„Der Wein war so gut wie damals, das Essen so wundervoll wie immer“, schrieb Ernest Hemingway über Pamplona, als er 1959 zum neunten Mal in die spanische Stadt zurückkehrte. Der Schriftsteller genoss das Leben in der Hauptstadt der autonomen Region Navarra in vollen Zügen. Hemingway gehört zu den berühmtesten Besucher von Iruña, wie die Stadt auf baskisch heißt. Der Lebemann liebte Pamplona und das Festival „San Fermín“ mit den weltberühmten Stierläufen.
Neun Mal weilte der US-amerikanische Literaturnobelpreisträger in der Stadt. Seine Erlebnisse in Pamplona ließ Hemingway in seinen 1926 erschienen ersten längeren Roman „Fiesta“ („The Sun Also Rises“) einfließen, in dem er über eine Gruppe von Freunden aus den USA geschrieben hatte, die in Paris lebten und nach Pamplona reisten, um am Fest „San Fermín“ teilzunehmen. Einige Orte, die er in seinem Roman beschrieben hatte, liegen ebenfalls auf dem Jakobsweg „Camino Francés“.
Wegweiser
- Beitrag 21: Aroue – Saint-Jean-Pied-de-Port (Etappen 32 und 33, Via Podiensis)
- Hintergründe über Camino Francés
- Beitrag 1: Saint-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles (Camino Francés – 1. Etappe)
- Gesamtüberblick: Themenseite Jakobsweg
Etappe 2: Roncesvalles – Zubiri
- Datum: 23.09.2019
- Entfernung: ca. 22 Kilometer
Am Morgen nach meiner Pyrenäenüberquerung wurden alle Pilger im Schlafsaal der Klosterherberge von Roncesvalles um 6:00 Uhr mit sanfter Musik geweckt. Zuerst fragte ich mich, wer so freundlich ist, uns um die Uhrzeit mit geistlicher Musik zu beschallen. Dann stellte ich fest, dass die Musik aus den Lautsprechern im Saal kam. Ich packte meine restlichen Sachen, die ich noch nicht im Rucksack verstaut hatte und machte mich fertig.
Nach einem kurzen Frühstück im Gasthof außerhalb des Klostergeländes, begann ich meine 2. Etappe auf dem Camino Francés. Das Frühstück unterschied sich kaum vom Frühstück, das ich gewöhnlich in Frankreich bekommen hatte: Weißbrot, Butter und Marmelade, später gab es kleine Gebäckstücke oder spanische Tortilla, die mit Ei, Kartoffeln und Zwiebeln gekocht wird.
Burguete
Die Sonne lugte zaghaft hinter den Bergen hervor, noch war es dunkel im Tal der Dornen. Ich ging los, wieder war ich nicht alleine, viele Pilger gingen neben-, vor- und hinter mir. Es hatte etwas von einem Marathonlauf.
Mich für die kommende Etappe zu motivieren, fiel mir an jenem Tag schwer. Ich war noch müde von der Etappe in den Pyrenäen und die für mich ungewohnte Menschenmenge beim Pilgern tat ihr übriges. Deswegen kam ich auch nur langsam voran.
Die erste größere Ortschaft, durch die ich an dem Morgen lief, war Burguete, baskisch Auritz genannt. Im Grunde genommen besteht Burguete aus einer langen Durchgangsstraße, die links und rechts von traditionellen baskischen Bauernhäusern gesäumt wird. Die schlichte Kirche San Nicolás de Bari wurde auf einer Vorgängerkirche errichtet, von der eine Widmung, der Namen sowie das barocke Portal in die neue Kirche integriert wurden.
Ernest Hemingway erwähnt Burguete in seinem Roman Fiesta. Seine Hauptfigur, die autobiografische Züge des Schriftstellers trägt, reist mit einem Freund nach Burguete, um hier zu angeln. Es heißt, Hemingway selbst fuhr mehrmals nach Burguete, um sich vom Trubel der Fiesta „San Fermín“ in Pamplona zu erholen. Der kleine Ort scheint dafür prädestiniert zu sein, so ruhig wie es dort ist. Der Pilgerweg verlässt Burguete über einen romanischen Brückensteg mit einem Bogen, der den Fluss Urrobi überspannt.
Kurz vor Bizkarreta-Gerendiain machte ich im Außenbereich eines Bistros eine Pause und unterhielt mich dabei mit anderen Pilgern. Bald lief ich weiter, ohne nennenswerte Höhepunkte. An jenem Tag hing ich meinen Gedanken nach. Das Wetter war gut, sonnig und warm.
