Die Strecke zwischen Aroue und Ostabat ist die vorletzte und vermutlich eine der schönsten Etappen der Via Podiensis. Sie folgt auch größtenteils der historischen Route und wurde von der UNESCO als Teil der Jakobswege zum Weltkulturerbe erklärt. Kurz vor Ostabat verbinden sich drei großen französischen Jakobswege und führen als ein einziger Pilgerweg nach Saint-Jean-Pied-de-Port, jener Stadt, die seit vielen Jahrhunderten mit ihrer Zitadelle den Ibañeta-Pass über die Pyrenäen bewachte. In diesem Grenzort mit dem sprechenden Namen „Heiliger Johannes am Fuße des Passes“ beginnt auch der weltbekannte spanische Jakobsweg Camino Francés.
Der Wegweiser
- Hintergründe über Via Podiensis
- Beitrag 16: Castelnau-sur-Auvignon – Peyret (Via Podiensis, Etappen 23 und 24 – 2018)
- Beitrag 17: Peyret – Nogaro (Via Podiensis, Etappe 25 – 2018)
- Beitrag 18: Nogaro – Miramont-Sensacq (Via Podiensis, Etappe 26 und 27 – 2019)
- Beitrag 19: Miramont-Sensacq – Argagnon (Via Podiensis, Etappe 28 und 29 – 2019)
- Beitrag 20: Argagon – Aroue (Via Podiensis, Etappe 30 und 31 – 2019)
- Gesamtüberblick: Themenseite Jakobsweg
Etappe 32: Aroue – Ostabat
- Datum: Freitag, 20.09.19
- Entfernung: 27 Kilometer
Meine vorletzte Etappe auf der Via Podiensis begann ich in aller Ruhe mit einem gemütlichen Frühstück. Ich hatte zwar durchwachsen geschlafen, weil mitten in der Nacht der Rauchmelder Alarm ausgelöst hatte, doch ich fühlte keine große Müdigkeit.
Ich unterhielt mich kurz mit den Besitzern, verabschiedete mich von ihnen und lief los. Noch vor der weißen Kirche Saint-Etiénne mit rotem Ziegeldach im Dorfzentrum von Aroue holte ich die drei südafrikanischen Pilgerinnen ein, die am Vortag ihre Füße im Fluss gebadet hatten. Sie hörten Musik, französische Chansons, die sie auf ihrem Smartphone leise abspielten. Leider konnte man die Lieder trotzdem hören. Nach einigen Metern ließ ich sie wieder zurück, auch weil sie häufig stehen blieben.
Die Gipfel in Sichtweite
Nach einigen Minuten traf ich an einer Wegkreuzung Jean-Pierre, der in einer anderen Herberge, einer Ecogîte, übernachtet hatte. Die Besitzer der Unterkunft seien Marxisten, wie er mir erzählte. Jean-Pierre diskutierte mit ihnen teilweise hitzig über politische Themen. Den Aufenthalt hatte er insgesamt in einer sehr guten Erinnerung behalten. Er war der einzige Gast an dem Abend, auch weil die Besitzer es schwer haben, als zugezogene Nichtbasken in der Region Fuß zu fassen. Sie können auch keine Plakate aufhängen, weil sie von den anderen Herbergsbetreibern wieder abgenommen werden, wie die Besitzer es ihm erzählt hatten. Die Besitzer erzählten ihm auch, dass sie die grün-weiße Farbe ihres Hauses nicht ändern dürften, als sie eingezogen sind. Denn traditionell sind die Häuser in jener Region entweder rot-weiß oder grün-weiß. Wir beschlossen, dies am Abend unsere nächsten Gastgeber zu fragen, als wir feststellten, dass wir wieder die gleiche Unterkunft gewählt hatten.
Im Weiler Hiriburia liefen wir zum Stein von Gibraltar. Der Name bedeutet auf Baskisch „Chibaltarem“ – der „Erlöser“ und hat nichts mit dem britischen Überseegebiet zu tun, wie der Name es nahelegen würde. Die Etappe war eine der schönsten auf meinem diesjährigen Abschnitt. Der 1964 errichtete Stein ist symbolisch zu sehen, er steht für die Kreuzung der drei Jakobswege: Via Podiensis, Via Lemovicensis sowie Via Turonensis, die ab hier gemeinsam über Ostabat-Asme nach Saint-Jean-Pied-de-Port führen.
