In einer nebligen Nacht in den Pyrenäen sahen zwei Grenzpolizisten einen älteren Mann, der mit einem Farbeimer und einem Pinsel einen gelben Pfeil an eine Mauer malte. Als sie den Mann fragten, warum er das tut, antwortete er, dass er eine große Invasion vorbereitet.
Der Mann hieß Elías Valiña Sampedro und es war das Jahr 1984. Sampedro, auch bekannt unter dem Namen „der Pfarrer von Cebreiro“, begann im Jahr 1984 mit der Ausschilderung des Jakobswegs mit gelben Pfeilen. Nach und nach markierte er so die ganze Strecke ab der französischen Grenze bis Santiago de Compostela.
Diese Anekdote über den Erfinder des gelben Caminopfeiles ist unter den Pilger:innen weit verbreitet. Wenn man sich heute die vielen Pilgerbegeisterten in Spanien ansieht, sollte er mit seiner „Invasion“ rechtbehalten.
Heute wissen es die modernen Pilger:innen, die auf dem Camino Francés unterwegs sind: „Folge dem gelben Pfeil und du wirst immer auf dem richtigen Weg bleiben.“
Wegweiser
- Hintergründe über Camino Francés
- Beitrag 7: Atapuerca – Burgos (Camino Francés – 12. Etappe)
- Intermezzo: Von Verschiebungen und anderen Plänen
- Beitrag 8: Burgos – Hontanas (Camino Francés: 13 und 14. Etappe)
- Beitrag 9: Hontanas – Terradillos de los Templarios (Camino Francés: 15. – 17. Etappe)
- Beitrag 10: Terradillos de los Templarios – Léon (Camino Francés: 18. – 20. Etappe)
- Beitrag 11: Léon – Astorga (Camino Francés: 21. – 22. Etappe)
- Beitrag 12: Astorga -Villafranca del Bierzo (Camino Francés: 23. – 25. Etappe)
- Gesamtüberblick: Themenseite Jakobsweg
26. Etappe: Villafranca del Bierzo – La Laguna de Castilla
- Datum: 02.10.21
- Entfernung: 26 Kilometer
Am nächsten Morgen begann ich in Villafranca del Bierzo meine Tagesetappe entspannt. Ich frühstückte in Ruhe in der Pilgerherberge Ave Fenix und lief los.
Ich erinnere mich daran, dass es länger gedauert hatte, Villafranca zu verlassen. Der Weg schlängelte sich durch das Tal und führte teilweise an der Hauptstraße entlang.
Unterwegs traf ich andere, mir bekannte, Pilger:innen, unter anderem James und Arthur, die sich auf dem Weg kennengelernt hatten und seitdem gute Freunde geworden sind.
Arthur begann seinen Pilgerweg in Léon alleine, doch seine Ehefrau und sein Sohn sollten nach Sarria nachreisen, damit sie gemeinsam weiterlaufen können. James und Arthur liefen ebenfalls in einer kleinen Gruppe. Ich schloss mich ihnen für einige Stunden an. Mit ihnen liefen noch drei Pilgerinnen, Meg aus den USA, Sabine aus Österreich und Amy aus Deutschland.
Ich erlaubte mir, einen kleinen Scherz zu machen, weil ich vor einigen Tagen den Pilger Lanzelot aus Frankreich kennengelernt hatte: Ich erzählte Arthur und James von meiner Begegnung mit ihm. Somit hatten wir König Arthur und Ritter Lanzelot, die auf dem Camino Francés unterwegs sind. Uns fehlten nur noch der Ritter Perzival und der Magier Merlin.
Der Tag war geprägt von tierischen Begegnungen. Zunächst waren es Kühe auf der Weide. Später begegnete uns ein Hütehund, der uns aufmerksam, aber entspannt beobachtet hatte. Wir stellten keine Gefahr für seine Herde dar. Im vorletzten Dorf vor O Cebreiro machten wir eine Pause in einer Bar. Davor faulenzte ein Hund, der mir plötzlich munter wurde, als er bemerkt hatte, dass ich ein belegtes Brot gegessen hatte. Er lief mir so lange nach, bis ich ihm auch etwas abgegeben hatte. Meine Begleiter und ich lachten.
