Einer Legende nach werden alle Pilger:innen, die auf ihrer Reise nach Santiago de Compostela einen Stein zum Cruz de Ferro bringen, von ihrer Sorge befreit, die sie mit diesem Stein verknüpfen. Unter den Pilger:innen hat sich der Brauch etabliert, mit dem Sonnenaufgang zum Cruz de Ferro, dem „Eisenkreuz“, zu kommen und dort den mitgebrachten Stein unter dem Kreuz abzulegen. Auf diese Weise können sie wörtlich ihren Ballast loswerden, um befreit nach Santiago weiterlaufen zu können. Cruz der Ferro gehört zu den mythischsten Orten auf dem Camino Francés.
Den letzten Abschnitt von Burgos nach Santiago de Compostela widme ich meinem lieben Freund J., mit welchem ich 2015 zum ersten Mal als Pilger auf dem Camino del Norte nach Santiago de Compostela gelaufen bin.
Wegweiser
- Hintergründe über Camino Francés
- Beitrag 7: Atapuerca – Burgos (Camino Francés – 12. Etappe)
- Intermezzo: Von Verschiebungen und anderen Plänen
- Beitrag 8: Burgos – Hontanas (Camino Francés: 13 und 14. Etappe)
- Beitrag 9: Hontanas – Terradillos de los Templarios (Camino Francés: 15. – 17. Etappe)
- Beitrag 10: Terradillos de los Templarios – Léon (Camino Francés: 18. – 20. Etappe)
- Beitrag 11: Léon – Astorga (Camino Francés: 21. – 22. Etappe)
- Gesamtüberblick: Themenseite Jakobsweg
23. Etappe: Astorga – Rabanal del Camino
- Datum: 29.09.2021
- Entfernung: 19 Kilometer (mit Abstecher nach Castrillo de los Polvazares)
In Astorga beschloss ich, mal wieder eine Tagesetappe ohne Reservierung zu beginnen. Wie bei den früheren Pilgerschaften. Bisher hätte es auch stets geklappt und so wird es bestimmt auch bleiben, das war zumindest mein Ansatz. Mein Ziel war es, in Foncebadón zu übernachten, weil das der letzte Ort vor dem berühmten Cruz de Ferro war.
Astorga am Morgen
In der Herberge von Astorga war das Aufstehen amüsant. Das Gefühl einer Klassenfahrt war wieder da: volles Bad, mehrere Pilgerinnen und Pilger, die nebeneinanderstehen und Zähne putzen, lachen und herumalbern in den Gängen, unabhängig vom Alter.
Ich verabredete mich mit Hendrik, wir wollten zumindest eine Etappe gemeinsam laufen. Er wechselte aus verschiedenen Gründen die Pilgerwege, bisher lief er auf der Via de la Plata. In Astorga wechselte er auf den Camino Francés, um zu sehen, ob ihm der Weg besser gefällt.
Häufig redete er von einem Pilgerfreund aus Deutschland, mit dem er mehrere Tage auf der Via de la Plata unterwegs war. Er gab ihm Tipps für unsere Strecke, weil er selber vor einigen Jahren hier entlanggegangen ist.
Alternative Wege und Filmkulissen
Kurz nach Astorga folgten wir den Beschreibungen von Hendriks Freund und liefen zu einem Dorf abseits der Hauptroute. Einige Menschen, die uns entgegenkamen, sagten uns, wir liefen in die falsche Richtung, doch wir ließen uns nicht beirren. Manchmal muss man eben an seinem Plan festhalten, auch wenn Andere ihn für falsch hielten.
Über einen ruhigen Pfad, der zwischen Gärten und Hecken führte, kamen wir in das verschlafene Dorf, das der Freund von Hendrik uns empfohlen hatte. Es war ein stiller Weg und wir waren die einzigen Pilger. Das Dorf Castrillo de los Polvazares wirkte wie verlassen.
Im nächsten Dorf kehrten wir zurück auf den klassischen Jakobsweg. Hier ist es gleich wieder voller geworden. In diesem Ort hat der Freund von Hendrik eine Bar empfohlen, in welcher der Film „The Way“ von Emilio Estevez mit Martin Sheen gedreht wurde. Wir suchten gefühlt mehr als zwanzig Minuten nach dieser Bar. Was ich anfangs lustig fand, begann mich langsam zu nerven. Ich wollte schon weitergehen, als wir endlich eine Bar gefunden hatten, die den Beschreibungen entsprochen hatte.
Kein Bett für müde Pilger
Am Nachmittag erreichten wir Rabanal del Camino, wo wir mit anderen Pilgern Pause gemacht hatten. Von den anderen Pilgern erfuhren wir, dass wir dringend Betten im nächsten Dorf namens Foncebadón reservieren sollten, weil dort fast alles ausgebucht sei. Ich rief in den Herbergen an, aber es waren tatsächlich fast alle Betten reserviert, bis auf eines.
Ich wollte aber Hendrik nicht alleine lassen, obwohl er mir versichert hatte, er könnte auch in seinem Zelt schlafen, es wäre nicht das erste Mal gewesen. Der „Plan B“ war also, in Rabanal del Camino zu übernachten und am nächsten Tag zum Kreuz zu laufen.