In Espinal (Navarra) bewunderte ich mehrere baskische Häuser. Im Dorfzentrum traf ich Mel, die US-Amerikanerin, mit welcher ich teilweise über die Pyrenäen lief. Sie saß mit einer Pilgerin auf einer Bank und begrüßte mich herzlich. Ihrer Begleiterin stellte sie mich als ihren Retter in den Bergen vor. Ich erwiderte lächelnd, dass wir uns gegenseitig gerettet hatten. Wir verabschiedeten uns und dachten, dass wir uns vielleicht später sehen würden. Dem war allerdings nicht so, weil Mel vermutlich zwei Tage in Pamplona geblieben ist, wie sie es geplant hatte.
Nach Espinal ging es relativ steil bergauf, dafür wurde ich mit toller Aussicht belohnt.
Vor einem Foodtruck, der die Pilger mit Snacks und Getränken zu erschwinglichen Preisen versorgte, sah ich Julia aus Köln. Ich setzte mich dazu, aber in erster Linie wegen der Geselligkeit. Sie stellte mir Matthias vom Bodensee vor, der neben ihr saß. Da ich an jenem Tag eher alleine laufen wollte, blieb ich noch eine Weile, sie weitergingen. Hinter dem Foodtruck breitete ein Pilger seinen Stempelpass aus und sammelte Spenden, wie er es nannte. Er erzählte mir, dass er sich auf dem Rückweg aus Santiago befand.
Zubiri
Die letzten Kilometer nach Zubiri vergingen rasch. Ich kam am frühen Nachmittag im Dorf an. Am Dorfeingang vor der berühmten Brücke saßen einige Pilger, unter anderem Julia und eine Bekannte von ihr. Sie beschlossen, weiterzugehen, weil es noch früh am Nachmittag war. Julia kannte den Ort zudem schon, weil sie den Camino Francés schon einmal gegangen ist.
Ich hatte jedoch nicht die Muße, weiterzugehen und verabschiedete mich von den beiden, um im Ort eine Unterkunft für die Nacht zu suchen. Die gotische Brücke Puente de la rabia, die „Tollwutbrücke“, war sehr markant. Im Prinzip ist sie das herausragendste Bauwerk der Stadt. Der Brücke werden magische Kräfte nachgesagt: wenn ein Bauer sein Vieh dreimal um den mittleren Pfeiler führt, dann wird es gegen die Tollwut immun. Das Dorf verdankt der Brücke auch seinen Namen, denn „Zubiri“ bedeutet auf Baskisch „das Dorf an der Brücke“.
Die Unterkunftssuche gestaltete sich anfangs ein wenig mühselig, weil die ersten 4 – 5 Pilgerherbergen voll waren. Die große städtische Herberge war zudem wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Dafür hatte ich mit einer kleineren Unterkunft Glück. Sie war schlicht, aber sauber und ruhig. Genau das, was ich an dem Tag gebraucht hatte.
Zum Abendessen ging ich in ein Restaurant, in dem sich viele Pilger versammelt hatten. Zubiri gehört zu den Dörfern in Spanien, die größtenteils vom Jakobsweg leben. Im Restaurant sah ich Peter aus Schweden, welchen ich tags zuvor in Roncesvalles kennengelernt hatte. Ich setzte mich zu ihm. Er erzählte mir, dass er ebenfalls einen Blog schreibt, bei einem anderen Bloganbieter und mit Schwerpunkt auf Reisen. Täglich veröffentlichte er kleinere Beiträge über seine Etappen. Da er in einer anderen Pilgerherberge übernachtete, wo er auch das Abendessen bekommen hatte, ging er bald wieder in seine Unterkunft. Nach dem Abendessen machte ich noch einen Spaziergang zum Flussufer und kehrte in meine Herberge zurück.
Etappe 3: Zubiri – Pamplona
- Datum: 24.09.2019
- Entfernung: ca. 21 Kilomter
Am nächsten Vormittag wachte ich wieder früher als die letzten Tage auf. Ich konnte sehr gut schlafen, obwohl ich zwei schnarchende Pilger in meinem Mehrbettzimmer hatte. Dafür fühlte ich mich sehr gut erholt und frisch. Nach einem einfachen Frühstück nahm ich meine Wäsche vom Wäscheständer ab und legte sie in den Rucksack. Mit Vorfreude auf Pamplona begann ich meine Tagesetappe.