James sang, während der Hund mir hinterherlief, das Lied „You’ve got a friend in me“ von Randy Newman. Ich erinnere mich gut daran, weil James noch ein Video davon aufgenommen hatte.
„You’ve got a friend in me
You’ve got a friend in me
When the road looks rough ahead
And you’re miles and miles
From your nice warm bed
You just remember what your old pal said
Boy, you’ve got a friend in me
Yeah, you’ve got a friend in me.“(Sinngemäß:
„Du hast einen Freund in mir, 2x
Wenn der Weg vor dir hart wirkt
Und du Meilen und Meilen von deinem warmen Bett entfernt bist
Erinnere dich nur daran, was dein alter Kumpel zu dir gesagt hat:
Du hast einen Freund in mir …“ 2x)
Randy Newman
Danach begann der Aufstieg. Der Berg O Cebreiro brachte bald Arthur, James und mich ins Schwitzen. Zudem fing es an zu regnen.
Der Aufstieg hatte es in sich. Der Berg O Cebreiro war für mich, nach der Überquerung der Pyrenäen, die anspruchsvollste Region auf dem Camino Francés.
La Laguna de Castilla
In La Laguna de Castilla trennten sich unsere Wege, weil James und Arthur eine Unterkunft im Dorf O Cebreiro reserviert hatten. Bei der Ankunft sollten wir die Betten gleich bezahlen, ein Bett wurde noch nicht bezahlt, so dass ich das übernommen habe, damit es schneller geht.
Im Mehrbettzimmer ging es wieder fröhlich zu. Da es nur ein Bad gab, mussten wir warten, bis die einzelnen Pilger:innen fertig waren. Wir nutzten die vorhandene Waschmaschine gemeinsam.
Am Abend lernten wir beim Abendessen die Pilgerin Antonia aus Barcelona kennen. Sie hatte gerade ihre erste Etappe hinter sich.
27. Etappe: La Laguna de Castilla – Triacastela
- Datum: 03.10.2021
- Entfernung: 24 Kilometer
Beim Bezahlen der Unterkunft am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass wir ein Bett zu viel bezahlt hatten. Nach einer komplizierten Unterhaltung bat ich die Besitzer, in den Unterlagen nachzusehen, wie viel wir für das Zimmer bezahlt hatten. Sie wollten es nicht tun, sondern gaben mir stattdessen das Geld für das zu viel bezahlte Bett. Mich hatte es irritiert, warum sie nicht in ihren Büchern nachsehen wollten. Ich hatte den bösen Verdacht, dass sie viele Buchungen gar nicht verzeichnet hatten. Eine positive Betrachtungsweise wäre allerdings, dass sie einfach kulant sein wollten. So verstrickt man sich schnell in negative Gedanken.
Ich habe mir wieder Zeit gelassen und lief ein wenig später los. Nach dem Dorf ging es steil weiter. Ich hatte dieses Mal mehr Antrieb und das Wetter war angenehmer als der Regen vom Vortag. Der Anblick war sehr beeindruckend.
Da wir im letzten Dorf vor dem Gipfel übernachtet hatten, dauerte es nicht lange, bis wir bald ganz oben auf dem Berg angelangt sind. Meine Zimmergenoss:innen sind zwar kurz vor mir losgelaufen, ich holte sie aber schnell ein. Auch die Pilgerin Antonia war dabei.
Sie warteten am Grenzstein zwischen der Region Castillia y Léon und Galizien auf mich. Dort machten wir ein Gruppenfoto.