In Rabanal del Camino lernten wir Edgar aus Kanada kennen, der in Tansania zu Welt gekommen ist. Ich erinnere mich nicht mehr genau an seine Geschichte, aber ich denke, dass seine Eltern als Diplomaten oder Geschäftsleute in Tansania gearbeitet hatten.
24. Etappe: Rabanal del Camino – Poferrada
- Datum: 30.09.2021
- Entfernung: 31,5 Kilometer
Die Etappe über den Cruz de Ferro nach Ponferrada gehört eindeutig zu meinen bemerkenswertesten Pilgertagen im Jahr 2022. Auf jeden Fall war es einer der längsten Tage.
Der Aufstieg mit Stirnlampen
Hendrik und ich standen sehr früh auf. Und mit „früh“ meine ich wirklich sehr früh. Die Uhrzeit wäre vermutlich auch für die Frühaufsteher außergewöhnlich.
Wir zogen uns an und setzten unsere Stirnlampen an, weil es noch dunkel war. Das Dörfchen war noch still, alle schienen noch zu schlafen. Ruhig und noch leicht schlaftrunken stiegen wir hinauf. Nur die Lichtkegel unserer Stirnlampen wiesen uns den Weg.
Nach einer guten Stunde erreichten wir das Dorf Foncebadón, welches ebenfalls im Schlummer lag. Zumindest erweckte die Stille diesen Eindruck.
Morgengrauen am Cruz de Ferro
Den Cruz de Ferro bemerkten wir fast nicht. Vor uns tauchte der Baumstamm mit dem Eisenkreuz plötzlich auf, welches wir zuerst gar nicht für das berühmte Kreuz hielten. Erst eine Tafel sorgte für Aufklärung. Ja, hier waren wir richtig.
Hendrik und ich waren an jenem Morgen die ersten Pilger am Cruz de Ferro. Wir legten die mitgebrachten Steine auf den Steinhügel unter dem Kreuz. Wie eingangs geschrieben, sollte – einer Legende nach – jeder Pilger ein Stein von zuhause mitbringen, um es dort abzulegen. So wird man von dem Problem befreit, welchen man mit diesem Stein verbindet. Diese Tradition soll seit der Zeit der Römer existieren. Wir machten auch in Ruhe Fotos am Kreuz.
Cruz de Ferro liegt auf dem Monte Irago, mit 1504 Hm ist das der höchste Punkt von Camino Francés. Den Steinhaufen hatte man angeblich um 300 Meter verschoben, um die Straßenanbindung zu erleichtern. Außerdem handelt es sich hier um eine Reproduktion aus dem Jahre 1976, das originale Wegkreuz befindet sich im Museum der Wege in Astorga.
Wir setzten uns auf eine Bank vor einer Schutzhütte, die sich einige Meter vom Kreuz entfernt befand. Hier warteten wir mit einem Italiener auf den Sonnenaufgang.
Erst nach und nach kamen andere Pilger dazu, die meisten aus dem Ort, in dem wir keinen Schlafplatz mehr bekommen haben.
Die Tempelritter in Manjarín
Der weitere Weg führte an der Siedlung Manjarín der selbsternannten Tempelritter. Wer mag kann hier übernachten, ich war froh, dass wir es nicht getan hatten, weil alles recht chaotisch und improvisiert ausgesehen hatte.
Der Abstieg nach Molinaseca
Nach Manjarín betraten wir die Region El Bierzo, die für ihren Wein bekannt ist. Der Abstieg nach dem Cruz de Ferro war atemberaubend. Es war in meinen Augen eines der sehenswertesten Abschnitte auf dem Camino Francés.
Pause machten Hendrik und ich in einem Café, die von Deutschen eröffnet wurde. Dort sahen wir auch andere bekannte Gesichter.
Nach dem Pausenort lief ich mit Hendrik weiter. Unterwegs trafen wir Lanzelot, einen jungen Pilger aus Frankreich, der mit einem Zelt gepilgert ist.
In Molinaseca habe ich mich hinreißen lassen, wieder eine Pause zu machen, weil der Ort sehr malerisch am Fluss lag. Eine romanische Brücke überspannt den Fluss Río Meruelo. Hier verschwand Hendrik plötzlich. Er ging, ohne zu sagen, was und warum er gehen möchte. Lanzelot und ich fanden es ein wenig überraschend und irritierend.
Ich lief einige Kilometer gemeinsam mit Lanzelot, aber er hatte Schmerzen und musste immer wieder kurze Pausen machen. Deswegen beschlossen wir, uns vorerst zu trennen und dann wieder in Ponferrada zu treffen.
Das letzte Stück bis Ponferrada lief ich allein. Es war ein angenehmer Weg, durch Vororte der alten Templerstadt.
Ponferrada
Die Hauptstadt der Region Bierzo wurde nach einer eisenverstärkten Brücke Pons Ferrata benannt. Die Stadt entwickelte sich aus einer ehemaligen römischen Burg. Die Siedlung verdankte dem Jakobsweg ihre Blüte im 11. Jahrhundert. Im Jahr 1178 beauftragte König Fernando II. den Templerorden mit dem Schutz des Pilgerweges in der Region.
