Die Funde von Sierra de Atapuerca waren eine Sensation. In den 1960er Jahren entdeckten Forscher in einem Höhenzug beim spanischen Dorf Atapuerca einige mehr als 400.000 Jahre alte Knochen von Früh- und Urmenschen. Die Forschungsarbeiten dauern bis heute an. Die dort gefundenen menschlichen Überreste gehören zu den Vorfahren des Neandertalers. Einige Forscher vermuten, es sei der homo heidelbergensis und die anderen vermuten homo antecessor dahinter.
Die gefundenen menschlichen Überreste gehören zu den ältesten Funden der menschlichen Schädel und Skelette in Europa. Auch die Anzahl der entdeckten Knochen war beträchtlich. Aus diesem Grund wurden die Höhlen von Atapuerca im Jahr 2000 zum Weltkulturerbe erklärt. Letztes Jahr hatte ich das Glück, die Ausgrabungsstätte zu besichtigen.
Wegweiser
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- Hintergründe über Camino Francés
- Beitrag 1: Saint-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles (Camino Francés – 1. Etappe)
- Beitrag 2: Roncesvalles – Pamplona (Camino Francés – 2. und 3. Etappe)
- Beitrag 3: Pamplona – Sansol (Camino Francés – 4. und 5. Etappe)
- Beitrag 4: Sansol – Logroño (Camino Francés – 6. und 7. Etappe)
- Beitrag 5: Logroño – Santo Domingo de la Calsada (Camino Francés – 8 und 9. Etappe)
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Etappe 10: Santo Domingo de la Calsada – Tosantos
- Datum: 01.10.2019
- Entfernung: ca. 28 Kilometer
In der Pilgerherberge von Santo Domingo der la Cansada war wieder frühes Aufstehen angesagt. Bald versammelten sich die Pilger im großen Speisesaal und auch im Eingangsbereich im Erdgeschoss herrschte reges Treiben. Schon bald waren wir wieder unterwegs, auf der Pilgerstraße nach Belorado.
Wir erlebten wieder einen wunderbaren Sonnenaufgang. Der Morgenabschnitt verlief relativ gerade, vermutlich auf alten Römerwegen. Die erste Pause machten wir in Grañon, wo ein Café in einem umgebauten Foodtruck auf die hungrigen Pilger wartete.
Die Strecke nach Belorado
An dem Tag verlief die Strecke häufiger neben vielbefahrenen Straßen. Mehrmals fuhren große LKWs lärmend an uns vorbei. Ich freute mich, als wir wieder in einer ruhigen Gegend waren.
In einem Café in der Nähe von Villamayor del Rio machten wir einen Zwischenstopp. Hier setzte sich Sam zu uns, ein Pilger aus Großbritannien. Er erzählte uns, dass er jeden Tag Etappen von 40 – 50 Kilometern macht, damit er den Camino Francés in der Hälfte der Zeit machen kann. Er machte keinen sehr vertrauenswürdigen Eindruck auf uns. Ich weiß, es ist nur ein Vorurteil, aber als Pilger sollte man vorsichtig sein und auf sein Bauchgefühl vertrauen. Wir waren deswegen froh, als er an uns vorbeizog.
Wir liefen an einer Pilgerherberge vorbei, die damit warb, dass sie Paolo Coelho als Paten hätte. Vermutlich lernten sich die Besitzer und der brasilianische Schriftsteller kennen, als dieser auf dem Camino Francés gepilgert ist. Danach hatte er das berühmte Buch geschrieben, welches für das Aufleben des Pilgerns in den 90ern mitverantwortlich war.
Belorado
Am Nachmittag erreichten Peter und ich die nächste autonome Provinz, Kastilien und Leon und bald danach Belorado. Im Städtchen Belorado beendeten klassischerweise viele Pilger ihre Tagesetappe, weil es ein etwas größerer Ort mit mehreren Unterkünften, Geschäften und Sehenswürdigkeiten ist. Doch Peter und ich beschlossen wieder, noch ein wenig weiter zu laufen. Wir fühlten uns fit genug und der Nachmittag war noch lang. Außerdem plante ich, am nächsten Tag so weit wie möglich zu laufen, damit ich am letzten Tag nur eine kurze Etappe bis Burgos habe, um mehr Zeit dort verbringen zu können. Peter hatte ähnliche Pläne.