Das Dorf O Cebreiro
Nicht weit vom Grenzstein befindet sich das Dorf O Cebreiro. Hier wollten wir ursprünglich übernachten, jedoch waren alle verfügbaren Zimmer ausgebucht, als ich dort angerufen hatte. Wir sahen uns im Dorf um und suchten die Kirche auf. Neben der Kirche steht die Büste von Elías Valiña Sampedro.
Elías Valiña Sampedro (Sarria, 1929 – 1989) ist eine wichtige Persönlichkeit für O Cebreiro gewesen. Er hatte hier als Pfarrer gearbeitet und viel bewirkt. Sein unermüdlicher Einsatz für den Jakobsweg hatte auch einen positiven Einfluss auf die Entwicklung des Dorfes und der Region. Am bekanntesten ist er aber für die „Erfindung“ des gelben Pfeiles, mit welchen er den Jakobsweg von der französischen Grenze bis Santiago de Compostela markiert hatte.
Das Foto gab mir eine Pilgerfreundin, Lily aus den USA. Auch an dieser Stelle, danke dafür: „Thank you, Lily“.
Ich fragte vor einigen Tagen einige Pilgerkamerad:innen nach dem Foto, weil mir damals die Statue nicht aufgefallen ist. Lily hatte es sofort parat. Sie sendete es mir als Nachricht in einem populären Nachrichtendienst.
Kurz nach O Cebreiro erreichten wir Alto do San Roque, eine Erhebung auf 1270 Höhenmetern, wie ein Ortsschild es verkündet. Auf dem Aussichtspunkt ist die Statue eines Pilgers angebracht, der gegen den Wind ankämpft. Auf dem Berg war es tatsächlich sehr windig.
In Triacastela
Kurz vor dem Örtchen Triacastella verläuft der Weg an einer alten Kastanie vorbei, die laut einer Tafel 800 Jahre alt ist.
Im Ort selbst gab es nicht viel zu sehen. Ich erinnere mich in erster Linie an unsere Unterkunft und an das Restaurant, in dem wir gemeinsam gegessen hatten.
28. Etappe: Triacastela – Sarria
- Datum: 04.10.2021
- Entfernung: 25 Kilometer
In Triacastela frühstückten wir erneut gemeinsam als Gruppe und begannen entspannt den Tag. Der Vormittag verlief vergleichsweise ruhig und ohne größere Höhepunkte. An einer Kreuzung zweigt der Weg ab, in einer Richtung geht er nach San Xil und in die andere Richtung nach Samos. Beide Wege führen nach Sarria. Wir entschieden uns für den längeren Weg über Samos, weil der Ort berühmt ist für das Kloster.
Samos
Das Dörfchen Samos mit dem berühmten Kloster war das kulturelle Highlight des Tages.
Das Kloster war jedoch geschlossen, nur der Klosterladen war offen. Der Mitarbeiter wirkte nicht sehr motiviert auf uns. Von ihm erfuhren wir lediglich, dass man nur im Rahmen einer Führung reinkommt. Die Führungen fanden jedoch nur zweimal täglich statt, so dass man mehr als eine Stunde warten sollte, um reinzukommen.
Die meisten wollten jedoch nicht so lange warten. Sie gingen weiter. Mit mir warteten noch Martha und Anna. So hatten wir genug Zeit, uns im Ort umzusehen. Abgesehen vom Klostergelände gab es in Samos jedoch nicht viel zu sehen. Das Dorf gehört zu jenen Orten in Spanien, die stark von Jakobswegpilger:innen leben. Zusätzlich kommen die Einnahmen vom Kloster.
Wie unschwer zu vermuten ist, hängt die Geschichte des Ortes eng mit dem Kloster zusammen. Das Kloster San Xian de Samos wurde im 6. Jahrhundert am Ufer des Flusses Sarriá, auch Ouribio genannt, errichtet. Es gilt als die „Schule der Bischöfe“, weil aus ihr sieben berühmte Bischöfe hervorgingen. Zu ihnen zählte Benito Jerónimo Feijoo, ein wichtiger Mann in der Region. Heute gehört das Kloster dem Benediktinerorden.