Eine Kapelle mit Aussicht
Der Höhepunkt des Tages war eindeutig die Aussicht, die sich uns von der Gipfelkapelle Chapelle de Soyarza (298 Hm) aus geboten hatte. Hier trafen wir einige andere Pilger, unter anderem zwei französische Pilgerinnen, die den Jakobsweg gegangen sind, der von Vezelay kommt. An der Chapelle de Soyarza gibt es auch einen Wasserhahn für die durstigen Kapellenbesucher.
Kurze Besichtigung von Ostabat-Asme
Nach dem Abstieg kamen wir bald in Ostabat-Asme an, einer historisch wichtigen Station auf dem Pilgerweg nach Saint-Jean-Pied-de-Port. Heute wohnen nur noch ca. 200 Einwohner hier und von den alten Hospizen und Pilgerunterkünften ist nur noch Maison-Ospitalia erhalten geblieben. Während Jean-Pierre gleich in unsere Unterkunft ging, wollte ich mich zuerst im Ostabat umsehen, weil sich unsere Herberge etwas außerhalb des Ortes befindet.
Plötzlich kamen mir Margareth und John entgegen, die sehr müde wirkten. Wir redeten kurz und scherzten darüber, dass wir uns dauernd über den Weg laufen würden. Für sie wird Saint-Jean-Pied-de-Port Endstation sein, weil sie den Rest des Weges bis Santiago bereits kannten, denn sie sind ihn vor einigen Jahren gelaufen. Wir verabschiedeten uns, weil sie in ihre Unterkunft neben der Kirche gehen mussten und ich in meine, die sich ungefähr zwei Kilometer außerhalb des Ortes befand.
Als ich zu meiner Unterkunft Gaineko-Etxea kam, musste ich zunächst ein wenig warten, bis mir jemand die Tür aufmachte. Die Pilgerherberge fand ich super, es gab sogar ein Swimming Pool. Beim Abendessen sangen wir mit dem Besitzer und das Essen schmeckte mir auch sehr gut. Spannend fand ich insbesondere die baskischen Lieder des Besitzers. Jean-Pierre fragte ihn, warum die Häuser entweder rot-weiß oder grün-weiß seien. Die Antwort fiel ziemlich unspektakulär aus, denn laut unserem Gastgeber sind die Farben nur aus der Tradition entstanden.
Etappe 33: Ostabat – Saint-Jean-Pied-de-Port
- Datum: Samstag, 21.09.19
- Entfernung: 20 Kilometer
In besonderer Mission
Am nächsten Morgen ließ ich mir wieder Zeit, was sich dieses Mal sogar buchstäblich ausgezahlt hatte. Zwar nicht für mich, aber für andere. Als ich mich als letzter auf dem Weg machte, kam die Besitzerin aufgeregt auf mich zu. Die norwegischen Pilger Fredrik und Ida hätten zu viel Geld für ihren Aufenthalt bezahlt, die Wirtin bat mich deswegen, ihnen das Geld zurückzugeben. Glücklicherweise hatte ich ihre Telefonnummer und wir konnten alles telefonisch klären.
Nach wenigen Kilometern konnte ich Frederik und Ida einholen. Sie machten mit anderen Pilgern Pause. Die beiden freuten sich, als sie mich sahen und bedankten sich für die Hilfe. Ich scherzte noch, dass es doch nicht immer schlecht sei, wenn man sich morgens Zeit lässt. Da bekam die Redewendung „Morgenstund‘ hat Gold im Mund“ eine ganz andere Bedeutung. Ich blieb nicht lange bei ihnen, weil ich schon auf die berühmte Stadt Saint-Jean-Pied-de-Port gespannt war und gleich wieder weitergehen wollte.
In einem kleinem Landhaus auf der halben Strecke nach Saint-Jean-le-Vieux machten die Besitzer eine Art Imbiss für die Pilger auf. Im Imbiss kaufte ich Kaffee, Naturjoghurt sowie kleine Biskuitkuchen. Den Joghurt versuchten die beiden verschmusten Katzen der Besitzer zu essen. Ich ließ ihnen etwas übrig und gab ihnen auch etwas Kuchen zu essen. Hier begegnete ich auch Julia, einer Pilgerin aus Köln. Sie arbeitete auch ehrenamtlich in einer Pilgerherberge in der Schweiz als Hospitalera, Betreuerin der Pilger.