In meinem deutschsprachigen Pilgerführer las ich von einer empfehlenswerten kirchlichen Pilgerherberge, einige Kilometer nach Belorado. Peter konsultierte auch seine schwedische Variante und dann trafen wir gemeinsam eine Entscheidung. Beide fanden wir die Beschreibung der Herberge und des Ortes interessant.
Wir haben uns kurz in der Kirche Santa María umgesehen. Sie wurde im 16. Jahrhundert wieder aufgebaut. Darin befinden sich einige Sehenswürdigkeiten wie der barocke Hochaltar aus dem 17. bzw. 18. Jahrhundert oder das Gemälde von Nuestra Señora de Belén.
Auf dem Marktplatz bewunderten wir noch mehrere sehr sehenswerte Graffiti an den Häuserwänden. Einige hatten sogar den Charakter einer Wandmalerei.
Tosantos
Der weitere Weg nach Tosantos war weder lang noch beschwerlich. Nach ungefähr einer Stunde kamen wir im Dorf an, zusammen mit einer Gruppe Südkoreaner.
Wir wurden in Tosantos von Freiwilligen empfangen, die in der Pilgerherberge arbeiteten. Sie sprachen wenig Englisch, deswegen musste immer jemand übersetzten. Ein US-amerikanischer Pilger übernahm diese Aufgabe, weil er lateinamerikanische Wurzeln hatte und Spanisch gut beherrschte.
Die größte und wohl auch die einzige Sehenswürdigkeit des Dorfes ist die Wallfahrtskapelle Nuestra Señora de la Peña auf dem Berg. Normalerweise organisieren die Freiwilligen eine Führung zur Kapelle, an jenem Tag war jedoch keine vorgesehen. Deswegen ging ich alleine hin, auch weil sich Peter ausruhen wollte.
Von der Höhlenkapelle Nuestra Señora de la Peña ist nur die Fassade und ein Teil des Innenraumes erhalten geblieben. Die Wallfahrtskapelle war an jenem Tag verschlossen, ich habe aber erfahren, dass sich im Inneren ein kleines Altarbild mit dem Jesuskind aus dem 12. Jahrhundert befindet. Später gab es doch eine spontane Führung, da ich aber schon oben war, kam ich nicht mit.
In der Unterkunft gab es ein gemeinsames Abendessen mit interessanten Gesprächen. Danach gingen alle, die wollten, in den kleinen Gebetsraum, wo ein Abendgebet stattgefunden hatte. Jeder konnte etwas über sich und die Beweggründe für seine Pilgerschaft erzählen. Wir lasen einige Botschaften der vorherigen Besucher der Pilgerherberge vor, die teilweise sehr persönlich und bewegend waren. Wir wurden auch eingeladen, persönliche Botschaften zu schreiben, die von den nachfolgenden Besuchern vorgelesen werden.
Etappe 11: Tosantos – Atapuerca
- Datum: 02.10.2019
- Entfernung: 25 Kilometer
Am nächsten Morgen frühstückten wir wieder alle gemeinsam. Die Erinnerungen an die Gespräche der letzten Nacht waren noch frisch. Verschlafen bereiteten wir uns für die neue Etappe vor. Die Strecke zwischen Tosantos und Atapuerca war die vorletzte Etappe auf meinem Jakobsweg-Abschnitt im Jahr 2019.
Für die Unkosten sollten wir nur ein sogenanntes „Donativo“, eine freiwillige Spende, geben. Im Empfangsraum stand auf dem Tisch eine kleine Büchse für das Geld. Wir verabschiedeten uns von den überaus freundlichen Gastgebern und liefen los, begleitet von einem wundervollen Sonnenaufgang. Die Höhlenkapelle Nuestra Señora de la Peña war aus der Ferne zu sehen. Teilweise noch in die Dunkelheit getaucht.