In Ponferrada interessierte mich in erster Linie die sehr gut erhaltene Templerburg. Ich ging in unsere Unterkunft und machte mich frisch. Da ich mich mit Lanzelot in einem nahegelegenen Café verabredet hatte, ging ich zuerst zu ihm. Er wartete dort bereits auf mich. Wir unterhielten uns ein wenig, er musste aber auch gleich weiter, weil er mit seinem Zelt außerhalb der Stadt übernachten wollte. Ich hatte später noch kurz Kontakt per SMS mit ihm, traf ihn aber nicht mehr, weil er einen anderen Gehrhythmus hatte.
Gleich danach stürmte ich regelrecht zur Burg, weil es schon spät war und ich noch die Öffnungszeiten nutzen wollte.
Ich betrat die Templerburg über eine Zugbrücke und durch ein Tor, das mit beiden Festungstürmen flankiert ist. Die Tempelritter bauten die Burg im 12. Jahrhundert auf einem römischen Vorgängerbau. Sie diente zum Schutz der Pilger. Die Templerburg weist einen viereckigen Grundriss mit zwölf Türmen.
Hendrik schrieb mir eine Nachricht. Ich soll ihm den Schlüssel von unserer Unterkunft geben, weil es nur einen Schlüssel gab. Wir verabredeten uns am Eingang und ich gab ihm den Schlüssel. Er erklärte mir auch, warum er uns so voreinlig verlassen hatte, er musste noch etwas abholen, bevor die Läden schließen.
Den Abend in Ponferrada verbrachte ich mit Hendrik. Wir aßen zu Abend und gingen danach in eine Bar. Zu dem Zeitpunkt dachte ich, es wird ein letzter Abend mit Hendrik sein.
25. Etappe: Ponferrada – Villafranca del Bierzo
- Datum: 01.10.2021
- Entfernung: 23 Kilometer
Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich von Hendrik, der mit dem Zug nach Ourense fuhr, um von dort nach Santiago weiterzulaufen. Ich fand seine Entscheidung ungewöhnlich, respektierte sie aber. Jeder sollte seine eigenen „Weg“ gehen. Wer bin ich, um darüber zu urteilen?
Der Vorabend war mir noch ein wenig „in den Knochen geblieben“. Da ich wusste, dass mir nur ein Weiterlaufen helfen würde, lief ich direkt los.
Der Camino Francés verläuft einige Kilometer durch Ponferrada und später am Fluss entlang.
In den Weinbergen von El Bierzo
Ich verließ den Ort entlang des Flusses Sil. Den Großteil des Tages lief ich durch ein Weinbaugebiet. Im einem der Orte auf dem Etappenweg, leider vergaß ich den Namen, traf ich einige der bekannten Pilger:innen. Sie saßen in einem Café. Ich setzte mich zu Ihnen. Es waren Pilgerin Diyana aus Bulgarien, Kosta aus Zypern, Martha aus Polen, Ineke aus den Niederlanden und Anna aus Kanada. Sie schlossen sich zu einer Pilgerclique zusammen und luden mich ein, mit Ihnen weiterzulaufen. Ich fand ihre Gesellschaft angenehm und lief gerne den Rest des Tages mit Ihnen. Wir beschlossen, für den nächsten Tag eine gemeinsame Unterkunft zu buchen. Ineke rief für uns an.
In Villafranca del Bierzo
In Villafranca del Bierzo verabschiedete ich mich vorerst von meinen Begleiter:innen, weil wir alle in unterschiedlichen Unterkünften übernachtet hatten.
Villafranca del Bierzo wird wegen der vielen Kirchen auch „Klein-Santiago“ genannt. Hier beendeten viele Pilger:innen im Mittelalter ihre Pilgerschaft, wenn sie krank oder zu erschöpft waren, um bis nach Santiago zu gehen. Sie gingen in dem Fall zur romanischen Santiago-Kirche aus dem 12. Jahrhundert, die sich am Ortseingang befindet. An einer ihrer Seiten ist die Pforte der Vergebung, wo diese Pilger:innen den Ablass ihrer Sünden bekamen.
Ave Fenix
Meine Unterkunft befand sich unweit der Santiago-Kirche. „Ave Fenix“ gilt als eine kultige Pilgerherberge, die ihren ursprünglichen Charakter erhalten hatte.
Den Abend verbrachte ich in der ungewöhnlichen Herberge. Die Unterkunft war originell. Darin gab es viele spezielle Details, wie beispielsweise die Toiletten und Duschen, die nur mit einem Vorhang abgeschlossen werden können. Am besten gefiel mir der urige Garten, mit kleinen Sitzbänken, einem Anhänger und Weltkarten, auf welchen die Besucher:innen markieren können, aus welchem Land sie gekommen sind. Auf der ersten Etage gab es eine Bibliothek.
Quellen
Titelfoto: Am Cruz de Ferro, Fotorechte: Dario schrittWeise
https://www.spain.info/de/(zuletzt abgerufen am 26.06.22)
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