Ich machte kurz Halt bei einer alten Kirche, die auf dem Weg lag. Die Kirche der ehemaligen Abtei Eskirotz und Ilarratz ist heute die Pfarrkirche Heilige Luzia. Vor einigen Jahren kauften einige ehemalige Pilger die Kirche, um sie zu renovieren. Nils aus Südafrika, einer der Mitarbeiter des Projektes, erzählte uns einige Eckdaten zur Kirche und ihrem Projekt.
Es wird vermutet, dass das Gebäude im 12. Jahrhundert als Festung errichtet wurde, die im 13. Jahrhundert in eine Kirche umgebaut wurde. Niles erzählte uns, dass sie aufgrund der Bauweise vermuten, dass Tempelritter das Gotteshaus errichtet hatten.
Eine größere Pause machte ich in einem Café in einem kleinen Weiler. Auf dem Weg dorthin begegnete ich einem Pilger, der mit einem Esel auf dem Rückweg von Santiago war. Sein Esel hieß Sancho. Kurioserweise begegnete ich wenige Kilometer später wieder einem Pilger, der mit einem Esel unterwegs war, was tatsächlich eine Seltenheit auf dem Jakobsweg ist.
Im Café setzte ich mich zu den US-Amerikanerinnen Beth und ihrer Tochter Liz. Sie pilgerten zum ersten Mal auf dem Jakobsweg. Einige Tische weiter saß Matthias.
Eine Zeit lang lief ich mit Beth und Liz weiter. Später trennten sich vorerst unsere Wege, weil sie eine Pause machen wollten, ich mir aber lieber in Pamplona Zeit für Besichtigungen nehmen wollte. Matthias vom Bodensee kam auf mich zu und wir gingen gemeinsam nach Pamplona. Er hatte ein gutes, zügiges Tempo, dem ich mich leicht anpassen konnte.
Pamplona
Über die Magdalenabrücke erreichten Matthias und ich Pamplona. Am Flussufer, unweit der Brücke, befindet sich die Pilgerherberge Casa Paderborn, die von den sehr engagierten sowie freundlichen Jakobusfreunden aus Paderborn geleitet wird. Die Pilgerherberge ist in einem Haus am Ufer des Río Arga untergebracht, wenige Minuten von der Magdalenabrücke.
Nachdem ich geduscht und meine Wanderkleidung gewaschen hatte, erkundigte ich Pamplona. Zunächst ging ich zur Verteidigungsanlage der Stadt, die sehr gut erhalten ist. Über einen Aufzug fuhr ich auf die höher gelegene Ebene, weil ich solche großen Aufzüge selten finde.
Pamplona wurde 74 v. Chr. vom römischen Feldherren und Politiker Pompeius als Pompeiopolis gegründet. Der Ort befand sich in der Provinz Hispania Tarraconensis, an der Verbindungsstraße von Asturica (heute Astorga) nach Burdigala (heute Bordeaux).
Die alte Verteidigungsmauer hat heute viele Spazierwege und Grünanlagen. In einem Parkcafé lief entspannte Jazzmusik. An einer Stelle der Mauer sah ich sogar ein Spielfeld für Pelota, das berühmte Spiel der Basken.
Die Hauptaufgabe der Stadt bestand sozusagen darin, den Pyrenäenübergang bei Roncesvalles zu sichern. Die Stadt wurde in mehrere berühmte historische Auseinandersetzungen verwickelt, unter anderem mit Karl dem Großen, der sie zerstören ließ, um keine befestigte Stadt im Rücken zu haben. Die Basken rächten sich an den Truppen vom Karl dem Großen, was später im Rolandslied besungen wurde. Auch Napoleons Truppen waren hier.
Die mächtige Zitadelle, welche die befestigte Stadt beschützen sollte, zeugt von der wechselvollen und spannungsgeladenen Geschichte. Diese Funktion der Stadt ist bis heute sichtbar. Die Zitadelle von Pamplona ist sehr beeindruckend und um die Häuser wurde ein richtiges Bollwerk errichtet.
Am Tag meines Besuches, dem 27.09.2019, fand in Pamplona die Klimaprotestaktion statt, die gleichzeitig weltweit veranstaltet wurde. Am Protest nahmen auch Tanzvereine teil, die traditionelle baskische Tänze aufführen.