Unterwegs traf ich immer wieder Pilger, die ich kannte und später auch Pilger vom anderen Jakobsweg.
Im 850-Einwohner-Dorf Saint-Jean-le-Vieux machte ich, wie viele andere Pilger auch, Pause in einem kleinen Café, nachdem ich mir die schöne Kirche Sant-Pierre-d’Usacoa angeschaut hatte. Von der Kirche aus dem 12. Jahrhundert blieb nur noch das romanische Portal übrig, das im Jahr 1630 restauriert wurde.
Das auf Baskisch Donazaharre genannte Dorf war zur Zeiten der Römer eine wichtige Station einer alten Handelsstraße, das sich bereits im 3. Jahrhundert in Reisebeschreibungen und auf alten Karten befand. Die Römer nannten das Dorf Imus Pyrenaeus. In Saint-Jean-le-Vieux begann unter anderem Karl der Große seine große Pyrenäenüberquerung über den Pass von Roncesvalles. Die Strecke über Saint-Jean-Pied-de-Port gewann erst ab dem 13. Jahrhundert an Bedeutung.
Im Café unterhielt ich mich mit einigen befreundeten Pilgern. Auf dem Platz neben dem Café befand sich wieder ein obligatorisches Pelotafeld.
Die letzten Kilometer der Via Podiensis lief ich mit dem österreichischen Ehepaar zusammen, das sich ebenfalls in Saint-Jean-le-Vieux im Café ausgeruht hatte. Der Weg verlief durch kleine Dörfer und Weiler.
Kurz vor Saint-Jean-Pied-de-Port verabschiedete ich mich von meinen Begleitern, um vor dem Betreten der Stadt noch die Zitadelle zu besichtigen, die noch heute über Saint-Jean-Pied-de-Port zu wachen schien. Von der Zitadelle bot sich eine beeindruckende Sicht über die okerfarbenen Ziegeldächer der Stadt am Fuße der Pyrenäen.
Die Wehrmauer der Stadt und die Zitadelle, die mit vier Bastionen in alle Himmelsrichtungen gesichert ist, sind Zeugen der langen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Spanien und Frankreich.
Saint-Jean-Pied-de-Port ist die Hauptstadt von Basse-Navarre, einer der sieben baskischen Provinzen, die im Mittelalter zum spanischen Königreich Navarra gehörte. Im Jahr 1512 eroberten Kastilier und Aragoneser den westlichen Teil, der östliche blieb verschont und wurde an Frankreich als Basse-Navarre angeschlossen.
In Saint-Jean-Pied-de-Port
Der Pilgerweg führt durch das Stadttor Porte Saint-Jaques. Eine Reisegruppe stand davor und lauschte den Worten des Reiseführers. Ich wartete, bis sie weitergingen, um noch ein Erinnerungsfoto zu machen.
Mit der Ankunft in Saint-Jean-Pied-de-Port beendete ich den französischen Jakobsweg Via Podiensis, was für mich ein besonderes Gefühl war. Diesen Abschnitt meines Jakobswegs begann ich im Herbst 2017 in Le-Puy-en-Velay. Zwei Jahre und ungefähr 1600 Kilometer später erreichte ich nun diesen berühmten Pilgerort am Fuße der Pyrenäen.
In der Nähe des Stadttores befindet sich das Pilgerbüro, in dem ich mich nach möglichen Unterkünften für den Abend und nach meiner morgigen Route erkundigt hatte. An jenem Tag reservierte ich keine Unterkunft, weil ich wusste, dass es zu dieser Zeit in Saint-Jean genug freie Schlafplätze geben würde.
Auf meine Frage hin, ob am nächsten Tag in den Pyrenäen mit starkem Regen und Nebel zu rechnen sei, bekam ich von der Mitarbeiterin die Antwort, ich brauche mir keine Sorgen zu machen, am nächsten Tag wird es wenig bis kaum Regen geben. Ich war gespannt, ob es tatsächlich so kommen würde, die Wettervorhersage war auch etwas schwammig.
