angebot handelt.

Die Morgenstimmung war an jenem Tag ganz besonders. Die Sonne kam nach dem Regen am Vortag wieder zum Vorschein und der Nebel umhüllte die umliegenden Berge wie ein leichter Mantel. Paul und ich unterhielten uns angeregt, als uns ein „Rückwärtspilger“entgegen kam. Er stammte aus der französischsprachigen Schweiz und lief nach Santiago und wieder zurück. Ich begegnete immer wieder Pilgern, die auch in die entgegengesetzte Richtung laufen, trotzdem finde ich dies jedes mal erstaunlich und bemerkenswert. Für diese Menschen ist es schwieriger den richtigen Weg zu finden und meistens laufen sie alleine.
Nach ungefähr vier Kilometern holten wir die beiden Pilger, René und Maxime, die ich am Abend zuvor in Saint-Chély-d’Aubrac kennenlernte und ihnen die Pilgerherberge in L’Estrade empfahl, ein. René kam aus Kanada und Maxime aus Toulouse. Sie schlossen sich uns an und so liefen wir gemeinsam nach Saint-Côme d’Olt weiter. Nach einer weiteren Stunde kamen wir in Sichtweite von unserem Zwischenziel.

Ungefähr einen Kilometer vor Saint-Côme befindet sich der Konvent von Malet, eine Niederlassung der Ordensgemeinschaft „Congregation der Ursulinerinnen“. Ich war neugierig und wollte mir das Kloster ansehen. Da meine Begleiter lieber weiterlaufen wollten, zumal wir so nah an Saint-Côme waren, verabschiedeten wir uns vorerst voneinander.
Der Konvent wird heute auch als Hotel genutzt und Pilger können hier günstig übernachten. Die Geschichte des Anwesens reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück. Im Jahr 1152 schenkte Hugues de Calmont das Kloster dem 1122 gegründeten Mönchsorden „Hospitaliers d’Aubrac“. Seit 1806 wohnen die Ursulinerinnen hier. [1]
Saint-Côme d’Olt
Ich habe St-Côme-d’Olt durch eines der drei Stadttore betreten und war gleich von den kleinen und schönen mittelalterlichen Häusern und Gässchen begeistert. Die Stadt wurde nach dem Heiligen Cosmas („St-Côme“ auf Französisch) und dem Fluss Lot benannt. Lot heißt in okzitanischer Landessprache „Olt“. Okzitanisch ist die alte Sprache der Südfranzosen, die in dieser Region teilweise noch heute gesprochen wird.

Beim Spaziergang durch die Ortschaft konnte ich schnell feststellen, warum die Franzosen Saint-Côme-d’Olt zu einer der schönsten Gemeinden des Landes gewählt haben. Viele der Häuser stammen noch aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Im Palast der Barone von Calmont, die früher über die Stadt herrschten, befindet sich heute das Rathaus. In einem der alten Häuser ist die kommunale Wanderherberge untergebracht.[2]
Ein besonderes Schmuckstück ist die Stadtkirche Saint-Côme-et-Saint-Damien, deren auffällig gewundenes Turmdach ein Wahrzeichen der Stadt ist. Antoine d’Estaing, Bischof von Angoulême und Prior von St-Côme beauftragte den Architekten Antoine Solvanh mit dem Bau der beeindruckenden Kirche. Solvanh konzipierte auch die Kathedrale in Rodez. Der berühmte Architekt entwarf die Kirche Saint-Côme-et-Saint-Damien im gotischen Flamboyant-Stil. Die Kirche wurde 1532 fertig. Während der Religionskriege und der Französischen Revolution wurde die spiralförmig gedrehte Glockenturm als Wachturm verwendet. Die massive Eingangstür aus Eichenholz fand ich ebenfalls sehr faszinierend. Die beiden Türflügel sind scheinbar jeweils mit 365 Eisennägeln gespickt.[3]
Am Ausgang von Saint-Côme-d’Olt überquerte ich den Fluss Lot, der mich einige Tagesetappen begleiten sollte. Der Lot entspringt am Mont Lozère in den Cevennen und verläuft durch das südliche Zentralmassiv bis zur Garonne. Früher verband der Fluss die Auvergne und Cahors mit Bordeaux. An dieser Stelle verließ ich das Aubrac-Massiv mit seinen hügeligen Etappen. Der Jakobsweg folgt ab hier dem Lottal bis Cahors und Cajarc.[4]