Auf dem Platz vor der Kathedrale Santa Maria la Real traf ich Jean-Pierre, welcher sich in einem Café mit Peter aus Köln unterhielt. Neben Julia war Jean-Pierre der letzte Pilger, der gewissermaßen gleichzeitig mit mir in Frankreich gepilgert und über die Pyrenäen gegangen ist. Alle anderen Menschen um mich waren seit Saint-Jean-Pied-de-Port für mich neu.
Wir haben uns so sehr ins Gespräch vertieft, dass wir uns nicht nach den Öffnungszeiten der gotischen Kathedrale erkundigt hatten. Leider war sie bereits geschlossen, als ich reingehen wollte. Es ist nicht möglich, alles zu haben, dachte ich mir. Sie hatte ungewöhnliche Öffnungszeiten, von 10:30 bis 17:00 Uhr. Ich verabredete mich mit Peter und Jean-Pierre zum Abendessen.
Nach dem Treffen mit den beiden angenehmen Pilgern machte ich noch einen kleinen Spaziergang in der Innenstadt, um einige weitere Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Das Rathaus mit der barocken Fassade fand ich sehr sehenswert, auch das Plaza Del Castillo mit dem Café Iruna, welches Hemingway bei seinen Aufenthalten in Pamplona gerne aufgesucht hatte, ist einen Besuch wert.
Hemingways Liebe galt auch dem Stierkampf und der Fiesta de San Fermín. Aus diesem Grund wurde vor der Stierkampfarena eine Statue zur Ehren des Literaturnobelpreisträgers aufgestellt. Dieses Fest, wofür die Hauptstadt von Navarra weltberühmt ist, wird jedes Jahr zu Ehren des Heiligen Fermín, des Patrons der Diözese von Pamplona vom 6. Juli bis 14. Juli veranstaltet. Neben einer religiösen Komponente der Sanfermines, der Prozession mit den Reliquien des Heiligen Firmin, finden noch die Stierläufe und Stierkämpfe statt. Ich selbst finde sie nicht toll, mir tun die dabei verletzten und getöteten Tiere leid, weil sie nur für das menschliche Vergnügen in Gefahr gebracht werden.
Hemingway war aber sehr angetan davon. Während bei seinem ersten Besuch nur ca. 20 Touristen die Stierläufe beobachteten, klagte er bei seinem letzten Besuch über mehr als 40.000 ausländische Besucher. Vermutlich hat sein Roman „Fiesta“ sie angelockt. Nur der Wein und das Essen seien unverändert geblieben, schrieb der Schriftsteller in einem Zeitungsartikel.
Den Abend ließ ich mit den Pilgern Peter aus Köln und Jean-Pierre bei einem gepflegten Abendessen in einem Restaurant ausklingen. Danach lief ich wieder in die Pilgerherberge „Casa Paderborn“ zurück. Die Abend war herbstlich warm und der Himmel klar.
Quellen
Titelfoto: "Grafitti in Pamplona" Autor: unbekannt, Fotorechte: Dario schrittWeise https://www.spain.info/de_DE/que-quieres/ciudades-pueblos/otros-destinos/pamplonairuna.html https://m.dw.com/de/pamplona-und-ernest-hemingway/a-39734612 https://www.spain.info/de/reportajes/navarra_la_tierra_sonada_por_ernest_hemingway.html
Lieber Dario,
das war offensichtlich ein an Begegnungen und Aktivitäten reicher Pilgerweg im Herbst durch Spanien. So viele interessante Gespräche, wunderschöne Landschaften und viele, viele Kilometer.
Deine Fotos und interessate Texte sprudeln vor Kreativität und Lebensfreude. Ich glube an die Kraft und Macht der Kreativität. Danke dir für diese besonderen Leseerlebnise…
LG, Sopie Mai
LikeGefällt 1 Person
Hallo Sophie, das freut mich, vielen herzlichen Dank 😊Ich wünsche dir ein angenehmes Wochenende, Dario 🙂
LikeLike
hallo dario, das liest sich so, als wäre viel los gewesen auf deinem weg dort und zwischendurch immer wieder zeit war für ein bisschen erzählen und plaudern mit anderen pilgern. das stelle ich mir schön vor. und hast du nach dem pilgern dann hemingway gelesen? liebe grüße, poetin
LikeGefällt 1 Person
Hallo Poetin, ja, nach Saint-Jean-Pied-de-Port war viel los, aber auch angenehm, weil man viele anregende Gespräche führen kann. Nach dem Pilgern habe ich Hemingways „Fiesta“ gelesen. Die Handlung spielt teilweise in Pamplona und Umgebung. Liebe Grüße, Dario
LikeGefällt 1 Person