Nafarroa Behera ist der baskische Name für die Provinz Nieder-Navarra oder Basse-Navarre, wie sie auf Französisch heißt. Ich erreichte die Provinz im französischen Baskenland, nachdem ich den Fluss Saison überquert hatte. Nieder-Navarra ist eine von den insgesamt sieben baskischen Provinzen, drei davon befinden sich in Frankreich und vier in Spanien. Die Sprache der Basken ist sehr außergewöhnlich, weil es keine vergleichbaren Sprachen in Europa gibt. Die Basken konnten sich auch erfolgreich gegen das Römische Imperium behaupten und somit ihre Sprache sehr lange bewahren sowie unabhängig von anderen Sprachen entwickeln. In den baskischen Provinzen auf der französischen Seite sprechen noch ungefähr ein Drittel der Bewohner Baskisch, weswegen auch die Straßenschilder zweisprachig sind.
Der Name der historischen Provinz Basse-Navarre erinnert an die Geschichte der Region, die zwischen 824 und 1512 zum Königreich Navarra gehörte. Auch der Name der Stadt Navarrenx zeugt von der wechselvollen Geschichte der befestigten Stadt, die sich lange an der Grenze zum mächtigen Königreich befand.
Der Wegweiser
- Hintergründe über Via Podiensis
- Beitrag 16: Castelnau-sur-Auvignon – Peyret (Via Podiensis, Etappen 23 und 24 – 2018)
- Beitrag 17: Peyret – Nogaro (Via Podiensis, Etappe 25 – 2018)
- Beitrag 18: Nogaro – Miramont-Sensacq (Via Podiensis, Etappe 26 und 27 – 2019)
- Beitrag 19: Miramont-Sensacq – Argagnon (Via Podiensis, Etappe 28 und 29 – 2019)
- Gesamtüberblick: Themenseite Jakobsweg
Etappe 30: Argagnon – Navarrenx
- Datum: Mittwoch,18.09.19
- Entfernung: 27 Kilometer
Während die meisten Pilger am nächsten Morgen früh aufbrachen, ließ ich mir wieder Zeit, zumal es an dem Morgen regnete. Ich frühstückte in Ruhe, verabschiedete mich danach vom Besitzer der Gîte de Cambarrat und begann meine Etappe.
Am Vormittag lief ich mit meiner Regenjacke und -hose los, doch zum Glück regnete es nur kurz und ich konnte bald auf beide verzichten.
Pelotafeld in Maslaq
Im Dorf Maslaq sah ich ein Pelotafeld (frontón) mit einer hohen Mauer an einem Ende. Die Pelota ist ein altes baskisches Spiel, dessen Spielgeräte auf keiner Abbildung typisch baskischer Traditionen fehlen dürfen. Bei der Pelota wird ein Ball von zwei Spielern oder Mannschaften gegen eine hohe Mauer geworfen oder geschlagen. In seinem Grundprinzip erinnert das Spiel an Squash. Die Spieler verwenden klassisch einen Lederball, der früher einen Holzkern enthalten hatte. Der Ball wird mit den Händen, einem Holzschläger oder einem Spitzkorb – einem Handschuh mit einer Art Korbschaufel – nach maximal einer Bodenberührung gegen die Mauer zurückgeschlagen. Die Spieler heißen Pelotari.
Sauvelade
Ungefähr auf dem halben Weg traf ich Hilda, die wegen Fußproblemen häufiger Halt machte. Wir liefen bis zum nächsten Dorf, Sauvelade, das sich im Tal des Flusses Laá befindet. Im Dorf gab es im Grunde nur die Abtei zu sehen, die 1127 von Benediktinermönchen gegründet wurde, die sich jedoch im Jahr 1287 den Zisterziensern anschlossen. Die Kirche der Zisterzienserabtei ist sehr markant, ihr Grundriss basiert auf der Form eines griechischen Kreuzes. Später wurde die Kirche von den Hugenotten zerstört und wieder aufgebaut (1569). Während der Französischen Revolution verließen die letzten Zisterziensermönche das Kloster. Heute ist die Abteikirche für die Besucher wieder offen.