Der Weg nach Espalion und Le Puech de Vermus
Auf dem Weg durch ein Wäldchen kurz nach Saint-Côme bemerkte ich ein kleines Kreuz auf einem Stein. Daneben wurde eine Erklärtafel angebracht, die auf das Steinkreuz eingeht, ohne eine konkrete Antwort zu geben.

Kurzum stellt sich hier die Frage, ob das Kreuz natürlichen oder menschlichen Ursprungs sei. Eine abschließende Antwort gibt es nicht. Manchmal ist es auch gut, wenn nicht alles erklärt wird. Somit bleibt noch Raum für Fragen und Phantasie offen.

Der weitere Weg wurde teilweise von umgestürzten Bäumen erschwert. Nach einigen Kilometern kam ich an einer Lichtung mit einer kleinen Bauernhütte vorbei. Wenig später sah ich die spektakuläre Burgruine Calmont d’Olt, die sich stolz auf einem Basaltkegel über Espalion erhebt. Darin wohnten die Grafen Calmont, die auch die Stadtherren von Saint-Côme waren.
Einige Minuten später traf ich Paul, der abseits des Weges eine Pause machte. Wir liefen wieder gemeinsam weiter und erreichten bald Le Puech de Vermus, den Schlot eines ehemaligen Vulkans. Ich stellte amüsiert fest, dass ich in letzter Zeit mit vielen Vulkanen und Basaltfelsen zu tun hatte.

Der Pfad schlängelte sich über den Berghang. Auf dem Gipfel liefen wir noch zur Madonnenstatue La Vierge Notre Dame-de-Vermus, die sich auf einem Felsen hoch über dem Lottal und Espalion befindet.

Die Marienstatue erinnerte mich an die Skulptur, die ich kurz vor Aubrac im Nebel gesehen habe. Sie breitet betend und beschützend ihre Arme über die Betrachter aus. Auch hier hinterließen die Gläubigen Rosenkränze und Zettel mit ihren Bittgesuchen.

Von der Madonnenstatue war der Blick auf Espalion mit der Burgruine Calmont d’Olt im Hintergrund atemberaubend. Dies traf allerdings auch auf den Abstieg zu, immerhin war der Weg an dem Tag trocken.

In der romanischen Perserkirche Saint-Hilarian
Am Fuß des Berges wurde gegen Ende des 11. Jahrhunderts die Kirche Saint-Hilarian de Perse errichtet. Der Heilige Hilarian wurde 793 von Sarazenen enthauptet, während er einen Gottesdienst in der Kapelle zelebrierte. Der Legende zufolge nahm Hilarian seinen abgetrennten Kopf und wusch ihn im Bach Perse unterhalb der Kapelle. Mönche von Conques ließen an der Stelle eine Kirche aus rotem Sandstein bauen.[5]