Der erste Ort auf dem Weg war Villambistia, ein kleines Dorf mit wenigen Häusern. Auf dem Dach der Kirche zeigt eine Pilgerfigur die Windrichtung an.
In Villafranca Montes de Oca waren alle Geschäfte geschlossen, sie hatten gerade Siesta, als wir dort angekommen sind. Nach dem Dorf verlief der Pilgerweg stetig bergauf. Mehrere Fahrradfahrer überholten uns auf ihren E-Bikes, was wir ziemlich nervig fanden. Auf dem Gipfel wurde eine Friedenssäule aufgestellt. Dort machten wir Mittagspause mit einem kleinen Picknick.
Einige Kilometer später kamen wieder an einem besonderen Pausenort vorbei, der im Wald errichtet wurde. Der Besitzer nannte ihn „die Camino-Oase„. Solche Orte gab es häufiger entlang des Weges. Meistens haben die Besitzer kleine Kunstwerke erstellt, um ihre „Oase“ zu verschönern. In meinen Augen ist es eine gute Idee. Den Besitzern hilft der Ort, ein wenig Geld zu verdienen, und die Pilger können hier Wasser und kleine Snacks kaufen. Dort sahen wir eine kleine Maus, die sich kurz von uns fotografieren ließ, um gleich danach wegzurennen.
San Juan de la Ortega
Der Camino Francés verbindet mehrere größere Städte miteinander. Die meisten verdanken dem Jakobsweg ihre wirtschaftliche Blüte. Hier gibt es viel zu sehen, viel Kunst und kulturelle Highlights. Ich hatte es immer genossen, im Rahmen der Pilgerschaft große Städte zu besichtigen. Am meisten hatte es mir aber außerhalb des großen Trubels gefallen.
In San Juan de la Ortega machten wir in einer Bar kurze Pause. Die anderen Pilger waren auch hier, unter anderem auch Sam aus Großbritannien. Er unterhielt sich mit dem Barbesitzer, weil er ihn von seiner Pilgerschaft kannte, die er einige Monate zuvor, im Januar, gemacht hatte. Die kleinen Pausen, die wir uns entlang des Weges gönnten, machten wir nicht in erster Linie, weil wir uns ausruhen wollten, sondern, damit wir uns mit anderen Pilgern austauschen konnten. Denn jeder hatte sein eigenes Tempo.
Auch hier lud das kunstvoll verzierte Kirchengebäude zur Besichtigung ein. Peter und ich sahen uns im Inneren der Kirche San Juan de Ortega um. Der Heilige gründete hier im 12. Jahrhundert ein Kloster.
Atapuerca
Ich habe dafür plädiert, nach Atapuerca zu gehen, weil die Stadt einerseits nicht so weit von Burgos entfernt ist und andererseits weil ich mich für die Ausgrabungsstätte interessiert hatte. Nach etwas mehr als 5 Kilometern erreichten wir Atapuerca. Wir gingen wie immer gleich in die Unterkunft, in der glücklicherweise noch Plätze frei waren. Nachdem wir geduscht und unsere Wanderkleidung gereinigt hatten, gingen wir ins Dorf, um etwas zu essen zu kaufen. Atapuerca ist klein, hier gibt es nur wenige öffentliche Gebäude, ungefähr zwei Café-Bars, ein großes Museum etwas außerhalb und ein kleines Ausstellungsgebäude in der Dorfmitte.
In der Bar aßen wir zu Mittag und tranken Kaffee. Während sich Peter noch ausruhen wollte, sah ich mich in den Ausstellungsräumen im Tourismusbüro in der Dorfmitte um. Die Ausstellung war dem historischen Pilgerweg und geringfügig den prähistorischen Funden von Atapuerca gewidmet. Obwohl ich nicht daran geglaubt hatte, dass an jenem Tag noch ein Ausflug zur Ausgrabungsstätte stattfinden würde, fragte ich bei der Ausstellungsmitarbeiterin nach. Sie rief im Museum an. Ich hatte Glück. In einer Stunde fuhr ein Bus zur Ausgrabungsstätte. Die Mitarbeiterin bat mich, die nötigen Sachen zu holen und in einer Stunde zurückzukehren. Außerdem empfahl sie mir, mich wärmer anzuziehen, weil die Ausgrabungsstätte in den Bergen ist, wo es kühler sei.