In Sauvelade fotografierte ich eine übersichtliche grafische Darstellung des Jakobsweges in der Region. Ich pilgerte über den Jakobsweg „Via Podiensis“, der auf der Abbildung zwischen Aire-sur-Adour über Ostabat bis Saint-Jean-Pied-de-Port verläuft. Der andere, nördlichere Weg, ist die „Via Lemovicensis“, der aus Vézelay und Limoges kommt und sich bei Saint-Palais mit „meiner“ Route verbindet.

In einem Café, kurz nach der Abteikirche, machten Hilda und ich gemeinsam Pause. Den Cafébesitzer fand ich sehr interessant und sympathisch. Sein Café und die dazugehörige Pilgerherberge entsprechen wohl nicht den höchsten Standards, das Essen war einfache Hausmannskost und es dauerte sehr lange, bis wir unsere Bestellung bekamen. Alles lief ein wenig chaotisch. Dafür merkte ich, dass er ein aufrichtiger Mensch ist, der immer für einen Scherz aufgelegt ist. Eine Katze bewachte den detailverliebt eingerichteten Innenbereich.
Den Rest des Nachmittages lief ich mit Hilda weiter. In einer kleinen „Pilgeroase“ machten wir kurz Rast, in erster Linie, weil uns der Ort sehr gut gefiel. Hier können sich Pilger auf einem alten Sofa ausruhen und die Zeit mit mehreren Zitaten und Gedanken vertreiben. Auch hier gab es Wasser, Tee, Kaffee und Kuchen gegen eine kleine Spende.
Einige der kleinen Sätze und Zitate waren beispielsweise: „Jeder kann Schmutz im Anderen finden. Sei derjenige. der Gold findet“ oder „Wenn es dich deinen Frieden kostet, dann ist es zu teuer“ sowie „Wie teuer ist es die Welt zu ernähren? Günstiger als sie zu zerbomben“.
Navarrenx
Am Nachmittag kamen wir in Navarrenx an. Ich bewunderte die alte Verteidigungsmauer, die am Anfang des 14. Jahrhunderts errichtet wurde, als Navarrenx zu einer Bastide, befestigten Stadt, ausgebaut wurde. Die Stadt gilt als die erste durch Bastionen verstärkte Festung in Frankreich.
Die 1078 erstmals urkundlich erwähnte Stadt betraten wir durch eine große Lücke in der Mauer, weil nur noch ein Stadttor, die Porte Saint-Antoine von 1645 übrig geblieben ist. Den Schlüssel für unsere Unterkunft „Gîte communal“ (öffentliche Herberge) bekamen wir in einer Bar. Die Besitzerin der Bar war nicht übermäßig freundlich. Die öffentliche Herberge fand ich auch nicht so berauschend, nachdem ich vorher in einigen schönen Herbergen übernachtet hatte. Zumindest war sie in einem historischen Gebäude, dem Arsenal, untergebracht. Dafür waren die Räume kühl und subjektiv betrachtet, trist.
An der spätgotischen Kirche Saint-Germain d’Auxerre aus dem 16. Jahrhundert treffen wir Frederik und Ida, die auch etwas getrunken und gegessen hatten. Wir saßen in einer Bar, die sich direkt neben ihrer Unterkunft befand. Auch ein österreichisches Ehepaar kam dazu, Albert und Bettina. Sie gingen später zu einem Treffen in der Kirche, welches wir versäumten, weil wir noch im Supermarkt etwas kaufen wollten.
Am Abend ging ich mit Hilda in ein Restaurant am Eingang in die Altstadt. Die Toilette fand ich sehr humorvoll eingerichtet, der Besitzer der Herberge in Argagnon erzählte uns, dass wir uns diese unbedingt ansehen müssen. Darin zeigt ein Meilenstein die Entfernung nach Santiago an.
Danach kehrten wir in die „Gîte communal“ zurück, in welcher wir scheinbar nur zu dritt waren. Die Atmosphäre im Haus hatte etwas Gespenstisches.