Im Kloster von Samos
Nach einer Stunde Wartezeit kamen wir endlich in das Kloster. Der zuständige Mönch wartete vor dem Eingangsportal auf uns. Obwohl die meisten Teilnehmer:innen kein Spanisch gesprochen hatten, redete unser Führungsleiter erbarmungslos in seiner Muttersprache. Mein Anfängerspanisch (geschätzte Stufe 0,5) reichte natürlich nicht aus, ihm zu folgen. Auch die anderen verstanden so gut wie gar nichts. Wir sprachen ihn zwar darauf an, er meinte nur, sein Englisch sei nicht gut genug. Trotzdem war es schön, das Kloster von Innen zu sehen. Die Gänge sind mit Wandmalereien illustriert, auf welchen die Geschichte des Ordens dargestellt war.
Am Nachmittag lief ich mit Martha und Anna weiter. Unterwegs machten wir Pause in einem Restaurant mit einem sehenswerten Garten. Diyana, Kosta und Ineke waren auch da, sie gingen aber gleich weiter, weil sie schon lange dort saßen.
Sarria
Am späten Nachmittag kamen wir in Sarria an. Alfons IX. gründete die Stadt unter dem Namen Vilanova de Sarriá.
Am Stadteingang sahen wir ein kleines Zicklein hinter einem Zaun. Wir gaben ihm Gras zum Knabbern.
Das Reisen ist auch immer eine Frage der Prioritäten: Wo werde ich mehr Zeit verbringen und wofür werde ich deswegen weniger Zeit haben? Nachdem wir länger in Samos geblieben sind, hatten wir in Sarria weniger Zeit für die Stadtbesichtigung am Abend.
Meine Pilgerclique und ich hatten eine sehr schöne Unterkunft, die wie ein modernes Mehrfamilienhaus eingerichtet war. In unserem Zimmer gab es ca. 10 Stockbetten, was viel weniger war als in anderen Pilgerherbergen, so kurz vor Santiago.
Kosta, Martha, Diyana, Ineke, Anna und ich verbrachten einen wunderschönen Abend gemeinsam. Wir haben in der Unterkunft zusammen gekocht und zu Abend gegessen. Kosta arbeitet als Koch in London, er leitete uns mit Freude beim Kochen an. Ein kanadischer Pilger spielte sogar auf seinem Banjo.
Mitten in der Nacht, alle lagen schon in ihren Betten, kam ein Pilgerpaar in das Mehrbettzimmer. Sie machten mächtig Lärm. Später schnarchten sie sogar. Das gehört auch zum Pilgern dazu.
So endete unser Tag in der Stadt, die als Heimatstadt von Elías Valiña Sampedro gilt, dem der spanische Jakobsweg die berühmten gelben Pfeile verdankte. Sampedro setzte sich auch sonst sehr dafür ein, den Jakobsweg zu erhalten und zu fördern. Der Gedanke, immer den gelben Pfeilen zu folgen, um auf dem rechten Weg zu bleiben, hat auch eine philosophische Komponente. Es ist die Erinnerung daran, auch im Alltag ein Leben im Geiste der Pilgerschaft zu führen.
Quellen
Titelbild: Auf dem O Cebreiro, Fotorechte: Dario schrittWeise https://www.caminodesantiago.gal/de/entdecken-sie/der-jakobsweg-heute/der-gelbe-pfeil (zuletzt abgerufen: 29.07.22) Randy Newman - You've Got a Friend in Me https://www.spain.info/de/reiseziel/samos/(zuletzt abgerufen: 29.07.22) https://www.spain.info/de/reiseziel/o-cebreiro/(zuletzt abgerufen: 29.07.22)
https://www.spain.info/de/reiseziel/sarria/(zuletzt abgerufen: 29.07.22)
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