Besonderes sehenswert ist das Südportal mit dem kunstvollen Tympanon. Darauf sind das Pfingstgeschehen und die Apokalypse abgebildet. Jesus ist von vier Evangelistensymbolen umgeben und unter ihm ist die Hölle dargestellt. Rechts daneben wurde eine kleine Nische mit einer Marienstatue und der Heiligen Drei Könige angebracht. Die Szenen sollen wohl an das Tympanon von Conques erinnern.
Espalion und die alte Pilgerbrücke
Nachdem wir die sehr schöne Perserkirche verlassen haben, kamen wir nach ungefähr 20 Minuten in das Zentrum von Espalion an. Sofort fielen uns die markante Pilgerbrücke „Vieux Pont“ („Alte Brücke“) und das Renaissancepalais von 1572 am Lotufer auf. Paul beschloss doch weiterzugehen, weil wir noch keine andere Herberge für ihn finden konnten. Die beiden Uferseiten säumen alte Gerberhäuser, die an die handwerklich geprägte Vergangenheit der Stadt erinnern. Noch sind unter den Balkonen steinerne Trittstufen erkennbar, auf welchen die Gerber früher ihrer Arbeit nachgingen.[6]
Die Grafen von Calmont d’Olt ließen im 10. Jahrhundert ihr Schloss über Espalion errichten und herrschten seitdem viele Jahrhunderte über die Stadt. Sehenswert ist auch die historische Innenstadt von Espalion und die ehemalige Kirche Saint-Jean, die 1978 restauriert und in ein Museum umgewandelt wurde. Seitdem beherbergt sie ein Heimatmuseum und das Museum des Scaphanders. Das „Musée du Scaphandre“ erzählt die Geschichte des Tauchanzugs „Skaphander“ und des Tauchgerätes Rouquayrol-Denayrouze, eines Vorläufers der heutigen Atemregler, dessen Erfinder Rouquayrol und Brüder Denayrouze aus Espalion stammten. Ich nahm mir jedoch keine Zeit für die Besichtigungen der Burgruine oder des Museums und erholte mich stattdessen.[7]

Die alte Pilgerbrücke „Pont Vieux“ wurde zum ersten Mal im Jahr 1060 urkundlich erwähnt. Auf das Salz, das die Brücke passierte, wurden Zollabgaben erhoben. Der Burggraf Hugo von Calmont schenkte die Hälfte dieser Salzabgaben den Mönchen von Conques. Die heutige gotische Brücke wurde im 13. Jahrhundert aus rötlichem Stein erbaut. Im Jahr 1998 wurde die „Alte Brücke“ von der UNESCO als Teil des „Jakobswegs in Frankreich“ als Weltkulturerbe ausgezeichnet.[8]
Übernachtet habe ich in der Gîte „La Halte St-Jacques“. Die Herberge wird eher als eine einfache Pension geführt, mit wenig Bezug zum Pilgern. Der Abend mit der Pilgergemeinschaft verlief angenehm, jedoch auch etwas verhalten. Immerhin hatte ich ein Mehrbettzimmer nur für mich alleine, so dass ich nach einem Abendspaziergang in der bezaubernden historischen Altstadt in meinem Zimmer noch ein wenig lesen und meine Tageseindrücke notieren konnte.
Wichtige Orte auf dem Weg
- L’Estrade
- Convent von Malet (9 Kilometer)
- Saint-Côme d’Olt (1 Kilometer)
- Le Puech de Vermus (5 Kilometer)
- Romanische Perserkirche (1,5 Kilometer)
- Espalion (1,5 Kilometer)
Quellenangaben
[1] http://hotel-malet-aveyron.fr/en/about-our-hotel-in-aveyron/ (zuletzt abgerufen am 04.01.2018) [2] Wipper, Heinrich: "Wandern auf dem französischen Jakobsweg. Via Podiensis", Hamburg 2008, S. 49 [3] Forst, Bettina: "Französischer Jakobsweg. Via Podiensis von Le Puy-en-Velay bis zu den Pyrenäen", München, S. 64 [4] Forst, S. 60 [5] Forst, S. 65 [6] Wipper, S. 49 f. [7] http://www.association-musees-espalion.fr/(zuletzt abgerufen am 05.01.2018) [8] Wipper, S. 50
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Very, very beautiful pictures along with a good story line. I am going to reblog this article for you.
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Thank you very much for reblogging. Best wishes from Nuremberg, have a nice day ☺️
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Hat dies auf Die Erste Eslarner Zeitung – Aus und über Eslarn, sowie die bayerisch-tschechische Region! rebloggt.
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Schöner Bericht und tolle Bilder !
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Vielen lieben Dank 😊Ich hatte auch viele schöne Motive an dem Tag. LG und einen angenehmen Samstag 🙂
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Hat dies auf Die Erste Eslarner Zeitung – Aus und über Eslarn, sowie die bayerisch-tschechische Region! rebloggt.
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Danke dafür 🙂 Liebe Grüße und noch einen schönen Abend
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Danke, ebenso! Mit ebenfall besten Grüßen Michael
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