Etappe 31: Navarrenx- Aroue
- Datum: Donnerstag, 19.09.19
- Entfernung: 18 Kilometer
Der Morgen in Navarrenx begann entspannt, ich habe noch einige Fotos in der Stadt gemacht, in einer Bäckerei ein Sandwich geholt und in einem Café Croissants mit Kaffee bestellt. Aus der Ferne sah ich noch einige bekannte Pilger, wollte ihnen auch nicht hinterherrufen und lief später gemächlich weiter.
Ich machte eine Runde auf der Mauer, sah einige Bastionen, das Pulvermagazin und das „Theater der Echos“, eine Festungsanlage, die zum Frischlufttheater umfunktioniert wurde. Zudem entdeckte ich die Pilgerherberge des selbsternannten „Alchemisten“, der entlang des Jakobsweges in der Region seine Zitate auf kleinen Kreidetafeln hinterlässt. Ursprünglich wollte ich bei ihm übernachten, habe aber erfahren, dass er zu jener Zeit nicht anwesend war.
Nach der kurzen Stadtbesichtigung, verließ ich den Ort durch das große Tor Porte Saint-Antoine am Kasernenplatz. Interessant fand ich den Text einer Hinweistafel über die „Die drei Musketiere“, die auf dem Tor angebracht war. Demnach basieren viele Figuren des berühmten Romans von Alexandre Dumas auf Personen, die tatsächlich existiert hatten. Die wichtigsten scheinen aus der Region zu stammen. Über Charles de Batz de Castelmore alias d’Artagnan hatte ich bereits geschrieben, dass er aus der historischen Provinz Gers kommt. Sein älterer Bruder, Paul de Batz war zwischen 1667 und 1703 Militärgouverneur von Navarrenx, nachdem er einige Zeit bei den Musketieren verbracht hatte. Issac de Portau alias Porthos erblickte im Jahr 1617 in Pau das Licht der Welt, unweit von Navarrenx entfernt. Nach seinem Dienst bei den Musketieren und als persönliche Wache des Königs, arbeitete er als Munitionswache der Verteidigungsanlage von Navarrenx. Dies war eine Art Rentenunterstützung für ihn. Auch die anderen Figuren des Romans, Athos, Aramis und ihr Kapitän, Graf de Tréville, basieren ebenfalls auf Personen, die aus der Gegend um Navarrenx stammten.
Vor dem Stadttor Saint-Antoine bewachen zwei Pilgerstatuen den Ausgang aus der Stadt. Über die Brücke aus dem 13. Jahrhundert mit drei Bögen überquerte ich den Fluss Gave d’Oloron und warf noch einen letzten Blick zurück, auf die beeindruckende Stadt.
Im „Garten der Träume“
Einige Kilometer später kam ich in einem Weiler an einem Unterstand vorbei, wo einige Pilger versammelt waren und kleine Snacks zu sich nahmen. Hier traf ich wieder die „üblichen Verdächtigen“ wie Hilda, das ältere irische Ehepaar, die „Österreicher“ sowie Ida und Frederik. Wir saßen kurz zusammen, dann liefen die anderen los, weil sie vor mir da waren. Gegenüber der Snackbar befand sich ein zweites Café, „Garten der Träume“, für das vorher geworben wurde. Das wusste ich aber erst hinterher. Ich holte John aus Irland ein und wir liefen noch die nächsten ein bis zwei Stunden gemeinsam weiter.
Überquerung des Flusses Saison und der Beginn des Baskenlandes
Mit der heutigen kurzen Etappe habe ich am Fluss le Saison die Provinz Nieder-Navarra und somit das französische Baskenland erreicht. Drei Pilgerinnen kühlten im Fluss unterhalb der Brücke ihre Füße. Nach wenigen Kilometern trafen John und ich einige Pilger, die eine Pause auf einem Picknickplatz am Flussufer machten. Seine Frau Margareth wartete dort auf ihn. Ich blieb noch kurz bei ihnen und lief dann wieder alleine weiter.