Die Altstadt von Saint-Jean-Pied-de-Port, auf Baskisch Donibane Garazi genannt, wurde im Grunde links und rechts des Pilgerweges errichtet und mit einer Stadtmauer befestigt. Die Zitadelle beschützte die Stadt sowie den bedeutenden Pass über die Pyrenäen. Die Hauptstraße
Rué de Citadelle verläuft vom Porte Saint-Jacques und endet an dem Porte d’Espagne, dem Spanischen Tor, weil von hier aus die Straße nach Spanien führt.
Ich beschloss, mir zunächst eine Unterkunft zu organisieren, bevor ich mir die Stadt genau ansehen würde. Da ich bisher gute Erfahrungen mit den Pilgerherbergen der Amis de Chemin de Saint-Jacques gemacht hatte, ging ich schnurstracks in die Herberge dieser Vereinigung, die sich in der Nähe des Porte d’Espagne befindet. Glücklicherweise bekam ich noch einen Schlafplatz, obwohl ich vorher nicht reserviert hatte. Das Abendessen fand dort wie immer um 19:30 Uhr statt. Ich wurde von den Leitern darauf aufmerksam gemacht, dass die Herberge um 22:00 Uhr schließt.
Da ich noch genug Zeit bis dahin hatte, sah ich mir nach dem Duschen und Wäsche waschen den pittoresken Grenzort zu Spanien an. In der befestigten Altstadt wurden die Häuser aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert dicht aneinandergereiht. Sehenswert fand ich auch das Bischofsgefängnis Prison de Évêques, aus dem 13. Jahrhundert.
Die Kirche Norte-Dame-du-Pont befindet sich ebenfalls an der Hauptstraße. Die gotische Kirche wurde im Verlauf der Jahre zu einer Hallenkirche auf schlanken Säulen erhöht. Ihr Kirchturm bildet gleichzeitig den Turm des Tores zur mittelalterlichen Brücke über den Fluss Nive, die 1634 restauriert wurde.
In der Nähe des Tores verabredete ich mich um 19:00 Uhr mit Jean-Pierre, Frederik und Ida. Sie wollten zu Abend essen. Ich hatte nur kurz Zeit, weil ich den Herbergsleitern versprochen hatte, um 19:30 Uhr zum Abendessen in der Unterkunft zu sein. Zu meinen Pilgerkameraden sagte ich, dass ich versuchen würde, nach dem Abendessen in der Unterkunft zu ihnen zurückzukehren. Ich verabschiedete mich jedoch vorsorglich von Frederik und Ida, weil ich mir nicht sicher war, ob ich rechtzeitig zurückkehren konnte. Da sie am nächsten Tag nur einige Kilometer laufen wollten, wussten wir, dass an dem Tag unser letztes gemeinsames Treffen stattfinden würde.
Das Essen zog sich jedoch hin, jeder sollte etwas über sich selbst und seine Pilgermotivation erzählen. Viele der Anwesenden hatten am kommenden Tag ihre erste Etappe. Die Gespräche fand ich angenehm sowie bereichernd. Bald merkte ich aber, dass ich vermutlich heute die Pilgerherberge nicht mehr verlassen werde. Das Gute daran war, dass ich am nächsten Morgen erholt meine Überquerung der Pyrenäen beginnen konnte. Ich schrieb meinen Pilgerkameraden, dass es leider wie vermutet mit dem Treffen nicht mehr klappen wird und wünschte ihnen alles Gute.
Nach dem Abendessen bereitete ich alles für den nächsten Morgen vor, auch meine Regensachen. Ich freute mich riesig auf die Etappe über die Pyrenäen, mit welcher ich Spanien und den berühmten Pilgerweg Camino Francés erreichen sollte. Etwas in mir sagte mir, dass der kommende Tag ereignisreich und unvergesslich sein wird.
Quellen
Titelfoto: "Die Brücke über die Nive in Saint-Jean-Pied-de-Port", Foto: Dario schrittWeise Engel, Helmut: "Frankreich: Jakobsweg. Via Podiensis, von Le Puy-en-Velay nach Saint-Jean-Pied-de-Port", Welver, S. 219 - 240
Die Naschkätzchen sind ja herzelig …
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Hallo LuxOr, ja, ich fand sie auch sehr putzig. Adventliche Grüße und noch einen angenehmen Mittwochabend, Dario 🌝🌆🌌
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