Ich zog in der Pilgerherberge wärmere Kleidung und meine Wanderschuhe an. Peter wollte nicht mitkommen, weil er sich lieber noch etwas ausruhen wollte. Ich stieg in den Bus ein, der bereits neben dem Ausstellungsgebäude wartete. Die erste Station war das Museum außerhalb des Dorfes. Darin hatten wir einige Minuten Zeit, die Ausstellungsexponate und Rekonstruktionen anzusehen. Interessant fand ich die Nachbildungen einer prähistorischen Bauernhütte und einer Höhle mit Höhlenmalereien. Nach ungefähr 15 Minuten trafen wir uns wie vereinbart mit der Tourleiterin, einer Archäologin, die ebenfalls bei den Ausgrabungen mitwirkte.
Auf dem Gelände der Ausgrabungsstätte trugen wir Schutzhelme. Es war faszinierend die riesige Fundstätte zu betrachten, auch wenn ich kaum etwas von den Erklärungen der Tourleiterin verstanden hatte. Dafür gab es einige Tafeln mit englischen Texten und Schaubildern. Die Archäologin zeigte uns die Rekonstruktion eines Schädels, vermutlich den berühmten Schädel „Atapuerca 5“ mit dem Spitznamen „Miguelón“, nach dem spanischen Rennradfahrer Miguel Induráin aus der Zeit vor dem modernen homo sapiens. Der Schädel gehört zu den ältesten und am besten erhaltenen, vollständigen Schädeln, die bisher gefunden worden sind. Hier erhoffen sich die Paläontologen, die Reste des letzten gemeinsamen Vorfahren von Neandertaler und Homo sapiens zu finden. Ich fand die Ausgrabungsstätte sehr spannend und freute mich, dort gewesen zu sein, auch wenn ich es vorher nicht geplant hatte.
Der Bus brachte uns ins Dorf zurück. Peter wartete schon auf mich in der Dorfkneipe, damit wir gemeinsam zu Abend essen können. In der Kneipe war ein Fernseher an, darin lief eine spanische Sendung, die wir kaum verstanden, aber lustig fanden. Die Kneipenbesucher waren in erster Linie Einheimische. Wir hatten Kontakt mit einigen Pilgern, die parallel mit uns liefen, wie Peter aus Köln. Er übernachtete bei San Juan de la Ortega. Wir blieben nicht lange, weil der Tag sehr ereignisreich war. In der Pilgerherberge bereiteten wir uns für die kommende Etappe nach Burgos vor, die auch meine letzte im Jahr 2019 war, weil ich wieder nach Hause zurückkehren sollte.
Quellen
Titelfoto: Die Ausgrabungsstätte von Sierra de Atapuerca, Fotorechte: Dario schrittWeise https://www.spain.info/de_DE/que-quieres/arte/monumentos/burgos/iglesia_de_santa_maria_de_belorado.html https://www.spain.info/de_DE/que-quieres/arte/monumentos/burgos/ermita_rupestre_de_nuestra_senora_de_la_pena.html https://www1.wdr.de/wissen/mensch/atapuerca-neue-menschenart-gefunden-100.htmlhttps://www.britannica.com/place/Atapuercahttps://www.spain.info/de/que-quieres/ciudades-pueblos/otros-destinos/atapuerca.htmlhttps://www.spain.info/de/que-quieres/arte/monumentos/burgos/yacimiento_de_atapuerca.html http://whc.unesco.org/en/list/989/gallery/&index=13&maxrows=12
Danke fürs Rebloggen, thank you for reblogging. Best wishes, Dario 🙂🍀
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