Über einen größeren Hügel lief ich zu einer markanten Kreuzung, wo mehrere Herbergen in Aroue angekündigt waren. Die Betreiber wiesen auch daraufhin, dass es nach Aroue sehr lange keine Unterkünfte geben soll. Beim Aufstieg überholte ich die drei Frauen, die zuvor im Fluss ihre Füße abgekühlt hatten. Ich unterhielt mich kurz mit ihnen und erfuhr, dass sie aus Südafrika kamen. Immer wieder konnte ich in der Ferne die faszinierende Gebirgskette der Pyrenäen erahnen. Die Vorfreude auf die große Überquerung wuchs in mir täglich.
Ferme Bohoteguia in Aroue
Bald darauf kam ich in Aroue an. Die Häuser des Dorfes, das auf Baskisch Arüe heißt, sind in der traditionellen Bauweise der Provinz gebaut, mit weißen Häuserfassaden und ziegelgedeckten Dächern, teilweise aus dem 16. Jahrhundert.
Die Unterkunft in der Ferme Bohoteguia war größer als die üblichen Herbergen bisher. Die Besitzer sind selbstbewusste Basken, die aus der Gegend stammen und selber nach Santiago gepilgert sind. Beim Abendessen sangen und tanzten die Kinder der Besitzer. Hier traf ich Johannes aus Österreich, der den Weg von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Irun laufen wollte, wo der Pilgerweg Camino del Norte beginnt, um dann zunächst wieder nach Deutschland zurückzufahren. Nächstes Jahr möchte er den Camino del Norte, den Küstenweg laufen, den Weg, dessen letzte 2000 Kilometer ich 2015 gegangen bin.
Mit Johannes unterhielt ich mich beim Abendessen über die Pyrenäenüberquerung, weil er bereits vor einigen Jahren auf dem Camino Francés gepilgert ist. Er verstand die Aufregung der Pilger, die den Weg noch nicht kannten, er beruhigte uns aber und erklärte uns, dass die Überquerung problemlos machbar ist.
Auch die drei Damen aus Südafrika waren hier, ich unterhielt mich mit einer von ihnen, die mir eine der südafrikanischen „schnalzenden“ Sprachen demonstrierte, deren Namen ich leider nicht aufgeschrieben hatte.
Im Schlafsaal waren wieder viele bekannte Gesichter versammelt. Mitten in der Nacht weckte uns der Rauchmelder. Zum Glück stellte sich heraus, dass die Batterie leer war. Die nervige Situation machte mir nichts aus, ich freute mich schon auf die nächsten beiden Etappen, mit welchen ich den Pyrenäen immer näher kam.
Quelle
Titelfoto: "Außerhalb von Navarrenx, vor der Porte Saint-Antoine", Foto: Dario schrittWeise Engel, Helmut: "Frankreich: Jakobsweg. Via Podiensis, von Le Puy-en-Velay nach Saint-Jean-Pied-de-Port", Welver, S. 208 - 218
Entschuldigung! ; Korrektur: Please read „kenne“ above as „kenne nicht“. I am quite a scatter-brain.
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Kein Problem, ich habe es auch so vermutet. Liebe Grüße, Dario 🙂
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Gruess Gott! Hallo! Verzeihung, aber ich kann kaum Deutsch und kenne deutsche Sitten; deswegen, ich weiss nicht, wie ich einen solchen Kommentar mit einen Unbekannten beginnen soll. Ich bin der japanische „dm-d argument“-Guy. Vielen Dank fuer Ihre Unterstuetzung davon.
Uebrigens, sprechen Sie gut die baskische Sprache? Wenn ich eines Tages vielleicht darueber Fragen bekommen wuerde, wuerden Sie mir bitte mit ihren Loesungen helfen?
Besten Dank im voraus fuer Ihre nette Hilfe!
Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!
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Hallo Herr Kimura, vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich war im Rahmen meiner Pilgerschaft auf dem Jakobsweg in baskischen Regionen, sowohl auf der französischen als auch auf der spanischen Seite. Die baskische Sprache spreche ich jedoch leider nicht. Ich wünsche Ihnen ebenfalls ein frohes Fest und guten Rutsch 🙂
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